Ihre Begriffe von griechischen tugenden sind so gar nicht in unsrer denkungsart, daß ich selbst sie nur leise denken darf. O Künzli, daß ich doch in deiner stube mit dir und W–s–r noch frey denken u. reden dörfte! Aber der theure Freund ist nicht mehr, und Sulzer ist durch provinzen von mir entfernt!
Hören sie, mein liebster, wie W–s–r nach Künzli seufzet: Wenn dergleichen Zufälle, wie die M–ll– – sind, kommen so bin ich je länger je mehr meinen eigenen Gedanken und Sorgen überlassen, und fühle den Verlust unsers Künzlis. Möchte er doch! – – Er kannte den Menschen und seinen Charakter bestimmt. Was hätte er von Mitleiden gerührt wol nicht – geredet und gethan! Was von den Aussichten für das Vaterland, für künftige Zeiten, für wolgeschaffene gemüther p.p. Was hätte er nicht alles bedauert, sich und andere gestählet, und unsere schwachen sorgen mit uns getheilt, daß wir den Gift derselben wenigstens nicht in seiner ganzen stärke empfunden hätten. Oh! Daß es nur nicht eine vorläuftige Vorbereitung zu königl. Schuz und Schirm sey! Daß es Vertrauen und Eintracht pflanze, wenns möglich ist! Daß es von Weisheit und republicanischer Milde zeuge! Daß es glük und segen über uns und unsere Kinder bringe! – So hätt'er gewünscht, wiewol kaum gehoffet, und wir hätten seinen frommen Wünschen beygestimmt.
Indessen irrt – – – ohne Geld und ohne Empfehlung im Exilio herum, sein äusserliches verspricht nichts von dem innerlichen Schönen. Man darf ohne verdacht nicht sein Freund seyn. [→]La vie d’un homme peut donc ètre la victime d’un instant d’imprudence! La bonne intention peut avoir les suites les plus funestes. On pardonne aux sourdes intrigues du crime, on ne pardonne point aux efforts de la vertu. La morale du monde a donc raison de dire: soyez laches et prudens, et vous serez au dessus des loix, et vous vivrez au gré de vos caprices et de vos passions.
Ich hatte kaum das Herz, diese Empfindungen dem papier zu vertrauen. Auch der Erinnerer ist proscribirt, nemlich diese Wochenschrift ist aufgehoben, und wer künftig ein moralisches Blatt schreiben will, muss die Erlaubniß bey dem kleinen Rath erhalten. Er hatte moralische Charakter geschildert, die zu applicabel waren. Ich habe vor etlichen jahren ein politisches Drama geschrieben, die gerechte Zusammenschwörung, man murmelte, daß ich die Empörung gebilliget hätte; es war aber die Empörung von Uri, Schwyz und Unterwalden. Izt darf ich mich nicht unterstehen, meinen Marcus Brutus einem Verleger zu geben. Was vor vortreffliche arzneymittel für Sie, mein liebster Sulzer, für mich, für W–s–r, wären unendliche Unterredung, persönliche gegenwart! Izt müssen wir selbst uns in den schatten des Cabinets aufmuntern, wir müssen den Geist durch die früchte des Geistes selbst erheitern; es kömmt uns wol, wenn wir die Gabe haben, ut nobis ipsi plaudamus.
Ob einer gleich mit Empfindung Tugend und Wahrheit schreibt so darf er sich doch auf Beyfall und gute Wirkung wenig rechnung machen. Nur gleichgestimmte saiten empfinden mit. Aber die meisten sind verstimmt, und empfinden nicht. Wer wollte es ihnen auch zumuthen? Wenn sie auch sagten sie empfänden, und sie empfinden doch nicht, wer wollte so schwach seyn sich damit zu kizeln?
Es ist geredt worden, daß man die Helvetische Gesellschaft, die sich auf der Gerber versammelt habe, aufheben wolle. Man hat doch Bedenken gehabt. Sie besteht aus 30 und mehr Mitgliedern; die meisten sind personæ mutæ und Consonaten, die sich keine angelegenheit aus unsren geschäften machen. Andere haben anstatt Grundsäzen allein Maximen und für jedes problem eine eigene.
Hr. Ott sagt mir, daß er zu den arundinibus einen Brief gelegt habe, den sie sehr vermuthlich in dem sand haben verscharrt liegen lassen. Das grosse Werk Sur la population de l’amerique ist von Engel, der doch nicht gern genannt seyn will, weil die Berner die Autorschaft eines rathsgliedes unwürdig halten. Ich hätte sein System in die Noachide brauchen können. Die Erde, die von cörperlichen Engeln bewohnt gewesen, dann ein Chaos geworden, drauf umgeschaffen, und Adam zu besizen gegeben ward, ist mehr als poetisch.
Gleim könnte wol sich selbst sagen: solve senescentem – Da er selbst nicht mehr kann, wird er ein Kuppler. Anacreon ist gegen ihn ein Moralist.
Ramler ist weder ein sittenlehrer noch ein Wollüstling, wie Horaz beydes ist. Der König müßte Alexanderns Chörilusgeschmak haben, wenn er ihn zu seinem Leibpoeten machete.
Die von Neufchatel wollen die griechen von Genf nachahmen. Ich hoffe, daß man ihnen weniger Stof geben werde. Der mörderische General Travers in Bünden findet soutien. Die catholischen und die Sprecher bedienen sich diser gelegenheit ihren groll gegen die Reformirten und die Salis auzulassen. Man stellt sich gegen einander in Waffen.
Wenn wir von Choiseuil erhalten, daß die Explicationen nach unsrer Instruction gemacht werden so leidet immer die Republik und die souverainetät eine Eclipse. Er ist ganz erzörnt und hält seinen König an der substanz seiner Ehre beleidiget. Und diese beleidigung ist der 15te Xb. der tag an welchem ein Britte und ein S. griechische Tugend entdeken möchten. Aber Choiseuil hält die Conseillers für Aristiden und die Commissaires für Demagogen, Verführer, Criminels, die eine democratie einführen wollen, welche Anarchie wäre. Er hält die anderen Representanten für vile populace, welchen die drey oder vier Häupter der demagogen selbst zu glauben geben was sie wollen. Er sieht weder Einigkeit noch Ruhe noch sicherheit noch ordnung in der Republik wenn diese nicht fortgeschaffet werden. Ich fürchte, sie die Demagogen werden in dem Werk, das izt in Solothurn negotiert wird, von der Amnistie ausgeschlossen werden. Werden ihre Constituanten dises zugeben, und wenn sie sich widersezen, werden wir sie dazu zwingen müssen? Er leget ihnen sehr zur last, daß sie in der requête vom 30sten Jenner, die Hennin ihnen abgenommen und damit eine reprimande von seinem Hofe gewonnen hat, apologetica einfliessen lassen, und sie nicht für Criminels dargelegt haben.
In den Cantons hält man überhaupt die Conseils für untadlich und an ihren Attributs gekränket; und man hat so viel Ehrfurcht oder Furcht vor dem König, daß, wenn man gleich anders dächte, man den Königlichen begriffen nicht widersprechen darf. In Bern vermehrt sich doch die partey die mit der Tronchinaille unzufrieden ist. Die Conseillers sind von Composition unter sich selbst ganz entfernt, sie verlassen sich auf Choiseuil und die decisionen von der Mediation. Die von ihnen besser denken, werden entrainirt. Breitinger hat Vernet und der Chorherr Geßner dem sindic Jallabert Vorstellungen gemacht; Jallabert hat wie ein ehrlicher Mann, der noch empfindet, Vernet wie ein politischer Priester geantwortet.
Dr. Hirzel ist beynahe der einzige, der in unserm großen Rath für die Rechte des Cl. gen. redet. Er thut es mit einem Eyfer der ihm ein Gallenfieber angedroht hat. Er sollte so vorm jahre geredet haben, aber er hat sich erst seit wenigen monathen fest gemachet. Die Citoiens hatten gehoffet, daß die britten sich ihrer annehmen würden; aber man hört, daß die britten den Cantons die Ehre thun zu glauben sie seyn für sich herzhaft genug die Independenz von Genf zu retten. Doch man muß öfters zweifeln, ob nicht bey den britten selbst die despotischen begriffe die Oberhand haben. Was soll ich sagen; wir sind unter uns noch nicht eins, ob unser Canton mit dem petit und grand Conseil oder mit dem Cl. Gen. allirt sey; ob der Souverain in Genf der petit Cl. der grand Cl. oder der Cl. general sey, ob die Souveraineté nicht unter alle diese getheilt sey; bisher hat diese leztere meinung die Oberhand gehabt.
Es scheint immer daß Frankreich bey diser gelegenheit Genf und der Schweiz die flügel beschneiden will, vornehmlich die flügel des commerce, denn es redet immer von der neuern commercial route, die von Lion auf Pontarliers, und von da nach Basel in die Schweiz gehen soll. Man verheißt uns dise Strasse bequemer und wolfeiler zu machen. Bern würde dadurch am meisten vernachtheiligt. Aber Genf müßte am meisten leiden. Ich sehe doch keinen grössern Fehler an den Citoiens, als daß sie nicht nach den Begriffen Frankreichs glüklich seyn wollen. Sie wollen ihren eigenen Einsichten von Wolfahrt und Glük folgen. Und diese Wolfahrt finden sie in ihrer alten Constitution, wenn sie nicht gezerret wird. Aber die mächtigern sind so ungebeten gütig, daß sie den Kleinern, Regeln von Glük freundschaftnachbarlich gebieten. Also hat die Czarin Curland glüklich gemacht, und so will sie izt Pohlen machen. Und wäre es nicht, alles zusammen genommen ein Glük für Pohlen, wenn sie den Dissidenten zur Gleichheit mit den Catholischen hülfe, wenn sie über dieses die leibeigenen in freiheit und Eigenthum sezete, wenn sie zulezt die Königswürde erblich machete, und endlich Stanislaus den II. heurathete? Aber wie komme ich hierzu?
Hier haben sie die ganze Ode:
God said to Frederic: be the first of names,
Let fame thy feats in thunder tell the age,
Posterity reecho, for I add
To Laurels blood and Voltaire to thy heart.
He turnd to Lewis, from th'alldazzling look
The Mock-King shrunck: When Gauls Sty Dæmon thus;
Thy Fate damns france, there let him rule and add
A Bourbon brain, bigotry, Pompadour.
The shrieks of mangled Colombona have
Their fill – shall be avengd – let lisbon howl,
And mourning Joseph till Iberia ripens
Share earthqueaks, daggers, inquisitions, priests.
His nod calld me: I trembled lest a throne
Should be my lot – but midly, smiling He:
Take thou thy wish – the genial mind, the tear,
Thy friend be Bodmer and thy mistres, –
Ich sehe nicht, was Gauls Sty dæmon in der Zweiten Strophe zu thun hat. Und die furcht lest a throne ist elend hochmüthig. Aber wie klein das Ende: Bodmer and a Mistress!
Lauson hat ein Recht auf Spandau oder Waldheim.
Lassen sie sich gegen beygeschlossene Assignation eine Calliope von Voss geben. Aber wo sind die sich mehr als unsere heutigen Charakter vorstellen können, die kraft ihres natürlichen Hanges für Unschuld, keine Mühe haben ihre phantasie in patriarchalische Zeiten zu versezen und da das Vergnügen einzusaugen, welches ihnen durch die blosse Einbildung wirksamer wird als die Wollust, die man ihnen durch die sinnlichen Vorstellungen der izigen nicht Unschuld, nicht Einfalt zu machen sucht? Wie gewaltsam werden nicht dem menschl. Geist seine natürlichen Ressorts gehemmt, und verdunkelt was sonst licht seyn würde!
Wenn es seyn kann so schike ich ihnen durch die Messe die Acta Schinznacensia vom May 1766. Es ist schlechtes Zeug. Ich umarme meinen liebsten Wegelin, sagen sie ihm der Abbas Celestinus II. sey Todes verblichen.
Nach der gestrigen Depeche von Solothurn erstrekt Choiseuil das Recht der Garantie auf die Decision über alle, großen und kleinen Artikel der Constitution der Republik Genf; selbst über die us und usages, ob diese vim legum haben sollen oder nicht. Wir haben uns dagegen gestärkt, daß wir die Independenz der Republik retten wollen, soviel wir können. Gott wolle, daß wir persistiren. Es sind noch gar zu viele, welche sagen, was können wir gegen die macht von Frankreich, und: wolle Gott daß des Königs Grösse ihm zulasse, sich eines beßern zu besinnen.
Man ist gegen Schwächere hoch, und gegen Mächtigere niederträchtig. Unsere jungen patriotchen haben Klugheit gelernt, und haben es nicht unnöthig gehabt. Man thut zu viel oder zu wenig.
den 6ten Merz 1767 à 6. Uhr morgens.
Hr. [→]Orell in der Neustadt, der französische Agent ein mann der hier Credit und Freunde hat, vornehmlich Hn Statth. Hirzel, hat einen sohn als volontair unter dem Obrist von Pretwiz, Cavallerie Regiment von Ziethen; der junge Mensch hat noch vor 3. jahren meine Collegia besucht, stand unter unserm Regiment Lochmann, welches er aber verließ, aus großer Begierde die er nach Preußischen diensten hatte. Er hat das ganze Naturell eines officiers, sonst ein sehr gutes gemüth, und den ansehnlichsten wuchs. Disen jungen menschen soll ich Ihnen und meinem liebsten Wegeli empfehlen, daß sie ihm, wenn er sie besucht, gute Erinnerungen geben. Hr. vom Pretwitz ist überaus wol mit ihm zufrieden und verspricht ihm eine officierstelle; er schreibt seinem papa, er solle ihm nur das Equipage anschaffen. Hr. Orell ist auch dazu ganz geneigt, nur wollte er gern, daß seinem sohn zuerst die patent für die beföderung gegeben würde. Also bittet er, Hr. professor möchte dises Hrn. von Pretwiz versichern, und ihm dabey sagen, daß der junge Mensch von gutem angesehenem Haus und den Seinigen sehr angelegen sey. Man glaubt hier, Hr. professor sey nicht nur um die besten Officier und Freunde des Königs, sondern um den König selbst, und ich lasse sie gern auf dem glauben & cum magnis vivere.
Meine Hoffnungen wachsen, daß beyde stände mit mehr Eyfer für die Independenz der Rep. Genf sorgen wollen. Es sind kleine Anzeigen, daß Hr. H–d–gg– den Ton ändert, Hr. Ougsburger folget ihm immer. Hr. Escher hat nicht länger zu kämpfen, Hr. Sinner wollte gern wälscher sekelmeister werden, und hat einen concurrent der die Negatifen hat; wenn er die Civisten haben will, so muß er auch nachgeben. Wirklich ist das memoire, welches diese plenipotentiaires im neu erfundenen Amt für unsre Ehrengesandten, dem französischen Hof eingegeben auf die wahren Principe gegründet. Wenn wir ihnen getreu und standhaft bleiben so ist Genf gerettet. Der Magistrat in Genf ist auf die Hülfe von Versaille stolz. Die negatifs haben den representanten ein Formular zugestellt, wie sie des Königs gunst und gnade wieder erhalten könnten; welches die kriechende Unterwürfigkeit eines Iloter in sich enthält. Der Magistrat sucht durch die niedrigsten Mittel proselyten zu machen. Er hat den Landleuten zugemuthet dem Rath treue zu schwören anstatt daß sie sonst nur dem staat schwören. In der that haben sie Choiseuil eingenommen, und noch mehr seinen commis Bournonville. Tronchin der Fermier und Tronchin l’Esculape, arbeiten ohne aufhören an diesem.
Man hat hier von Frankreichs macht den begriff, der unter Louis XIV mag richtig gewesen seyn. Andere die es besser wissen wollen sagen, [→]qu'elle n'a que 50.000. hommes de troupes, encore les suisses y compris, et point d'Argent, les peuples abimés dans une misere au dessus de toute expression. Die Memoires der Pompadour sollen uns davon belehren. Es sind starke Wahrheiten darinnen, wiewol auch vieles nur wahrscheinlich ist. Aber wir sind nicht tapfer, und wir schämen uns nicht uns damit zu entschuldigen [→]que nous avons eté obligés de suivre les volontés de la françe. Ainsi nous nous rendons l'objet de mepris de toute l'Europe, en faisant voir que nous ne sommes plus libres, mais soûmis volontairement au joug de cette couronne. Hr. Engel ist noch so sehr ein alter Schweizer, daß er sagt; [→]si les suisses etoient unis ils feroient trembler la françe et ce n'est que par notre faiblesse qu'elle peut donner une lueur quasi prête à s'eteindre. Les deux etats ont assez cedés, et au delà, il est bon qu'on tienne ferme, et si le duc ne veut pas ceder à son tour il vaudrait mieux rompre les conferences et declarer que nous voulons satisfaire à nos engagemens sacrés des Alliances; que de nous laisser continuellement mener par lui en renonçant à l'effet des Alliances et nous couvrir d'opprobre aux yeux de Dieu et de tout l’univers, en prenant part à toutes ses injustices. Bern hat noch mehr dergleichen helden für Rechte und Wahrheit, vornehmlich einen Trisching und einen Davel, der Hrn Sinners Eidam ist.
Im anfang dieser geschäfte hatte Hr. Norton, der Englische Resident den ständen ein schreiben von s. König gegeben, in welchem er uns sagt, daß es ihm nicht gleichgültig wäre, wenn wir gegen einen Artikel der Mediation 1738. französische truppen in Genf einrüken ließen. Izt liegen französische truppen an den gränzen von Genf, und halten die stadt wie en blocus, und Engelland schweigt. Hutton hat mit einem großen Minister von London gute sachen für Genf geredet, diser hat geantwortet, die stände seyn stark genug sich selbst und Genf zu helfen. Man thut uns zu vil Ehre, oder wir wissen nicht, wie stark wir sind. Es ist ein elend, wenn wir diese gute opinion, die man von uns hat, selbst offenbar zerstören. Etliche wenige Zeilen von London hätten uns doch muth gemacht, zum wenigsten hätten die wolgesinnten darauf appuyiren können.
Es ist unglaublich, was sich der magistrat von Genf gegen die representanten erlaubt, wie die negatifs dieselben ⟨raupfen⟩, sie zu irgend einem starken schritt zu verleiten. Es ist als ob die Obrigkeit nur da sey den negatifs Recht zu halten. Und eben so unglaublich wie geduldig und gesezt die Representanten alles vertragen. Es bleibt immer wahr, was ich einmal publice gesagt, man fände in der Historie aller Völker kein Exampel daß Rebellen so sanftmüthig und artig gewesen seyn; wiewol man mich erschreklich ausgelachet hat.
Man sagt als in Bern von dem neufchatelischen Geschäft berathschlaget worden, habe man den Hrn. Lentulus in den Ausstand gethan. Darauf als das Genfer geschäft behandelt worden, habe er begehrt, daß die französischen Officiere abtreten sollten, welches er auch erhalten. Bey uns müssen sie nicht ausstehen; wir haben aber auch nur zween im Großen Rath Hn Marschall Lochmann und Hn Capitain Landolt, Hn Burgerm. sohn. Doch Lochmann gehet für 20. Er ist allzu gut mit den kleinen Räthen bekannt, unter welchen er als Rathshr. viel jahre gesessen. Er kann nicht groß genug von Frankreich reden, und ihm glauben alle, die es nicht besser wissen wollen noch können.
Unser Bürgerm. Löw ist von alter abgenuzt, und der andere eilt ihm nach. Hr. Statthalter Hirzel ist etliche monate vom podagra übel geplaget; seine Anwesenheit hätte doch dem Geschäfte keinen bessern Schwung gegeben. Er denkt wie Lochmann und H... Ich weiß nicht wie es kommt, daß mir dise dinge so stark durch den Kopf laufen, welche doch so wenig patriarchalisches haben. Seitdem ich dem geheimen Rath zugeordnet bin, hab ich gewisse leute so nahe gesehen und gehört, daß ich bald in dise bald in jene bewegung gesezt worden bin. Unser Dr. hält sich seit einiger Zeit wie ein Held, schade daß er späte ins Feld gegangen ist.
Unser Jean Schoulthess ist nicht mehr unser, ich habe ihn seit 3. monathen nicht mehr bey mir gesehen; und das schlimmste ist daß ich nicht ursache habe ihn zu mir zu bitten. Er hat ein eiteles Herz, und einen leeren Kopf. Wir sind ihm nichts mehr. Tanzen, sich kleiden, tändeln ist seine arbeit.
In Trogen tritt Hr. Joh. Zellweger, Hn Landammans Sohn, mit starkem Schritt in die Fußstapfen seines s. Oncle, des doctor, er ist izt Landsfähndrich, und hält sich so gut, daß es eine gute Anzeige ist, wenn er nicht auf künftiger landsgemeinde ausgestellt wird. Es ist als ob er diese Ehre mit unerschrokenheit und rechtschaffenheit verdienen wollen. Die von Heiden hatten ihren alten 80. jährigen pfarrer abgesezt, weil sein junger Vicarius ihnen beßer gefallen. Hr. Zellweger hat eine Deduction geschrieben zu behaupten daß den Gemeinden nicht gebührt ihr jus patronatus so gewaltthätig auszuüben. Vielleicht wird sie publicirt, und wiewol sie die Vernunft selbst dictirt hat, so steht er doch in gefahr daß die Bauern ihn für einen Verkürzer ihrer absoluten freiheiten ansehen. Er hat die ältere Schwester Hr. Dr. Hirzels geheurathet, der Dr. hat einen ordentlichen Briefwechsel mit ihm. Sein älterer Bruder lebt izt zu Trogen und hat Hn Leonhard Meister, Hn Kamerer von Küßnach Neveu zu sich in sein Haus genommen. Trogen wird bald eruditer als St. Gallen. Ihre historisch politischen schriften sind für Jean Schoulthess versiegelte Bücher; aber für mich und etliche andere sind es deliçes.
Sie dürfen beynahe freymüthiger schreiben, als wir hier reden. Ich bin durch meine öfentliche Institution von 40. jahren in den Ruf gekommen, daß ich die jungen Leute zu griechischem denken lehre, und doch lehre ich sie nur principia anstatt Maximen, ohne daß ich selbst Applicationen mache. Es ist nicht meine schuld, daß man die principia braucht zu appliciren, und sie bald richtig bald unrichtig anwendet.
Wenn Hr. Orell Ihnen besuche macht, so weiß ich daß sie ihm sein Vaterland lieb und schäzbar machen werden; wir haben auch tapfere männer nöthig, und officiere, er hat den französischen Dienst vornehmlich darum verlassen, weil er nichts auf den frisirten, gepuderten perruquier, und tanzmeistern hält.
Mein liebster Wägeli, ich empfehle Ihnen, was ihr Herz Ihnen empfiehlt, wenn ich Ihnen den theuren Hr. professor Sulzer empfehle, dessen Gesundheit und Hypochonder mir einigemale bang machet. Zween geister, wie sie beyde, sind zahlreich genug einander das leben angenehm zu machen. Ich selbst habe hier kaum eine grössere Zahl, welchen ich meine seele vertrauen darf.
Es wäre doch von unvergleichlichem nuzen, wenn Hr. prof. Sulzer sein Geschmakswörterbuch vollendete! Wenn er es nur nicht so weitläuftig angebahnet hätte!
Ich habe immer gehoffet, ein mann von Liscovs Geist würde auferstehen, welcher den pedantischen stolz der Lessing, Weiß, Nicolai, – demüthigen würde. Aber er kömmt nicht und sie geben den Ton. Wieland, der in der Dunciade so schön angefangen hat, ist zu ihnen über getreten; und fleht daß sie ihn aufnehmen wollen. Vielleicht thäte es seine würkung wenn sie in einer französischen schrift abgefertiget würden, weil sie doch so gern franzosen seyn wollten.
Mein liebster Sulzer.
Man sagt die Jgfr. Meisterinn habe in Bourdeaux ihren Wunsch; es ist mehr als wir hatten hoffen dürfen. Ihre Töchterchen werden es gern hören. Ich hoffe, daß diese lieben Kinder an jahren und verstand so sehr zunehmen, daß sie bald die Haushälterinnen ihres papas seyn können. Es ist doch gut, wenn alte leute die Hülfe und den Trost ihrer Kinder haben. Ich bin derselben beraubet, und ich muß mich mit fremden behelfen. Noch geht es gut so lang mein Rüken nicht gekrümmt ist, und ich noch auf den Füssen stehe. Ich kann noch nicht sagen, daß die Tage gekommen seyn, welche nicht gefallen.
Hr. Diacon Waser ist sehr gesund, Hr. Heß von Neftenbach hat sich recht sehr gebessert; Hr. Can. Breitinger hat den bau der münsterkirche tag und nacht im Kopf p.p.
Ich habe desto mehr geschrieben, damit die menge wenigstens dem brief einiges gewicht gebe.
Ich umarme sie beyde.
B.
den 14 März 1767.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13b.
Assignation für den Verleger Voß. – Brief an Wegelin.