Winterthur den 15 Nov.
Hier schike ich Ihnen den Aufsaz wieder durch welchen ein vornehmer Mann mich hat ehren wollen. Sie können leicht urtheilen, daß ich es nicht der Mühe werth achte die Nachrichten zu ergänzen. Genug, daß das so da steht nichts unrichtiges enthält. Deßwegen ich eine einzige Stelle verbeßert habe, ne omnino nihil fecisse videar. Haben Sie Gelegenheit so sagen Sie diesem vornehmen Schriftsteller in meinem Namen, was er ihrem Vermuthen nach, gerne hören möchte. Ich bin so ganz in meinen ästhetischen Untersuchungen entfernt, daß ich noch nicht gerne eine Minute davon gehe. Aber ich weiß wol, daß Tage kommen werden, da ich gerne heraus gehe. Für diese Tage verspahre ich ihren Noah, und ich wünsche daß Sie auch nur in denen Stunden an denselben gehen, von denen Sie fühlen, daß die herrschende Vorstellungen dahin hangen, so wie ich nicht eher an meinem Werk arbeite bis die Stärke und Menge der dahingehenden Vorstellungen mich dazu nöthigen.
Sie haben mich durch die Nachricht von einer gewißen unangenehmen Probe von ihren Mitbürgern erschrekt. Wenn nur die Frucht nicht vor der Erndte erstikt oder verdorret. Doch denke ich auch hierin mit dem Klein-Jogg. Man muß nur immer arbeiten, wenn man gleich nicht allemal den Nuzen eben zu der Zeit findet, da man ihn erwartet hat. Die Natur sorget dafür, daß nichts von dem, was wir mit Grund gethan haben verlohren ist. Ich bin mit meinen Vorschlägen auch noch nicht weiter gekomen, so viel nämlich am Tage liegt, als in der ersten Stunde. Zwahr scheinet der Wille da zu seyn, aber er ist schwach. Jede Hinterniß, und sollte es auch nur eine durch Gewohnheit eingerißene Trägheit seyn, ist hinlänglich ihn ganz zu Hemmen.
Der Hr. v. Arnim hat mir eine angenehme Überraschung gemacht. Er ist sehr mit der Schweiz, mit Zürich und mit Ihnen zufrieden. Er ist einer unsrer reichsten Edelleüte und zum dienst des Landes erzogen. Man hat bey uns einige Hofnung, daß der König noch diesen Winter Sachsen ziemlich von Oestreichern reinigen werde. Alsdenn muß der Friede bald folgen. Der Brief des Choiseul hat mir viel Ähnlichkeit mit der schönen Rede des Fuchses an den Raben, und ich fürchte, daß viele ihrer Leüte auch die Einfalt des Raben haben werden. Wenn ich nicht sehr irre, so habe ich an verschiedenen Orten der Schweiz einen fatalen Hang gegen das wahre Intreße des Staats bemerkt. Glüklich, wer wenigstens für sich keine Ursache des Verderbens ist. Ich wollte wol voraus behaupten dürffen, daß der K. v. Pr. weniger Gehör finden würde, als Choiseul. Empfehlen Sie mich dem Hrn. C. Breit.
S.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.
Von Sulzer korrigierter biografischer Artikel für das Lexikon von H. J. Leu.