Da ist mein Marcus Brutus; ich mache Sie, werthester Freund, zum Arbitre über sein Leben und seinen Tod. Im Fall sie ihn verurtheilen, so habe ich nichts weiter zu sagen. Aber lassen sie ihn leben, so wollte ich gern, daß sie ihn Herrn Reich in Leipzig gäben, wofern sie mit ihm noch immer gut stehen. Sie müsten aber auch seiner Verschwiegenheit versichert seyn, denn ich halte für nöthig daß das stück ohne bekanntmachung des verfassers gedruckt werde. Die berliner und andere sind auf die Züricher so häftig entrüstet, daß ich diesen Stein gern aus dem wege räumen wollte. Ich denke zwar sie werden starke vermuthungen fassen, doch sind es dann noch nicht gewißheiten.
Ich wollte das stück darum gern H. Reich geben, weil ich mir ihn für meinen umgegoßenen Noah gut machen wollte. Denn ich glaube, wenn diser aus seiner presse käme, daß viele vorurtheile fallen würden. Doch davon sollen sie urtheilen, wenn ich Ihnen erst den neuen Noah werde gezeiget haben; welches gegen die ostermesse geschehen kann.
Da ich in dem Brutus mehr auf seine Rechtfertigung als auf meinen Ruhm gesehen habe, so habe ich mir [→]viel gedanken des Cicero, des Seneca, des Shakespear, des Trenchard, des Gordon eigen gemacht. Da fraget sich, wenn sie das stück publicireten, ob sie nicht nöthig fänden in einem Vorberichte mit wenig worten zu sagen, daß Cicero und die andern dem verfasser geholfen haben arbeiten; damit die beschuldigung des plagiats dadurch erleichtert werde.
Wenn sie eine bequeme stelle in disem stücke fänden wo sie Cäsar könnten sagen lassen:
Rom in fesseln zu zwingen war einer Übelthat würdig;
Aber in kleinern sachen seyd immer getreu den gesezen,
so wollte ich Ihnen sehr danken. Ich gebe Ihnen überhaupt carte blanche nach ihren Einsichten, zu verändern, zu verbessern.
Sehen sie auch ob sie nicht den pollio seite 82. sich etwas mehr wollen ausbreiten lassen. Z. Ex.
Cäsar war der König unter den Helden, er hatte verstand
für mehr als eine Welt, er drehte sich wie die sonne in
seiner eigenen Axe und glänzte in seinem eigenen
lichte, er hatte ihre hize, und ihre flecken. Jahrhunderte
nach uns werden seine höhe und grösse noch erforschen.
Sie müssen aber wissen, daß dise Stelle aus Mosers Herrn und Diener genommen ist, wo sie von einem ganz andern Menschen als Cäsar war, gesagt wird.
Ich habe meine andern gedichte mit derselben sorge bearbeitet, wie ich mit dem Noah gethan habe. Ich finde, daß sie zusammen so viel bogen machen würde wie der Noah; und der Noah würde dreissig Octavbogen machen. Ich entschliße aber nichts bevor sie alles in manuscripto gesehen haben.
Sie sollen urtheilen, ob nichts als mahlerisches darinnen sey, und ob sie der gratien gänzlich beraubet seyn oder nur zu dem Wiz und der phantasie reden.
Sie sollen sehen, daß die Natur zu meinem herzen geredet hat, wiewol nicht stürmerisch und brausend. Der Excursus ad umbilicum perductus ist für H. Hofprediger Sack; – die wage der schönheiten St. XXVII der freymüthigen nachrichten ist von – nicht von mir.
Adieu.
In den ersten Wochen des November 1761.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b.
Manuskript von Bodmers Marcus Brutus.
Vermerk Sulzers am oberen rechten Rand der ersten Seite: » Nov. 61«.