Ich habe das Vertrauen zu ihrer Stärke, Sie werden in kurzer Zeit ihrer Umstände so mächtig seyn, daß weder Daun noch Buterlin sie in der Stille stören können, die sie zu ihrem Wörterbuch nöthig haben. Die geschikten devisen auf Werner und Haide und ihr liebstes schreiben vom 10ten Octob. haben mir genug gezeigt daß ihr geist zu haus ist. Sie haben mich mit der Medaille zum bewunderer der beyden helden und des Erfinders gemacht. Ich sehe den denkenden mann unter dem schnauzbarte Werners hervorbliken. Aber, mein theurer, izt habe ich dise kostbaren stücke genug genoßen, disponiren sie darüber zur Erfreuung eines andern von ihren Freunden; Hrn. Schuldh. Sulzers, der Sie so ganz in seinem herzen trägt, oder des wakern Rectors, der izt ein Rex Latinus geworden ist. Ich erwarte ihren Wink ...
Man soll uns nicht vorrüken können, daß wir in diesem Kriegsbrande weniger gegenwart des geistes bezeigt haben, als die Durbachin die so fröhlich singet, und die Nicolai und Weißen, die solche angriffe in dem feld der Critik wagen, als wenn sie den Hannibal nicht vor den thoren hätten. Gleim kann der Durbachin sehr tort thun, wenn er ihre Chevilles übersiehet, Chevilles in Gedanken, und in Worten. Die literaturbriefe haben sich durch das urtheil von Rousseaux Heloise Stinkend gemacht. Wir halten Weißen für den Verf. der Histoire de la poesie allemande im Journal etranger. [→]Uz ist da le rival le plus redoutable d’Horace. Also hat Mezentius die lebenden zu den todten gefeßelt. Sie sind Wielanden auf den tod gehäßig. Man muß ohne stirne seyn, zu leugnen, daß in seinen briefen der Verstorbnen nicht eine neue schöpfung sey. Es muß doch bald einer kommen, [→]der ihnen zwage; qui leur lave la tête.
Sie werden nicht lange nach Empfang dieser Zeilen meinen Brutus bekommen, den ich Hn Reiske für sie zufertigen laßen. Der Noah soll auf die Ostern folgen. Sie sollen dann urtheilen ob er von den Gratien so sehr verlaßen sey wie die Nicolai sagen, obgleich der Wein sein herz nicht zu leichtsinnigen leidenschaften geschmelzt hat. Ich habe mir gewiße nachgeahmte stellen mehr eigengemacht; ich glaube, daß ich izt auf dieselben so viel ansprache habe als Virgil auf seine entlehnten stücke. Wenn ich Noahs Alter erleben sollte, und mein Gedicht würde alle 12. jahre den progress in der Verbeßerung machen, so könnte ich hoffen, daß es in 600. jahren den gipfel der irdischen Vollkommenheit erhalten möchte. Aber dise vollkommenheit mag man von den Einwohnern der Cometen fodern, die so lange Jahre haben, und so viel ihrer jahre leben.
Ich hatte diesen Einfall, weil ich kürzlich Lamberts cosmologischen briefe gelesen habe. Lambert ist diesen Winter bey uns, er arbeitet an dem andern theile dieser briefe. Er ist bey einem ludimoderator en pension; ich verspreche Ihnen an ihm einen Leibniz und Euler zusammen. Er ist selbst in den schönen Wissensch. groß und der liebenswürdigste mann in seinem umgang. Aber ich bin zu alt und meine liebste noch älter, als daß ich den größern und beßern K. und W. zu mir in mein haus nehmen dürfte. Er sollte vor 12 jahren gekommen seyn. Verweisen sie mir einmal, wenn ich zu groß gesprochen habe.
Ihr Neveu weis daß ich Erlaubniß habe ihm einige Bücher zu kaufen. Wir haben ihn noch versehen. Das wird schon kommen.
Einer von meinen poetischen Freunden, den sie errathen können, hat mir das stük an die Durbachin gegeben. Sie wissen am besten, ob sie es ihr zeigen, oder ob sie es in einen Journal geben sollen. In Statuas.
Ein Freiherr in Ungarn Nahmens Petrasch hat auf einmal 20. Trauer- und lustspiele unserm Heidegger zum Verlage geschikt. Da ist aber wenig von der Vi comica, dem pathos, feinen Charakter, starker Morale, schöner sprache. [→]Wegelin kann vor disen sächelgen nicht unter die preße kommen. Die Nachrichten von Biberach sind izt beßer, aber W. ist mit bösen Feinden umgeben. Der Herr hat bösewichte über diese stadt zu Regenten gesezt.
Das Heimweh zu mir will ich Ihnen erst erweken, wenn Berlin in Ruhe ist. Damit es ihnen nicht vor der zeit ankomme, muß ich ihnen sagen daß wir hier Geischeler haben, Herren des Rathes und der Kirchenkanzel, die sich groß damit machen, daß sie wider das moralische predigen loosziehen. Sie meinen daß man nur Mysteria predigen sollte [→]Sæpe nobis risum aliquando bilem movent. – Weil sie doch izt die griechischen dramata lesen, muß ich sie fragen, ob sie nichts von meiner Zilla in des Aeschylus Prometheus gelesen haben. Ich bin eine biene wie Virgil, und vielleicht würden wir auch Homer für solche kennen, wenn wir seine vorgänger noch besäßen. Aber heutzutage will man Spinnen haben. Und ich verachte die spinnen nicht, wiewol sie aus dem hintern arbeiten.
Ramler denkt vermuthlich, daß der wahre Gott sich nicht in die poesie schike; daß man indeßen Götter haben müsse: und er braucht mit Vorsaz falsche Götter, die niemand versucht wird im Ernst zu verehren. Aber der Jude Mose der mit seinen Empfindungen so groß thut, hat seiner Nation die schande abnehmen sollen, daß sie nach fremden Göttern gehurt habe.
Wenn sie die Epigoniade haben so sagen sie mir ihre Gedanken, ob denn die Einführung des wahren Gottes in der Epopöe, imgleichen die Personen von erhabenem philosophischen Charakter so gottlos, so ärgerlich und so affektlos seyn.
Man hat eine gute französische Ode über den Krieg, die hochgelobet wird, wiewol sie unsere helden sehr herabsezt. Der verfaßer seye der franz. prediger Bertrand, der eben kein Philocles ist. Dieser bleibt immer der ⟨Enonicast⟩; und sein Lob ist größer und hat mehr Wahrheit in sich als Mosers.
Ich will Ihnen noch Rechenschaft geben, wie sie mich gleich izo finden würden, wenn sie in mein Zimmer träten. Auf meinem Tische liegen the life and opinions of Tristram Shandy ein werk so voller freien Wahrheiten mit dem freisten Wize eingekleidet, daß ich fürchte man lese es weniger, weil es zu viel zu denken giebt.
Histoire de Jean Sobiesky par Coyer. Die monarchen bekommen da republikanische hiebe.
Les oeuvres diverses de Balzac. Der Barbon scheint mir da das beste stück zu seyn.
Ein brief, den ich erst von Wegelin empfangen habe. Ich hatte ihm etliche gespräche im Elysium geschikt, mit denen er wolzufrieden ist. Vornemlich gefällt ihm ein plan den ich Marcus Brutus gebe, wie er Rom hat beruhigen und verfassen wollen, wenn er vor Actium gesieget hätte. Er selbst hat einen dialogum zwischen Prinz Moriz und Arminius gemacht, von welchem unser Philocles urtheilt, daß er den grossen herren sehr anstößig seyn würde. Das wird allemal seyn, wenn man starke Wahrheiten sagt.
Wegelin hat erst neulich Ihre Abhandlung von dem genie gelesen. [→]Sie haben ihm sagt er entwikelt, was er nur dunkel sah. Er meint wir haben nichts so deutliches und richtiges von der anschauenden Erkenntniß. Er hat meinen plan von Bruti Reformation der Römer mit etlichen guten Traits erweitert. Ich glaube, daß es angenehmer für meine leser ist, wenn ich sie ihn erweitern lasse. Aber dise dinge sind nur für meine Eleves gemacht.
Nachdem ich izt eine Weile mit Ihnen geschwazt habe, ziehen mich Tristram, Balzac, Sobiesky mit gleicher gewalt zu sich. Ich weis nicht, wer mich bekömmt. Morgen haben wir unsere Regimentsbesazung unter einem Consul von 84 jahren, der noch den Vigor des verstandes von einem 40.jährigen hat. Ich bin sehr in seiner gunst, und doch würde mein plan von des Brutus verbesserungen ein suaviludium quixoticum in s. Augen seyn, und mein Brutus selbst ein gefährlicher politicus. Unsere grossen Consules sind zufrieden, wenn niemand den Schlendrian perturbirt.
Ich umarme sie.
den 8. Xb. à 6 uhr abends 1761.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b.
Gedicht an Anna Louisa Karsch.
Vermerk Sulzers am oberen rechten Rand der ersten Seite: »8 Decemb. 61.«