Berlin den 21 Julij 64
Mein theürester Freünd.
Wenn unser vorhaben mit der Jfr. Meisterin so gelingt, wie der anschein uns hoffen macht, so haben Sie mir und meinen Kindern den wichtigsten Dienst erwiesen, den man Freünden erweisen kann. Und es macht mir kein geringes Vergnügen, daß ich diesen Dienst Ihnen zudanken habe. Es mag in einigen Fällen wahr seyn, daß große Verbindlichkeiten anstatt der Dankbarkeit Kaltsin erweken, aber unter wahren Freünden, ist es gewiß durchaus falsch. Ich schreibe heüte der Jfr. M. selbst und verweise sie wegen der Veranstalltung zur Reise auf unsern Director Schultheiß. Dieser hat vor 20 Jahren in einem ähnlichen Fall meine Reise veranstaltet und ich wünsche, daß am Ende die Jfr. M. so gut aus der Sache kommen möge, als ich gekommen bin. Haben Sie die Gütigkeit dem Director von dieser Sache zu sprechen. Heüte kann ich ihm nicht schreiben, aber es soll mit ehestem geschehen.
Mit unserm Füßli geht es nicht nach Wunsch. Er hat Freünde gefunden, die sich alle Mühe für ihn geben und die würklich Freündschaft für ihn haben. [→]Der Englische Gesandte hat mir vorher gesagt, was wir izt erfahren; daß überhaupt der erste Schritt zur Versorgung sehr schweer seyn werde, und daß das jugendliche und beynahe kindische Ansehen des Füßli die Sache noch schweerer machen würde. Sein Geld ist schon alles darauf gegangen. Ich habe ihm aber noch für 20 St. Credit bey Millar gemacht. In seinem lezten Brief vom 10 Junij schreibt er mir, „wenn Sie nach Zürich schreiben so sagen Sie es Bodmern, Breit. Lavatern daß mein ganzes Herz für Sie und mehr, wie jemals schlägt, aber daß ich noch weder jungen noch alten neither to man woman nor child schreiben werde.” Er rühmt unter anderm, daß ihm der Dr. Armstrong einer der besten heütigen Dichter in Britannien viel Freündschaft erzeige. Guter Rath ist hier theüer. Ich werde ihm heüte schreiben, um ihn zu ermuntern irgend einen entscheidenden Schluß zu faßen, denn in die Länge an einem orte zu leben, wo Tisch und Wohnung ihn wöchentlich eine Guinée kostet, geht für ihn nicht an. Er hat mir die Zeichnungen zum Noah geschikt und sie sind des Gedichts würdig. Aber sie sind so groß daß sie nicht können für vignetten gebraucht werden, es sey denn, daß das werk in 4. gedrukt werde. Da aber dieses Ihnen nicht gefällt so laße ich ordentliche so genannte Kupfer daraus machen, so daß für jedes Buch eines kommen wird. Die Octav Form macht uns keine geringe Mühe. Man hat hier nicht so viel Formen von Papier, daß man das aussuchen hätte. Zu dem größten Papier das wir haben ist die kleine Cicero Schrift noch zu groß um jeden Vers in eine Zeile zu bringen und die Schrift die man non pareille nennt zu klein. Der Buchdruker hat mich gebeten nur noch 8 Tage mit dem Druk inne zuhalten, binen welcher Zeit er noch eine Sorte Papier aus Nürnberg erwartet. Wenn diese nicht nach wunsch ausfällt, so werden wir Papier, Form und Schrift so nehmen, wie bey liegendes Muster ist.
Ich kann noch nicht zu dem Beharrungs Stand kommen, der mir nöthig wäre mein Werk mit ununterbrochener Arbeit zu vollenden. Man vertröstet mich von einem Monat zum andern mit einer Wohnung, da ich unterdeßen immer fortfahre, wie in einem Gasthof zu wohnen. Meine pension genieße ich, ohne etwas dafür zu thun, und kann nicht absehen, wie lang oder kurz diese Ungewißheit seyn werde. Ich weiß nicht, ob ich mir zu viel schmeichle, wenn ich vermuthe, wenigstens die denkende Köpfe ganz für meine Lehre über die Grundsäze und Anwendung der Kunst, einzunehmen. Ich finde für mich in den Hauptsachen schon eine Gewißheit, die der Geometrischen nicht viel Nachgiebt; und je heller dieses Licht wird, je mehr vermindert sich die anzahl der Regeln. Über die Lehre vom Schönen bin ich izt vollkommen mit mir selbst zufrieden, und ich bilde mir ein manches noch deütlicher auseinander gesezt und bestimter angegeben zu haben, als selbst Winkelman gethan hat. Von Kant hätte ich mehr erwartet, da ich ihn unter die ersten Köpfe von Deütschland zähle. Er hat mit dem Juden Moses um die goldene Medaille der Academie gerungen und hätte sie ihm bald aus den Händen gerungen.
Wenn ich Ihnen gleich behaupte, daß man izt in Deütschland etwas ausgearbeitete Stüke verlange, so habe ich darum keine größere Begriffe von der Höhe unsrer Virtù. Man ist weiter im Ausarbeiten, als in der Anlage der Sachen gekommen. Denn man hat richtigere Begriffe von der Ausarbeitung, als von der Erfindung und dem Wesen der Werke des Geschmaks. Sonst glaube ich überhaupt, daß die Künste noch einiger maaßen in der Kindheit sind. Doch die Dichtkunst weniger, als andre.
Dem Hrn. Winkelman werde ich von hieraus unmittelbar auf seine Frage antworten. Vom H. Haab weiß ich nichts, als daß er in Breßlau ist und daselbst geheyrathet hat, und daß er überhaupt für einen braven Man gehalten wird.
Sagen Sie doch unserm Heß im FlorHof, daß der Fries mich sehr um Geld ängstiget. Man hat mich abermal in eine vermuthlich unnüze Negociation geführt. Ich sollte diesen Menschen los machen, und nach dem ich die ersten Veranstaltungen dazu gemacht habe und nun den Endlichen Schluß über das, was man für ihn thun will verlange, antwortet man mir nicht mehr. Indeßen liegen mir izt die Leüthe an, die Sache auszuführen.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.
Muster für Druckpapier der Noachide.
Vermerk von Bodmers Hand auf der dritten Seite: »im Flor Hof« unterstrichen, darüber »zum ⟨Spindler⟩« nachgetragen.