Werthester Herr und Freünd.
Gestern, als ich ihren Brief mit dem Einschluß an Hrn. Hofr. Stahl bekam, dachte ich eben daran Ihnen zu schreiben, um Ihnen von dem, was seit dem 18 des vorigen Monats in Böhmen und andern Orten sich zugetragen hat, einige wahrhafte Nachrichten zu geben. Denn ich zweifle nicht, daß das Gerüchte Ihnen nicht sollte ungeheüere Sachen, verkündiget haben. Dasjenige, was wir hier in auswärtigen Zeitungen lesen ist schon förchterlich genug; aber die Nachrichten von ungenannten Quellen, dergleichen Sie vermuthlich auch bekommen haben, sind so ungeheüer, daß man sich in die Fabelhaften Zeiten versezt glaubet. Ich will Ihnen, mein werther Freünd, wahre Nachrichten geben, die ich aus den ersten und reinesten Quellen geschöpft habe.
Es ist allerdings wahr, daß dem König der Anschlag den FeldM. Daun mit seiner Armee aus Böhmen zu vertreiben mißlungen ist. Die Unternehmung des Königs war sehr kühn, und so groß, daß sein Ruhm unvergleichlich gewesen wäre, wenn sie glüklich wäre vollzogen worden. Der Sieg war auch meist in den Händen unsrer Armee, die mit unglaublicher Tapferkeit die Feinde hinter ihren Hügeln und Batterien weg getrieben hatte. Der große Verlust den die unsrigen erlitten hatten, machte Lüken, die schweere Cavallerie sollte das Fußvolk theils unterstüzen, theils den Feind von der Seite abhalten. Eine Fatalität deren Ursprung noch unbekannt ist, wollte, daß diese ihre Pflicht gar nicht that. Verschiedene Regimenter blieben stehen, obgleich der König sich an die Spize sezte um sie anzuführen. Die Feinde, welche schon von 2 Höhen weggetrieben waren, und die Schlacht so gewiß verlohren hielten, daß sie ihre Canonen selbst vernagelt und stehen laßen, bekamen wieder einigen Muth, da sie das schlechte Betragen eines Theils unsrer Cavallerie bemerkten. Sie machten Wiederhalt, um den weitern Angriff unsrer Infanterie zuverhintern. Mittlerweile brach ihre Ungarische Cavallerie in unsern einen flügel ein, und that viel Schaden, bis daß zwey von unsern Husaren Regimentern nebst einem Regim. Dragoner auf diese Feinde einbrachen, den größten Theil davon niederhaute und den rest zur Flucht brachten. Dieses alles geschah auf dem Flügel, den der König in Person commandirte. Der rechte Flügel unter Anführung des Herzogs von Bevern that noch mehr. Er schlug den Feind würklich, verfolgte ihn über 3000 Schritte, eroberte Canonen und andre Siegeszeichen. Während diesem Sieg ließ der König, welcher mit seinem Flügel noch immer auf dem zum theil eroberten Wahlplaz gegen die dritte feindliche Linie stuhnde, von der Schlacht ab. Vermuthlich aus Unmuth und Verwirrung über das ungewöhnliche und unerhörte Betragen der schweeren Reüterey, und auch zum theil, weil er schwerlich hofft, bey diesen Umständen die dritte Linie noch zu bezwingen. Die Ordre zum Abmarsch wurde gegeben, und dieser Flügel zog sich zurüke, ohne daß die Oesterreichische Infanterie von ihren Höhen herunter kam. Der König verließ also in seinem Unmuth das Schlachtfeld, welches der Herzog v. Bevern seinerseits behalten, und auf welchem er sein Lager würklich aufgeschlagen. Des folgenden Tages aber, zog er sich ebenfalls zu dem Königlichen flügel zurüke. Dieses sind die wahren Umstande dieser blutigen Schlacht. Wir haben dabey sehr wenig Cavallerie, aber sehr viel Fußvolk verlohren, deren Anzahl sich wol auf 6 tausend erstreken kann. Die Feinde müßen mehr verlohren haben. Ein gewißer Oberster von meiner Bekanntschaft, ein vernunftiger und wahrhafter Man, schreibt, daß sie mehr als tausend Schritte über feindliche Leichen fortgerüket, und daß unsre Leichte Cavallerie mehr als 3 tausend feindliche Reüter niedergehauen haben. Übrigens ists wahr, daß die Feinde von uns Canonen und Fahnen erobert, aber auch wir haben dergleichen von Ihnen. Ein einziges Dragoner Regiment hat 5 Fahnen und etliche Standarten erobert, die der König ihnen künftig zuführen befohlen hat.
Indeßen ist dieser Monarch noch voller Unmuth über seine schweere Reüterey und man sagt für gewiß, daß er ein ganzes Regiment davon caßirt habe. Nach Aussage der gefangenen, die wir gemacht haben, war die Daunische Armee bis über 90 tausend Man angewachsen. Der König hat bey dieser Schlacht 32 Bataillon und 105 Escadrons gehabt, welches 32 tausend Man zu fuß und 15 tausend Man Cavall. ausmacht. Der König mußte die Belagerung von Prag aufheben, um seiner Armee wieder einige Ruhe zu geben, und die Elbe, von welcher sie alle Zufuhre hat, gegen die feindliche Streiffereyen zu deken. Es ist aber eine häßliche Aufschneiderey der Oesterreicher, wenn sie vorgeben, daß sie den FeldM. Keith durch einen Ausfall von Prag weg getrieben. Sie sind nicht eher herausgekommen, bis unsre Armee weg war, sie versuchten in die Arrier Garde zu fallen, sind aber häßlich zurük getrieben worden.
Jezo stehen die Sachen so. Die HauptArmee, welche der Prinz v. Preüßen und unter Ihm der Herz. v. Bevern commandirt stehet noch in der Gegend von Niemburg gegen die Daunische Armee, die sich wieder hinter ihre Verschanzungen gezogen, der König aber steht mit dem FeldM. Keith in der Gegend Leuthmeriz mit ohngefehr 30 tausend Man. Vor der Erndte wird nun wol schwerlich was wichtiges vorfallen, wie wol unsre Armee mit großer Wuth einem neüen Angriff entgegen sieht. Indeßen soll der König ein Ansehenliches Corps nach dem Reich geschikt haben, vermuthlich um das Heßische zu deken, welches jezo am meisten in Gefahr scheinet.
Die Rußen haben nun mehr auch die Feindseeligkeiten mit der Belagerung von Memel angefangen. Daselbst steht der Kern unsrer Armee 30 tausend Man stark. Wir erwarten daher bald wichtige Nachrichten von dort aus. Es kan hier niemand begreiffen, warum die Engländer versäumt haben eine Flotte nach dem Baltischen Meere zu schiken. Der König trägt die Last eines so großen Krieges beynahe ganz allein. Was für ein Ruhm wird es für ihn seyn, sich gegen so viele zu halten?
Der Brief des Hrn. Dr. H. ist bestellt. Hr. Hofr. Stahl wird sich Mühe geben, so bald als möglich jemand auszukundschaften, den er hinschiken könnte, aber er scheinet zu zweifeln, die Sache nach Wunsch ausrichten zukönnen. –
An ihren Hr. Schwager kan ich jezo nicht mehr schreiben. Mein ganzer Brief an ihn, hat hier noch Plaz. Schwarz ist endlich vorgestern angekommen. Er hat sich gleich erkläret den Wechsel zu acceptiren mit Beding ihn in 6 Wochen zu bezahlen. Ich habe darüber mich Raths erholet, und man hat mir von allen Seiten gerathen, die Bedingung anzunehmen. Der Proceß würde länger, als 6 Wochen währen, und dann könnte man doch nicht so scharff, als mit einer Wechselklage verfahren. Hingegen, da er ihn acceptirt muß er in 6 Wochen bezahlen, oder man kan ihn einsteken laßen. Der Mann ist überhaupt nicht mehr sicher, und es ist ein Glük für Hrn. Orell, wann er sich noch lange hält. Komt es zum Concours so ist ein acceptirter Wechsel immer beßer als eine im Proceß schwebende Schuldfoderung.
Leben Sie wol, mein werthester Fr.
ich bin ganz der ihrige
Sulzer
den 12 Julij.
P. S. Grüßen Sie doch den Hrn. Dir. Schulthess von mir, und sagen Sie ihm, daß ich mich sehr über das gefreuet, was er dem Hrn. Burgermeister Schwarz in Magdeburg, geschrieben hät, und der Erfüllung seines Versprechens mit Verl. entgegen sehe.
Ich hatte mir vorgenommen auch an Hrn. Künzli zu schreiben. Die Hize ist so groß, daß ich vor Trägheit nicht mehr kan, da ich ohne dem mich allzu lange mit diesem Brief verweilet. Theilen Sie ihm die Neüigkeiten mit, und sagen Ihm, daß wir hier den Muth noch eben so hoch haben, als vor dem 18 Junii.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 362–365 (Auszug).