Berlin den 10 Febr.
Ich bin sicher, mein theürester Freünd, daß meines Bruders Sohn, der gegenwärtig in Zürich studieret, schon vor meiner Empfehlung die Würkung ihrer Freündschaft für mich, wird an sich erfahren haben. Man versichert mir, daß er ein Knabe von guter Hofnung und einigen Anscheinenden Talenten sey. Wenn er also durch ihren Rath in die beste Gesellschaft ihrer jungen Leüthen komt, und die besten Schriften kennen lernt, die man in seinem Alter lesen muß, wenn Sie sich überwinden können, einen noch so rohen Menschen ab und zu einmal zu sehen, um ihm auf den rechten weg zu helffen, so habe ich Hoffnung, daß er gut, und einer der unsrigen seyn werde, wenn er wird zum reiffen Alter gekommen seyn. Wie gerne wolte ich an die Hrn. Chorhrn. Breitinger und Geßner schreiben um diesen mir am Herzen liegenden Säugling der Musen ihnen zu empfehlen? Aber ich wollte Ihnen so wol die Mühe des Antwortens, als bey dieser Entfernung Ihnen die Umkosten eines großen Paks Briefe gerne erspahren. Sie werden also noch die Freündschaft für mich haben ihn diesen Hrn. in meinem Namen, und so, wie wenn ich selbst an Sie schriebe zu empfehlen. Ich wünschte, daß ich ein Mittel wüßte ihn zum größten Fleiß zu ermuntern. Denn darauf kommt iezt alles an; daß ich auf der Stelle wäre um ihm die nöthige Arbeitsamkeit anzugewöhnen, und um zu urtheilen was für nöthige Bücher ihm fehlen. Ich möchte ihm gerne angewöhnen alle Zeit, die ihm sein Hauptstudium und die besten Gesellschaften junger Leüthe übrig laßen, allein auf die aufmerksamste Durchlesung der alten und neüen Schriftsteller vom besten Geschmak verwendete. Ich wollte ihm so gut ich könnte eine Methode vorschreiben, sich sein Lesen zu Nuze zu machen. Was sie, mein Freünd hierin an meiner Statt thun können, das thun Sie meinethalber und der guten Sache halber, welcher sie ihr ganzes Leben hindurch so eyfrig gedienet haben.
Insbesonder ersuche ich Sie, sich nach seinen Büchern zu erkundigen und ihm hernach einige nöthige, die ihm vorerst recht nüzlich seyn können auf meine Rechnung anzuschaffen, was sie etwa für einige 20 . anschaffen können, die ich Ihnen mit vielen Dank werde bezahlen laßen.
Der Winter ist bisdahin ruhig fortgerükt, und wir sehen die außerordentlichen Anstallten, die zu einem lebhaften Feldzuge gemacht werden, nur von weitem an, weil Leipzig der Mittelpunkt der Bewegung ist. Der traurige [→]Gellert hat nicht das Herz gehabt, den König, so liebreich ihn der Monarch dazu eingeladen wieder zu besuchen. Da man ihn dem König, als einen der besten deütschen Köpfen beschrieben, so wird der Monarch urtheilen, daß auch der beste deütsche Kopf kein Geschike für die Gesellschaft und den Umgang mit der Welt hat, und dieses ist eben der Ursprung seiner bisherigen Neigung gegen die Franzosen.
Ernesti ist auch beym König gewesen und hat ihm geholffen die Deütschen verachten, weil sie weder Griechen noch Römer sind und Reiske hat auf sie gescholten, weil sie nicht genug arabisch verstehen.
[→]Der Marquis d’Argens und der englische Gesandte Hr. Mitchell rühmen bey dem König die Deütschen mehr, als sie sich selber durch ihre Werke loben. Ich bin jezo durch den Marquis d’Argens in einer kleinen mittelbaren Correspondenz mit dem König. Ich hatte nebst einigen Freünden den Einfall gehabt [→]dem brafen Obristen von der Heyde, der Colberg vertheidiget mit einer auf ihn geprägten goldenen Medaille zu beehren, und sammelte dazu Subscriptionen ein. Als es der König erfuhr, ließ er mir durch d’Argens sagen, daß ihm der Einfall sehr gefiele und verlangte mit auf der Liste der Subscribenten zu stehen. Der König wünschte, daß Werner eine gleiche Ehre genöße, und auch dieses habe ich nun meist zustande gebracht, so daß beyde Medaillen in kurzem erscheinen werden.
Ich habe leider den Winter über mein Werk nicht viel weiter gebracht. Es ist jämmerlich nach 3 Monaten zu überdenken durch was für Zerstreüungen man gegangen ist – Ich habe dieser Tagen Probestüke der englischen Schaubühne gelesen, in Basel gedrukt. Wer ist doch Übersezer davon. Er scheinet ein Man von Gewichte zu seyn. Leßing ist in Breßlau und Secretar des Generals Tauenzien. Er kann bey diesem Posten Geld verdienen. Er arbeitet schon lang an einer critischen Lebensbeschreibung des Sophokles.
Damit es Ihnen nicht gehe, wie es mir leyder ofte geht, so erinnere ich Sie nochmals, ihren neüen oder verneüerten Noah nebst den verheißenen Trauerspielen nicht zu vergeßen. Einer meines Bruders Söhnen, der gegenwärtig auch in Zürich ist reißt auf künftige Meße nach Leipzig, dem können Sie geben, was sie an mich schiken wollen. Ich umarme Sie herzlich und in Ihnen unsre gemeinschaftliche Freünde von Zürich bis nach Trogen.
Adieu. Sulzer.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen II 1807, S. 333 f. (Auszug).