Brief vom 22. September 1772, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 22. September 1772

Nein, mein verehrungswürdiger Freünd; die Heiterkeit ihres 75 Sommers, das Vergnügen gute thaten verrichtet zu haben soll durch keine Trauer gestöhrt werden. [→] Ihr Freünd, der Sie mehr, als jeder andre Mensch und mehr, als jeden andern Menschen liebt, lebet noch. Seine starke Natur hat über eine der schlimmesten Krankheiten, die Zimmerman selbst ohne Hoffnung für tödtlich hielt, wie es scheinet, gesieget. Doch bin ich noch nicht gesund; aber Täglich rüke ich der Gesundheit einen Schritt näher. Dieses mein theürester ist was ich Ihnen mit meiner eigenen sehr schwachen Hand zu schreiben mich für verbunden gehalten. Izt überlaße ich das übrige dem Hrn Prof. Müller. Mit neüem Leben umarme ich Sie mein Theürester.

JGSulzer.

den 22 Sept.

Melden Sie meinen Freünden in Zürich und in Winterthur meinen Herzlichen Gruß.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13b. – E: Körte 1804, S. 407–413.

Anschrift

An Herrn Profeßor Bodmer in Zürich

Vermerke und Zusätze

Vermerk Bodmers auf der Umschlagseite: »marcand memoire sur les voyage«. – Siegelreste.

Stellenkommentar

Ihr Freünd [...] lebet noch
Sulzer war im Sommer 1772 schwer an einem Lungenleiden erkrankt und wurde u. a. von Christoph Heinrich Müller und Philipp Erasmus Reich in Berlin gepflegt. Müller übernahm die Korrespondenz für Sulzer. Aus »dem Krankenzimmer unsers besten Sulzers« ist auch ein Brief Müllers an Zimmermann vom 8. August 1772 (LBH, Ms-XLII-1933-A-I-93) überliefert.
Zimmerman selbst ohne Hoffnung für tödtlich hielt
Vgl. Johann Georg Zimmermanns Brief an Sulzer vom 30. August 1772 aus Hannover: »Mit keinem Worte kann ich ausdrücken, mein geliebter [...] Herzensfreund was ich bei der Nachricht von ihrer Krankheit ausgestanden«. Zimmermann sprach darin von »Blutauswurf« und gab zugleich eine positive Diagnose, da sich Sulzer auf dem Weg der Besserung befände und »Verlangen nach Weintrauben« habe, was er als gutes Zeichen deutete. (LBH, Ms-XLII-1933-A-I-93). In einem vorherigen Schreiben vom 2. August 1772 hatte Zimmermann, der über einen Brief Christian von Mechels vom 27. Juli 1772 von Sulzers Krankheit erfahren hatte, diagnostiziert, dass Sulzer an »einer Entzündung in der Brust, die man in Berlin Flußfieber nennt« erkrankt sei.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann