Wenn der Mensch von Wymingen ihnen so wol gefallen hat, wie mir so haben sie ihm gewiß ihr Wort gegeben. Von der sache unserer jungen patrioten läßt sich nichts weißagen, denn wer kann sagen was zweyhundert menschen morgen denken werden, die es heut noch selbst nicht wissen? Am sonnabend wird Rath und Bürger versammelt, und man wird einen starken Versuch ⟨tun⟩ sie von aller Anklage ledig zu machen.
Ihre unpäßlichkeit ist sehr zur ungelegenen Zeit gekommen ich hoffe der Zug auf das land werde ihnen eben so viel Gutes thun als die Arzneyen. Einige tage schmeichle ich mir mit der hoffnung, sie vor ihrer Abreise noch einmal zu sehen, und dann stärke ich mich die schmerzen des Abschieds zum zweitenmal zu empfinden: Andere Tage fürchte ich, daß sie an einem schönen morgen plözlich und vielleicht insalutatis nobis verreisen werden. sed hæc in Jovis genibus posita sunto.
Ich schike ihnen einen Brief von philocles, damit sie wenigstens auch dieses von ihm haben, wenn sie nicht nach Trogen gehen könnten.
Den Brief für die Karschin lege ich auch bey, damit sie nicht zu ihr mit leerer Hand von mir kommen.
Dann kömmt hiermit auch die Oratio sive dissertatio anceps von dem großen Hagebuch. Da einer von den studenten, Hr. Meister, die Romans vertheidigete, hat der große theologus sich unnüze darüber gemacht, daß ich in der Rahel einen Engel generis fæminini eingeführt hätte. Die wahrheit ist, daß ich nur einen Engel mit der Rahel Gesichtszügen auf der Jacobsleiter gedichtet habe. Ich wollte ihn gerne gefraget haben, was der Sexus masculinus nüzete, wenn kein anderer ist. Er weiß nicht daß die menschliche gestalt, in der die Engel erscheinen, nur eine angenommene ist. Ein anderer Candidat hat des Pfr. Ulrichs meinung von der apocalypsi behauptet, bey dieser gelegenheit hat der Hr. Theologus dem von Harenberg zu handen herrn Ulrichs alle schimpfworte von dummkopf und Esel in schönem latein zugeschmißen. Der Artilleriehauptmann Nüscheler war zugegen, und excipirte in seine codicillos sehr fleißig.
Hr. Lavater ist bey demselben Hr. Pfr. Ulrich gewesen und hat ihm eine starke populare Antwort auf die injurieuse schrift presentirt bittend daß er sich der guten sache annehmen wolle, insbesondere daß er seinen freund Hrn. Artilleriehauptmann ihr zum Behuf einnehmen mögte. Hr. Ulrich hat darauf eine betheurende protestation gemacht, daß weder der Hr. Artillerist noch er selbst das wenigste von dieser schändlichen schrift wüsten, vielweniger einigen theil daran hätten. Indeßen war er ganz betreten. Einige glauben der pfr. Ziegler bey St. Jacob möchte sie wol geschrieben haben. Ein Herr vom großen Rath scheinet bestellt die CC. anzureden, daß sie nicht scharf gegen den ungerechten Landvogt seyn mögten. Man wollte gern, daß ihm erlaubt werde im land zu bleiben.
Wenn sie nicht Zeit haben den Gravina zu absolviren so nehmen sie ihn immer nach Berlin, ich kann wol einen andern bekommen.
Ich habe den Kopf so voll von Noachide, daß ich kaum was anders denken kann. Sie haben ganz in Activität gesezet. Sie sollen mehr Verdienste um die Noachide bekommen als Aristoteles um die Ilias hat. Sie haben schöpferische Verdienste um sie. Aber Sie haben mich auch so scharfsichtig, so loker gemacht, daß ich oft ganz verlegen und mit mir selbst unzufrieden werde. Hernach gehet es wieder gut, und ich beruhige mich. Ich mache mir nach ihrem geist eigene schwierigkeiten die sie mir selbst nicht gemachet haben. In trübsinnigen stunden stelle ich es mir als ein großes unglück vor, wenn mich der Engel des todes dahin riß, bevor ich die arbeit gethan hätte. Sie mögen mich aus lachen, ich denke doch daß dieses beydes den guten und den schlechten poeten in den sinn komme.
Unser Geßner hat eine prosaische Ode auf den kleinen Prinzen von Wallis an die königliche Mutter geschikt, die er mir erst gezeigt hat nachdem der Prinz von Mekleburg ihm ein sehr höfliches dankschreiben dafür eingesandt hat. Ich wollte schwören daß Sie, mein freund, vollkommen errathen könnten, was für schmeichelhafte dinge in der ode stehn. Orell und Comp. wollen ihren buchhalter nach Leipzig auf die messe schiken. Es ist ein kleiner Trieb in sie gekommen.
Ich laße mir von den Ermahnungen daß sie ja vor April in Berlin seyn mögen, nichts als gloriöse dinge für sie und zuerst für den könig ahnen.
Ich habe der Karschin brief gefaltet, wie des Mekelburgers gefaltet war. Ich muß schlißen, damit ich Ihnen nicht noch kleinere dinge vorplaudere. Von mund ginge es noch an. Aber indem ich so mit ihnen plaudere bin ich vor ihrer, gewiß sie vor meiner stirne.
Ihr Ergebenst. dr.
Br.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13a.
Brief Bodmers an A. L. Karsch. – J. C. Hagenbuch, Oratio Carolina, 1763. – Brief von L. Zellweger.
Vermerk Sulzers am oberen rechten Rand der ersten Seite: »Frühl. 63.«