Mein geliebtester Freund.
Nach dem Vergnügen, das ich von der mündlichen Unterredung mit Hn. W. empfangen, kenne ich kaum ein grösseres, als mich mit Ihnen und der theuersten Wilhelmine (Frau Professorinn stände hier allzu ⟨matt⟩) in einem halben bogen zu unterreden, wo ich die worte darf von dem Herzen gehen lassen. Dennoch werde ich ihnen dismal mehr geschichten als Empfindungen schreiben. Ich lebe mit Hr. W. seidene Tage der ruh und der unschuld; stille tage, welche wir von den schlimmern Jüngern Anacreons nicht unterbrechen lassen. Unsere ⟨freuden⟩ sind vielmehr innerlich, und geistig, als brausend. Das gedicht von der Bestimmung eines schönen geistes hat dise Herren dergestalt in die Nase gebissen, daß sie uns in ihren gelachen zum gewöhnlichen Gegenstand ihrer groben Spöttereyen machen. Hr. Heß vom postamt hat sich auch in ihre brüderschaft aufnehmen lassen, und ich muß fast glauben, daß er dieses uns zum Trutze gethan hat. Er hat W. seitdem er bey mir ist, nicht ein einziges mal besuchet. Vermuthlich hat er prætendirt, daß diser ihn zuerst besuchen, und ihm den besuch, den er bey ihm in Tübingen abgestattet hatte, zurükgeben sollte. Dr. H...l hat Hr. von Kleist einmal zu mir gebracht, und noch einmal ist diser leztere allein zu mir gekommen. Er ist seit dem 12. voriges monaths hier, und logirt bey dem Doctor. Damals sah der Dr. Hrn. Wiel. zum ersten mal, und wiewol er wußte daß er ihn bey mir finden würde, hatte er Hn von Kl. kein wort von ihm gesagt, so daß diser einen ganzen Abend bey uns gewesen, ohne ihn zu kennen. Vermuthlich kennt er Wielands werke noch diese stunde nicht. Ich habe ihm einen Noah und andere von meinen gedichten gegeben. Ich hielt es anfänglich für einen sehr merkwürdigen Coup der vorsehung, daß er eben auf dise Zeit hat nach Zürch kommen müssen, da er einen Augenzeugen von denen seligen tagen abgeben kann, die ich mit Wielanden lebe. Ich glaubte daß er Redlichkeit und Einsichten genug hatte, aus diesem umstande auf meinen Charakter solche schlüsse zu machen, die künftig dienen müßten, seine mir so sehr abgeneigte Freunde in Deutschland, mit mir zufriedner zu machen. Ich habe noch jezo diese hoffnung nicht aufgegeben, wiewol ich fürchten muß, die verleumdung arbeite stark bey ihm, mich und Wiel. für menschenfeinde und nachteulen anzuschwärzen, nur darum weil wir mit ihnen nicht säufen und nicht kindern. Der Hr. von Kl. selbst ist so gefällig und so überspannt gütig daß er La metrie für einen mann von gutem gemüthe loben kann. Seine spöttereyen über gott und mensch waren uns Lebhaftigkeit. –
Ich zähle nicht mehr auf Gleims, Ramlers, Klo– freundschaft. Ich kann mich bald nicht mehr erwehren, sie ein wenig zu verachten. Ich muß oft gedenken, daß der alte erste, einzige Anakreon, ein braverer mann gewesen sey, als der christliche. Was hat R. für verdienste, als mit seinen frivolités harmonieuses? Noch ist er in der Autorenwelt eine Nulla. Wir wollen ihn mit seiner sammlung der ersten rechten poesie erwarten. Ich fürchte seine Ohren werden noch so dünne, daß sie der wind wegwehet; hingegen werden seine gedanken schwerer. Von Hr. Klo. hat der junge Escher uns erzählt, daß die Jungfer Schmiedin sehr übel mit ihm zufrieden wäre, weil sie ihm ihr wort gegeben, ihn zu heurathen, wenn sie einmal über sich selbst meister würde. Überdieß hätten sie einander versprochen, wenn sie selbst einander nicht heurathen könnten, sollte doch keines von ihnen eine andere person ohne des andern Einwilligung heurathen. Disen Verabredungen habe Klo. keine genüge gethan. Wenn das wahr ist, so weiß man nicht, was man aus der Ode an Gott machen soll. Hr. Esch. erzählt ferner; Klo. habe seinen Freunden den concept des briefes gezeiget, welchen er an mich projectirt hatte, mir darinnen meine unedeln Spöttereyen über ihn vorzurüken. Er hatte diesen concept Herrn Canon. Breit. communicirt, und zugleich gefraget, ob er nicht meinte, daß er, wenn er ihn so an mich schikte, eine gute würkung bey mir haben mußte. Hr. Breit... hatte ihm gesagt, es wären gar zu starke lüken in dem briefe, er selbst wüste das gegentheil von den Erzählungen, und der brief müßte also nothwendig eine ganz widrige würkung thun. Worauf Klo. den brief zurükbehalten. Diesen concept nun zeiget er seinen freunden, und hält sich dazu berechtiget, weil ich im Crito seine tibullische Elegie angegriffen, und so die errichtete amnistie gebrochen hätte. Was für schlimme folgen kann so ein poetischer Fanaticismus haben? Er hat vermuthlich vergessen, daß das schändliche Document von seinem elenden großmuth in meinen händen liegt. Warum hat er nicht lieber meiner gänzlich vergessen? Es ist mir dazu gekommen, daß ich dieses bald wünschen muß. –
Hr. von Haller hat eine Recension vom Noah gemacht, wie sie ein Chroniqueur aus den Mittlern Zeiten gemacht hätte; es scheint er halte das gerippe der geschichte für das wesentliche im epischen gedichte. Oder hat ein Dissecteur von todten Cörpern alle Empfindung von unschuld, zärtlichk. und wahrer Menschlichkeit verlohren? Ich bin es zufrieden, daß Gl. Ram. Hall... ihre wahren gedanken vom Noah ohne zu hinterhalten der nachwelt heraussagen; ja ich wollte sie dazu nöthigen, wenn es möglich wäre. Ich will die schande auf mich nehmen, welche daher auf mich fallen kann. Nichtsdestoweniger habe ich keine so blinde liebe zu diesem Gedichte daß ich seine Fehler nicht sehen könnte, wiewol es nicht die sind, welche diese Anacreonten und profectores darinnen zu sehen meinen. In folgender stelle sind etliche fehler, welche von Hn von Hall. ressort waren:
– durch optische parallaxen
Wust er aus luftcrystall telescopische glæser zuschleifen etc.
III Ges. v. 270–274
Ich weiß nicht mehr, wie diese Irrthümer mir eingekommen sind, und noch weniger, wie Sie selbst, mein wehrtester freund, sie übersehen haben? Ich habe sie in Hr. Wielands Abhandlung gebessert. Diese Abhandl. ist mehr als bloß historisch. Wenn dieses werk die Mißgünstigen nicht erleuchten kann, so wird es sie doch verwirren. Joseph und Zulika; die Syndflut; die Columbona, welche ich wider überarbeitet habe, gefallen Hr. Wieland so wol, daß ich sie vor mehr als mittelmässige stüke zu halten beginne. Ich habe sie deßwegen einem Verleger in Sachsen angetragen, unter keiner andern Bedingung, als daß er mir hundert Exemplare von den gedrukten werken gegen meine und Hr. Breitingers Critischen Schriften geben sollte, allemal 2 bogen von seinen gegen 3. bogen von meinen sachen. Und auf diesem fuß wollte ich ihm auch den Zweyten Druk des Noah, des Jacob, der Rachel, ferner die neue Hermannias geben. Ich habe nur noch 150 bis 180 stüke von unsern Critischen Schriften. Und so könnte einer das verlagesrecht dazu bekommen. Ich erwarte alle posttage antwort.
Meine eigennüzigsten Absichten dabey sind, daß diese Critiken in die Welt kommen, und daß die neuen Werke nicht nur gedrukt sondern auch publicirt werden. Der grosse vortheil, den Gottsched vor uns gehabt hat, war daß Breitkopf sein verleger war, und in dem Mittelpunkt der deutschen literatur oder barbarey wohnete. Von den jungen leuten von 20. jahren sind kaum 30. in Deutschland, welche die critische sammlung der Zürcher gelesen haben. Daher gelingt es Gottscheden daß er ungestraft die geschichte der deutschen verbesserung verfälschet. – Doch was ist diese verbesserung sie sey den Zürchern oder den eigenen Kräften der deutschen zu danken? Ich bin versichert daß Homer so wenig als Milton, und eben so wenig Virgil, in Deutschl. allgemein ist; warum würden sonst die dummen Übersezungen von Altona so wol aufgenommen; warum moquirte sich niemand darüber? Ich bin auch bey mir selbst gewiß, daß die Messiade ohne die Empfehlung von den Zürchern nicht so weit durchgebrochen hätte. Und die mehresten von denen, die sie izt verehren, loben sie nur mit den lippen, aber ihr geist hat wenig Erkenntniß davon.
Und wie ist es möglich daß ein allgemeiner geschmak am guten und schönen sey, da die Auferziehung und die Wissenschaften nur so empfangen werden, wie man sie auf den universitäten giebt und nimmt? Da nur die leute ohne mittel und stand um einer lebensart willen studieren, wie die handwerker; da die von stand entweder der fuchsjägerey oder der processierkunst nachhängen; da man von den alten kaum die sprache kennt? – Denn wir wissen doch, wie es im ansehen diser sachen mit den Ramlern und H... und G... selbst bewandt ist. Wäre es nicht vielmehr ein wunder, wenn diese Leute geschmak am Noah fänden? Man muß anders empfinden als Ha..n, und G.. und R.. wenn man die Debora oder den Sipha oder die Rachel empfinden soll. Hr. von H–r selbst empfindet nicht so. Die zärtlichen Empfindungen, die von der aufschneidung und ängstlich-sorgfältigen Durchwühlung eines menschlichen Cadavers entstehen, sind gewiß nicht von dieser Art. Wenn ich mich dießfalls betriege, so bitte mir diesen angenehmen Betrug zu lassen. Ich rede von einem betruge, nur damit ich sie erinnere, daß ich meine Werke zu untersuchen pflege. Wir wären gewiß weiter wenn die Gottscheden und die Gleime dieses ebenfalls thäten. Ich erschreke nicht wann man mich mit vernunft beurtheilt. Hr. Wiel. thut dieses mit einer philosophischpsychologischen geschiklichkeit, die ich sonst bey keinem iztlebenden deutschen gefunden habe; Ich halte ihn für gebohren Deutschland etwas dergleichen zu werden, was Leibniz gewesen war. Er ist Hn. Can. Breit. und Hr. pastor Hessens Liebling. Aber er hat zu viel wahre Ehre, zu viel tugend, zu viel redlichkeit, als daß er an einem Hofe oder auf einer Universität groß werden könnte. Ich wollte ihm einen grafen wünschen, der tugendhaft und großmüthig genug wäre, seinem gutgearteten sohn eine ungewöhnliche Auferziehung zu geben. – Er könnte einen neuen Plan von einer Ritteracademie angeben, der ganz andere Vollkommenheiten hätte, als die zu Braunschweig. – Gott bewahre ihn, daß es ihm nicht dazu komme, eine Beföderung auf dieser oder einer andern ihresgleichen zu suchen! Er ehret und liebet Sie m. freund ganz vorzüglich, und wie könnte er anders? Sein gemüthe Harmoniert mit ihrem. Er kennet ein weises tugendhaftes Mädchen, eine glüklichere Clarissa, schöner und edler als die Fanny, eine würdige Freundinn für ihre Wilhelmine. Ich lasse ihn ihnen selbst schreiben, wie er zu der grossen belesenheit, und der edeln denkart gekommen ist. Er weiß freilich die Geschichte mit Klopst. Er hat selbst den ungeheuer großmüthigen Brief dieses fanatischen Jünglings an mich gelesen. Er hatte den poeten für etwas wenigeres als einen Seraph gehalten. Izt hält er ihn nur für einen ungewöhnlichen poeten. Er weinete über ihn, und verachtete ihn zulezt. Erstlich hielt er sich für schuldig und fähig, ihn auf die wege der tugend und wahren großmuth zu leiten, hernach aber fand er, daß ein gemüth, welches die Messiade gedacht hat, stark genug seyn müste, sich selbst zu begreifen. –
Wenn es wahr ist, daß Hr. Sak den Noah für etwas hält, so befremdet es mich desto weniger, daß Gl. R.. H–r wenig davon halten. Die gemüths und denkart diser männer und Hrn. Sakes sind doch gar zu sehr von einand. unterschieden, daß sie sich an einem und demselben Werke belustigen könnten. Aber Hr. Sak, Hr. Jacobi – mögen wol so ein wenig das gute in disem gedichte empfinden, aber nicht so stark, daß sie öffentlich oder in schrift mit einigem Affekte davon sprächen. Dennoch sind sie von viel kleinern sachen in Affekte gebracht worden. Vom Abt Jerusalem sage ich nichts, man hat mir geschichten von ihm erzählt, die mir einen Abscheu vor ihm machen. Hr. von Hag. lobet den Noah mit einer art, die mehr den gefälligen freund als den affekts- oder Einsichtsvollen leser verräth. Das wort Halsberg lieget ihm stark am Herzen. Noch mehr die nachahmung.
Sagst du dem Satan ab so gieb mit der hand noch ein zeichen
und dergleichen. Ich zweifle nicht, er hält dergleichen stellen für plagiat, wiewol er es aus höflichkeit nicht heraussagt. Hr. von Haller mag auch dergl. gedanken haben. Wieland erklärt sich darüber artig. Wie sehr würde ich dise Herren verehren, wenn sie auch einen Noah irgendwo stählen! Von Gottsched sage ich nichts, der macht sich ein gewissen, selbst die Natur zu bestehlen. Hag. wollte mich gerne bereden, daß ich die nachgeahmten stellen, die allusionen, die fremden wörter in anmerkungen unter dem Texte erklärte. Diese pedantische Bigarrure ist nicht nach meinem Geschmak. Meine leser sind schuldig in den poeten und der poetischen geschichte so wol bekannt zu seyn, daß sie dergl. noten entbähren können. Andre leser verachte ich gänzlich. Er meint ich müsse mir sonst gefallen lassen von einem deutschen Lauder zur verantwortung gezogen zu werden. Aber ich weiß zu gut, daß ich nicht unter der gerichtbarkeit eines papefiquier stehe.
Der blasse Bavius wird oft aus Eifer roth
Wann ich das erste paar in Milton reizend finde.
Er bleibe was er ist; so dürr als Miltons tod,
So bosheit voll als Miltons Sünde.
Ein unbekannter.
Sed hoc in aures tuas depono. Hr. von Hag. hat mir geschrieben, daß Hr. von Kleist gestorben wäre, als dieser eben bey uns in Zürich war, und aß, und trank und sich aus und ankleidete. Er meldet mir kein wort von Hr. Klo. als daß ihn angenehme ursachen in Hamburg aufhielten; als wenn seine verlöbniß ein verbrechen oder ein geheimniß wäre. Er hat mir den Eremiten geschikt. Das ist eine übersezung aus Parnells Englischem. Sie ist von mir selbst. Ich habe sie ihm zur publication gesandt, damit ich ihn einigermassen verbände vom Hexameter wol zu sprechen. Berühmte Männer sehen im Noah noch nichts als den Hexameter; selbst der grosse Haller, und dises muß man doch der nachwelt sagen; Haller der in dem armen Dusch Wissenschaften siehet. Behalten sie aber bey sich, daß der Eremite von mir ist. Wir haben hier Kaisers übersezung der nachtgedanken in Hexametern, aber dise und die Übersezung sind so hart, daß er dem Verse mehr schaden thun wird.
Es ist mir recht lieb daß das verlohrne paket wider gefunden worden, vornehmlich wegen der Fabeln von Muralt. Dises manuscript ist vermuthlich allein übrig. Ich kann nicht sehen, daß Meyer die Idee seiner Fabeln daher genommen habe; Meyers personen und handlungen sind ungleich getreuer der natur. Mich freut sehr daß ich den jungen Hr. Schneeberger seinen wakern Hr. vater und oncle loben kann.
– Erinnern sie sich daß sie mir versprochen eines von den Exemplaren vom Noah mit Randglossen zu überschreiben. Nehmen sie sich zu dem Ende alle nöthige Musse; nur vergessen sie das werk nicht. Ich schike ihnen hiermit ein sauberes Exemplar für das welches sie so ich sage nicht befleken. Aber es ligt mir immer auf dem Herzen, daß sie das manuscript von der ersten so unverbesserten Noachide in ihrer gewalt haben. Ich wollte herzlich gern, daß sie mir schrieben sie hätten es durch einen oder den andern weg vertilget, weil ich fast in gefahr stehe, daß einmal ein Rammler, und es wird niemals an Ramlern von allen arten fehlen, mißbraucht. Seyn sie der nachwelt vor disem unglük.
Hr. prof. Sam. König, mein alter getreuer freund hat mir seinen Apel au public geschikt. Wir halten dafür sein gegner sey darinn gänzlich zu boden geschlagen und der hochmuth des kleinen franzosen in alle Ewigkeit stinkend gemacht. So viel wir vermuthen können, wird die ganze gelehrte und halbgelehrte welt einhellig übereinstimmen, den armen sünder auszupfeifen, der die freiheit zu denken und schreiben, eine sache vor der Natur wie die prætendirte Entdekung ist, der despotischen gewalt hat unterwürfig machen wollen. Das jahr 1752 wird wegen dises wunderlichen phænoméne berühmt werden und die guten leut, die dazu geredt und geschwiegen haben zugleich. Das procedere machet gewissen leuten eine solche Abneigung gegen alle academischen Associationen, als wenn es HandwerksInnungen wären. Man würde die erste patente von der Aufnahme in die beste von disen Conjurationen mit verachtung, wiewol mit den höflichsten Worten zurüksenden. Ich will gerne sehen, wie die fremden mitglieder, die nicht residieren, sich betragen werden. Wer von ihnen nicht wider die absurde urtheil ist, der ist für sie und fällt in dieselbe Verdammniß. Es ist ein sonderbare providenz daß der ein schweizer hat seyn müssen, der die gelehrte Republik von den angedroheten fesseln befreyet hat. Es ist mir auch sehr lieb, daß der wakere Henzi bey diser gelegenheit auf eine so honorable art in das gedächtniß der menschen gebracht wird. Altman schreibt zwar, er habe durch die post etliche gedrukte Briefe empfangen, in welchen der apel auf den Kopf geschlagen werde: Aber man weiß zu wol, was man von Altman und seinen worten denken muß. –
Hingegen machen einige leute hier mehr aus Bertrands Structure de la Terre. Es ist grausam, daß Hr. Canon. Geßner, der nichts daraus macht, die armen unwissenden Laien nicht darüber erbauet. Die Herren in der Limmatburg sind gar zu karg mit communication ihrer Einsichten, und gewinnen dadurch nicht selten daß man daran zweifelt. –
Es sind in dem gedicht von der Bestimmung eines schönen geistes stellen, welche vermuthlich die Gleime und Eberte wild machen werden; das wird den verfasser nicht erschreken, er ist herzhaft genug die gute verlassene sache der tugend und der göttlichen Liebe zu verfechten, und es fehlet ihm eben so wenig an waffen. Man hat aus gewissen Artigkeiten mehr gemacht als mit der unschuld bestehen kann. Wenn künftig Unschuld zur Artigkeit kömmt, so wird sie doch eine partey machen. Weh denen ⟨feigen⟩ herzen, die sich nicht für sie erklären dürfen! –
Ich gratuliere ihnen zu dem Hause, welches sie gedeket haben, und bezeuge ihnen mein Mitleiden wegen des panegyrici, den sie aufbauen müssen.
Ich halte ihr lezteres vom 11. Novemb. für die antwort auf meines vom 30sten October; Noch bin ich ungewiß ob sie mein vorhergehendes vom 6ten Septemb. empfangen haben, mit welchem ich ihnen des Freihr. von Gemmingen Blike in das Landleben gesandt hatte. Sie sollten es durch Gottfried und Hartmann Winkler Junior in Leipzig empfangen haben, denen ich es für sie auf der Michelismesse hatte zufertigen lassen. Wenn sie etwas schweres, ein paket für mich zu bestellen haben, so werden sie eben diese Kaufleute damit gerne beladen. Ich hatte Sie gebeten, eines von den 3. pourtraits en ombre, die ich ihnen durch Hn Elsner zugefertiget, Hrn. von Hagedorn zuzufertigen; dieses ist ohne Zweifel geschehen; wol hat Hr. von Hag. es nicht mit einem worte erwähnet.
Wissen sie nicht in was für Gunst der Noah od. die Rahel bey Hrn. Gellert steht? Ich glaube nicht, daß ich ursache habe, seines beifalls mich sonderlich zu rühmen.
Indem ich mein gegenwärtiges schreiben überlese, so fürchte ich, daß sie einen stolz darinnen wahrnehmen werden, den meine brife sonst nicht gewohnt sind zu haben. Allein ich schreibe meinem Sulzer, der fast schuldig ist meinen stolz zu verzeihen, den er selbst gebähren hilft. Doch ist denn die præsumption so groß, da man sich über leute hinaufsezt, die durch ein [→]paar lieder von mythologischen Einfällen auf den granatapfel oder melodiereichen versen auf den winter in ihrem carrefour berühmt werden? Und hat der nicht ein Recht sich zu erheben, der von Sulzer und Sulzers Wilhelmine und Sak und noch drey ihres gleichen geliebet wird
Ihr Ergebenst. und aufrichtig
Dr. B–
den 4 Christm. 1752
Wenn es wol geschehen kann, so senden Sie in ihrem eigenen oder in meinem Nahmen ein stük von dem gedichte von der Best. eines schönen geistes nach Hamburg an den Herrn von Hagedorn. Wir sind doch nicht schuldig einige grosse wahrheiten, die darinnen stehen zu verholen, wiewol sie vielleicht in Hamburg und Kopenhagen und Braunschweig mißfallen mögen.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
Vermerk Sulzers am oberen rechten Rand der ersten Seite: »4 Decemb. 52.«