Brief vom 7. Februar 1767, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 7. Februar 1767

Die ausnehmende Hurtigkeit im Schreiben die Hr. Escher zeiget, hat doch auch dieses Gute, daß sie mir allemal auch etwas von ihrer Hand, mein theürester, verschafft, und dieses macht auch mich hurtiger im Schreiben. Ich denke von dem Epitomator der Literatur Briefe weniger gutes, als Sie vielleicht von mir vermuthen, aber doch weniger Böses, als Sie. Es kann mich ein Schriftsteller in einigen Theilen seines Werks ganz ärgern, da er in andern Theilen mir deßen ungeachtet genüge thut.

Die englische Verse sind des dreistesten Dichter genies würdig. Aber ich bitte Sie sehr, mir eine andre Copie davon zuschiken. Denn ihr Papier hat so durch geschlagen, daß ich in der zweyten und dritten Strophe keinen völligen Sinn aus dem herausbringe, was ich lesen kan. Ganz fürtrefflich ist die lezte Strophe. Aber warum haben Sie mir nicht lieber das Ganze geschikt?

Wenn Genie ein Pfand des klugen Verhaltens zur Beförderung des Wolstands wäre, so würde ich keinen Augenblik um F. besorgt seyn; da ich izt große Sorge für ihn habe. Er hat mir nicht wieder geschrieben, ob ich gleich ihn sehr gebethen habe, sich offenherzig gegen mich zu betragen.

Sie sagen mir nicht ob Klopstok dem Lavater geantwortet habe. Ich habe allemal zu viel unaussprechliche Seüfzer, Empfindungen und heilige Bewundrung in den Gesängen dieses Dichters Empfunden und eben darin ist er der Antipode nicht nur Homers, sondern der Alten überhaupt, die nicht mehr empfinden, als sie ausdrüken können. Die Empfindung hat so gut ihre Schwulst, als die Einbildungskraft und die Worte.

Wenige Blike, die ich auf Hubers choix des poes. allemandes geworffen habe, überzeügen mich hinlänglich, daß er ein Stümper ist. Wenn Sie lange nicht sollten gelacht haben, so machen Sie sich fertig izt zu lachen. Auf einer hiesigen Schaubühne ist ein Vorspiel aufgeführt worden, Friedrich größer als Herkules. Die Götter und die Musen sind versammelt um einen neüen Gott zu wählen. Jeder namset einen, mit so viel Weißheit, als ofte bey Ihnen genamset wird. Dreyer werden Friedrich, Peter von Mußchenbrok und – Ramler. Nun rathen Sie, wer hernach das Mehr gehabt hat. Das lustigste war, daß kaum jemand weder in den Logen noch im Parterre die zwey lezten Candidaten der Gottheit jemals nennen gehört.

So bald etwas entscheidendes wegen Genff vorfällt, möchte ich es gerne so bald erfahren, als möglich ist. Ich umarme Sie von Herzen.

JGS.

den 7 Febr.

Ich habe noch ein paar Zeilen an Hr. Escher schreiben wollen. Aber die Menge verschloßener Winde, die mich sehr plagen, erlauben mir nicht länger zu sizen. Entschuldigen Sie mich bey ihm.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.

Vermerke und Zusätze

Auf der ersten Seite »Escher« von Bodmer geschwärzt und unkenntlich gemacht.

Stellenkommentar

nicht lieber das Ganze
Bodmer sandte Füsslis Ode God said to Frederic im nächsten Schreiben noch einmal mit. Vgl. Brief letter-bs-1767-03-06.html.
Friedrich größer als Herkules
Johann Friedrich Lauson, Friedrich, größer als Herkules. Das Stück wurde am 27. Januar 1767 von der Schuchischen Schauspielgesellschaft anlässlich des Geburtstages des Königs als Vorspiel vor dem Trauerspiel Regulus aufgeführt (Reichs=Postreuter, 29. Januar 1767, St. 9). Friedrich II. wurde auch auf Schaumünzen und in Oden mit Herkules verglichen. Bodmer erwähnte die Aufführung fast wortgleich in einem Brief an Johann Heinrich Meister vom 24. Februar 1767 (vgl. Zehnder-Stadlin Pestalozzi 1875, Bd. 1, S. 533).

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann