Mein würdigster Freünd.
Die schönen und angenehme Meßgeschenke, die Sie mir geschikt haben, sind zu späthe angekommen, als daß ich damals mich dafür hätte bedanken können. Ich thue es jezo etwas späthe, aber mit keiner Verminderung der Erkenntlichkeit. Sie tragen in der That das meiste dazu bey mir in den vielen verdrießlichen Umständen, die mich umgeben, noch einige angenehme Stunden zu machen. Die Noth welche der Krieg mit sich bringt steigt nach und nach auf den höchsten Gipfel heran, und in meinem Privatleben, werde ich immer einsamer. Doch suche ich so viel möglich mir diese Einsamkeit durch Arbeit erträglich zu machen. Ich habe nun angefangen alle die Papiere, die ich seit 6 Jahren zu meinem Wörterbuch gesammelt habe, in eine Ordnung zubringen, und hoffe in einem Jahr wenigstens mit der Haupteinrichtung fertig zu werden. Das Gespräch zwischen dem Helden und dem Dichter hat mich sehr belustiget. Aber ich wollte es doch weder dem einen noch dem andern zu Leide thun es bekannt zumachen. Ihre Roolen sind noch weniger glänzend darin, als in dem würklichen Original. Hr. Wegelins Schrift von dem moralischen Geschmak ist wichtig. Aber [→]ich habe diese Materie in zumeinem Wörterbuch etwas weitläuftiger und wo ich nicht irre handgreifflicher ausgeführt. Von seiner andern Recension habe ich keinen Gebrauch machen können. Hier wird gegenwärtig keine periodische Schrift herausgegeben, als die Briefe über die Literatur, die nun seit 2 Monaten, wegen Mangel des Papiers auch still steht. Eben dieser Mangel ist auch Ursache, daß Reich, dem ich angetragen bey Ihnen den Verlag für den neüen Noah auszuwürken, es nicht hat annehmen können, und daß auch die Schriften der Academie nicht können fortgesezt werden. So sehr mischt sich der Krieg in alles. Was mir von dem gegenwärtigen Zustand der öffentlichen Angelegenheiten bekannt ist, habe ich an Hrn. Künzli geschrieben. Wenn es ohne ihre Beschwerde geschehen kann, so laßen Sie doch den Hrn. Herrliberger fragen, wie es mit der versprochenen Ausgabe der ceremonies religieuses steht, für welche ich ihm einige Prænumerationen bezalt habe.
Es könnten sich diesen Winter einige Umstände ereignen, die mir erlaubten künftiges Jahr Sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Aber sagen Sie nichts davon. Ich umarme Sie herzlich.
S.
den 12 Decemb.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen II 1807, S. 335 f. (Auszug).
Herrn Bodmer des Großen Raths und Profeßor in Zürich
Siegelreste.