Auch heüte muß ich Ihnen nur einen kurzen Brief schreiben, mein theürer Freünd, ob ich mir gleich vorgenommen hatte, weitläuftig zu seyn. Ich weiß ofte nicht, wie es möglich ist, daß man so wenig in einem Tag thun kann. Ich schike Ihnen hiebey das Andenken, das mein Herz meiner verstorbenen Freündin schuldig war. Sie werden daraus die Große meines Verlustes kennen lernen, und wol begreifen warum alle Munterkeit und Freüde von mir gewiechen ist.
Ich werde von Tage zu Tage ernsthafter und für die Gesellschaft untüchtiger und kann aus dem Nebel, der mich überall umgiebt nicht heraus kommen. Vielleicht gelingt mir dieses, wenn ich den Vorsaz ausführen kann, den ich seit kurzem entworffen und darin ich von meinen hiesigen Freünden sehr gestärkt werde. Wenn wir werden Friede haben, so will ich meine beyde Kinder nach der Schweiz bringen und sie bis sie ganz erzogen sind dort laßen. Helffen Sie mir in Zürich oder in Neufchatel, oder wo sie sonst meinen eine gute Pension für sie aussuchen. Die Kinder haben Anlagen ihrer Mutter ähnlich zuwerden, und verdienen an rechtschaffene Leüte zu kommen. Gott gebe, daß ich sie Ihren leiblichen Augen noch vorstellen könne.
Geben Sie das Ehrengedächtnis nicht aus den Händen; ich habe nur sehr wenige Exemplare für meine Freünde abdruken laßen, weil ich es nicht für das Publicum geschrieben habe. Einlage an Hrn. Zimmerman bitte durch die Post bestellen zu laßen. Leben Sie so wol und so lange, als ich es Ihnen wünsche.
Sulzer
den 18 Aprill.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.
Zwei Exemplare von Sulzer Ehrengedächtniß der Frauen Catherine Wilhelmine Sulzer gebohrner Keusenhof 1761, davon eines für Johann Georg Zimmermann.