den 26 März 56.
Für das schöne Denkmal, welches unserm würdigen Philo. ist aufgerichtet worden, und die andern Beylagen bin ich Ihnen mein theürester Höchstens verbunden. Das, was Sie über den Ursprung und den Wachsthum der Statt Zürich gesagt haben, scheinet mir aus einem politisch moralischen Gesichts Punkt betrachtet noch weit merkwürdiger, als aus dem Historischen. Wenn ihre Mitbürger diese Schrift vertragen könnten, so würde ich von ihrer Art zu denken sehr viel halten, aber ich fürchte sehr, daß sie in den Indicem expurgator. kommen würde. Indeßen halte ich die Politik, welche darin zum Grund liegt für die einzige, wonach ihr Staatskörper könnte verbeßert und auf einen wahrhaftig dauerhaften Fuß gesezt werden. Es kommt uns izt beynahe unglaublich vor, daß Lycurgus und Solon haben ausführen können, was in ziemlich ähnlichen Umständen izt jedem den Hals brechen würde. Ich befürchte, daß die kleinen Maximen, welche durch ihre Handlungs Häuser in die Rathsstube sind gepflanzet worden, noch lange allein herrschen werden, und sehe kein Mittel die ihrigen einzuführen, es sey denn, daß etliche der angesehensten Häuser anfangen wollten die Erziehung und die Ganze Einrichtung ihres Hauswesens der Einfalt der Natur gemäß einzurichten. Denn dieses haben doch kleine Staaten über die Größern noch zum Voraus, daß die Exempel weniger Familien noch von einiger Kraft seyn können.
Die Gespräche des Hrn. v. Salis haben mir gar sehr gefallen, und ich wünschte, daß Sie sich die Mühe gäben ihre Politik in dergleichen Gesprächen vorzutragen. Solche, wie das ist, das Sie mir im Mst. geschikt haben, sind zwahr auch von gutem Nuzen, aber ihr Würkungskreis ist von zu großem Umfang, und dadurch werden die würkenden Kräfte zu schwach. Man kan über die allgemeine Sittenlehre und Politik kaum mehr etwas neües sagen; aber besondern Staaten und besondern Personen, kann man fast alles neü, und darum desto kräftiger sagen. So hat Rousseau die algemeinen Lehren des Contract Social, in den lettres écrites de la Montagne, auf den besondern Staat seines Vaterlandes angewendet, und dadurch die Gemüther so viel stärker angegriffen. Aber es scheinet, daß er auch noch zur Unzeit gekommen. Das schlimste bey den Republiken scheinet mir dieses zu seyn, daß den Regenten die Autorität gelaßen worden, in einer der allerwichtigsten Angelegenheiten willkührlich zu verfahren, und Erinnerungen, Vorschläge, Tadel eines einzeln Bürgers durch einen Schluß, für aufrührerische Insinuationes zu erklären. Dieses ist der eigentliche point d'appui der Aristocratischen Tyranney. So lange dieser fest stehet, kann die wahre Freyheit nicht statt haben. England ist doch das einzige Land, wo man dieses eingesehen hat.
Ungeachtet Füßli gleich im Anfange des Jahres mir hat sagen laßen, er würde mit ehestem mir schreiben und die fehlende Zeichnungen schiken, so habe ich doch nichts von ihm erhalten und mache nun anstallten dieselben durch einen andern verfertigen zu laßen. Ich höre schlechterdings gar nichts von ihm.
Unsre neüe Ritter Academie hat ihren Anfang genommen und es fehlt uns niemand mehr dazu, als unser Wegelin. Die Stiftung ist des Stifters würdig. Man baut izt ein sehr großes hotel für uns. Wenn dieses wird fertig seyn, so werden außer den 15 Jungen Edelleüthen, die der König gänzlich auf seine Kosten unterhält, wol noch hundert und mehr bey uns wohnen und studiren können. Die Einrichtungen dieser Stiftung, verschiedene Außerordentliche Commissionen zu neüen Einrichtungen bey der Academie der wißenschaften, wozu der König 6 Commissarios ernannt hat, und dann die Anlegung eines kleinen Landsizes, womit ich seit 4 Wochen den Anfang gemacht habe, nehmen mir izt so sehr alle Zeit weg, daß ich auf nichts anderes denken kann, doch wird das fürnehmste dabey bald gethan seyn.
Sie würden es ohne meine Erinnerungen merken, daß die Weißagung des Glaucus von Rammlern ist. Ich zweifle, daß er mit diesem Stük glüklicher seyn werde, als mit einigen vorhergehenden, die Aufmerksamkeit gewißer Hoher Personen zu gewinnen. Sagen Sie doch dem Hrn. Dr. Hirzel daß ich zwahr überhaupt ihm für die Stelle, die er mir in dem Ehrengedächtnis eingeräumt hat, verbunden sey, dabey aber wünschte, daß er seine Ausdrüke meiner Person etwas richtiger angemeßen hätte. Wer zu viel sagt, der sagt bisweilen gar nichts, und ein übertriebenes Lob ist oft schädlicher als eine übertriebene Satyre. Ich vergebe es ihm, weil ers gut gemeint hat. Aber an statt mich angenehm zu küzeln, hat er mir die Haut mit Dornen zerrißen.
Klopstok der jüngere übersezt die Ilias in Hexameter: Gleim sagt, daß die Arbeit fürtrefflich sey. Aber es ist auch gewiß, daß Gleim den Homer in seiner Sprache nicht ließt noch lesen kan. Es scheinet doch, daß unsre Jfr. Meisterin, sich nach und nach in das hiesige Leben werde finden lernen.
Wenn sie von seltsamen Geschichten eines Jungen Bürkli etwas hören sollten, so können sie die Gerüchte nach folgendem berichtigen. Er fiel hier aus Mangel der Kenntnis der Welt unter Leüthe in Gesellschaften, zwahr vornehmer aber betrügerischer Leüthe. Man verleitete ihn zum Spiel und er verlohr in einem Abend eine große Summe. Ich hinterte ihn sie zu bezahlen, und es wurd den Spielern angesagt, daß sie nicht würde bezahlt werden. Ich machte daß er wegreißte. Unterwegens laßen ihn die Spiehler ohne Autorität arretiren. Ich machte ihn los u. er kam wieder her. So gleich machte ich die Sache anhängig. Izt sind diese Spieler alle im Gefängnis und es wird ihr Process gemacht. Bürkli aber kann mit aufgerichtetem Haupt einhergehen. Aber er muß doch hier bleiben, bis seine Gegner ihre Sentenz haben. Nach diesem wahren Bericht, werden Sie die falschen Gerüchte Leicht berichtigen können.
JGSulzer.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.
Von Sulzer fälschlicherweise auf 1756 datiert bzw. Verschreibung. Der Brief ist 1765 entstanden.