den 9. August 60.
Sie sollten durch die meßleute die lessingischen fabeln und andere sachen empfangen haben, wenn nicht Orells bediente es liederlich verabsäumt hätten. Und wie gern hätte ich blumen auf das grab unserer geliebten gestreuet wenn ich anständige in meinem poetischen garten gefunden hätte. Ich weis nicht, ob der frost meiner jahre sie erstickt hat. – Aber mein lieber, sammeln sie sich nicht durch dises denkmal einen schaz von dornen der sie jedesmal, wenn sie ihn berühren, in die sele stechen wird? Es ist leider an dem daß der gegenstand, der uns ängstiget, vertrieben werden muß, wenn wir zu einer gesezten fassung kommen sollen. Wenn es nicht beleidigte, wollte ich sagen, daß die sinnlichen, die fleischlichen, Mittel tüchtiger sind das leid zu zerstreuen als die geistlichen.
Ich hätte gern gehabt daß sie zu Klopstok gegangen wären, sie hätten mit ihm um den vorzug im leiden gestritten, und in diesem streite hätten sie das Übermässige in ihr beyder leidenschaft entdecket. Klopst. hat mir nichts auf meine freundschaftlichen Zeilen geantwortet, womit ich meinen irdischen Abschied von ihm genommen habe. Ein junger mensch hier hat den stolz gehabt in Klopstokens person eine Ode an Meta zu dichten, ich fürchte daß diser sich dadurch beleidiget halten werde, wiewol der verfasser sein anbeter ist.
Gleim hat mit seinem versificirten Philotas alle seine hiesigen freunde geärgert. Welche unedle begriffe von der grösse haben diese herren aus der artigen Welt? Izt wird er so wol als Lessing selbst sich durch den Polytimet beleidiget halten. Das grosse lob das wir ihm für seine ode auf Zorndorf gegeben, hat schon zuvor nichts auf ihn gewürket, weil es mit einigen satyrischen Zügen auf Ramlers Ode durchflochten war. Und was sollen wir von Cramer denken der Lessings abhandlung von der fabel mit solchen air de parasite in lauter interjectionen und Exclamationen gelobet hat? – Ich fürchte das bellen von Lessing und Nicolai nicht so sehr daß ich ihnen nur die glänzende feder aufopferte, die ich aus Raphaels flügeln genommen und der Taube in den rücken gestekt habe. Ich bin so entfernt zu glauben daß mein Noah den artigen leuten gefallen müsse, daß ich das gegentheil beweisen wollte. Aber Wieland ist von der prellung in den briefen über die neueste literatur zum hasen geworden. Zwar hat er izo, da er Rathshr. und stadtschreiber geworden keine musse mehr ans prellen zu denken. Er hat uns noch kein mal geschrieben und wir sind würklich von ihm entwöhnet. In der that bekümmern wir uns nicht sehr um seine biberachischen handlungen.
Meine Electra und Ulysses sind mir nur ludendo entstanden, ich weis nicht ob ich meine drey andern Trauerspiele den Lessingen vor augen bringen darf. Welche elende piece haben sie gekrönet? Wahrhaftig sie sind nur wizige Gottscheden. Unser wakere unterschreiber Hirzel, des Doctors bruder, hat ein trauerspiel geschrieben von dem ältern Brutus auf welches wir stolz seyn dürfen. Hier hat ein knabe von 14 jahren noch eines über dasselbe sujet verfertiget ohne von dem andern etwas zu wissen, und geschikter, als Voltaire. Der statrichter, Ott, mein Nachbar, hat eine dritte Johanna Gray geschrieben, ohne daß er meine zuvor gesehen hätte. Können sie nicht innen werden, ob nicht unter den trauerspielen, die Nicolai für den preis eingeschikt worden, eines gewesen, Friederich von Tokenburg betitelt; ich habe es Feddersen, einem Holsteiner, unter erdichtetem nahmen zugeschikt, daß er diesen gebrauch davon machete. Woher hat Nicolai das beywort süß genommen das er unserm Fabeldichter Meyer giebt? Sie erinnern sich daß wir ihn zu Höng in Hr. Bürklis landhaus mit dem guten pfarrer Goßwyler nichts weniger als süß haben umgehen sehen. Aber wie darf ich sie mit diesen Kleinigkeiten aufhalten da die großen Angelegenheiten von deutschland, und ihre eigene gröste, ihre ganze Seele fodern! Unser Philocles schreibt vom 11ten Julius: j'aprens avec un plaisir tres singulier que nôtre cher Soulzer se remet de son affliction, mais je voudrois qu'il nous donnat aussi quelque nouvelle de notre bon Roi qui naturellement doit aussi etre dans l'affliction pour la perte de Foulquet, si son grand coeur, son esprit inventif en ressources & sa philosophie ne le soutenoient, c'est alors cest à dire en nous donnant lesdites nouvelles que j'augurerois mieux de l'entier retablissement de nôtre cher S.
Ich habe 3. Wochen in Winterthur und Töß zugebracht. Ich war dort als unser wakere provisor rector ward. Er hat ihnen die antwort des doctors wegen des bleichereymeisters geschrieben. Wenn sie nichtsdestoweniger insistieren so will ich die sache dem stadtschreiber Zörnlin von Santgallen auftragen. Haben sie den Nahmen Rathgeb niemals unter den officieren des Königs gefunden? Ich habe ihnen im Januar davon geschrieben. Wieland und Dr. Zimmermann haben gänzlich miteinander gebrochen. Die verfasser der unäsopischen fabeln sind verborgen. Younghs gedanken von originalen haben uns sehr unbestimmt gedünket, und sein stylus ist aus Seneca. Wir haben viel zu thun gehabt unsere frauen in der liebe des verfaß. der poesies de sans soucy zu erhalten. Sie haben großes mitleiden mit Hrn. Sak bezeiget. Unser Geßner ist der liebling der franzosen geworden. Der profess. Vernet preist ihn für den ersten der den rechten gebrauch von der poesie gemacht. Bey uns hat ein Rathshr. opinirt, man sollte die biblischen sujets oberkeitlich untersagen. Erfreuen sie mich bald mit erwünschten Nachrichten von ihrem wolleben.
Bodmer
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.