Brief von 1776, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 1776

Bürkli hat auch einen Strauß mit Lavater gehabt. Dieser [→]hat sich von des verstorbenen Prof. Hartmans Vater die nachgelassenen Schriften des guten mannes geben lassen. Unter denselben war ein Brief von Bürkli an Hartmann. Hartmann hatte ihm geklagt, wie schwarz Lavater ihn bey seinen suppots in Deutschland dafür verschrien, daß er eine tadelnde Recension von Pfenningers Vorlesungen in einem Jurnal eingerükt. In der Antwort erzählt Bürkli dem professor ein paar Tartufestüke von Lavater, die dieser dem jungen Meister bey gelegenheit desselben Origine de la Religion gespielt haben soll. Diesen brief nun stellte Lavater Hartmann wieder zu, mit Einem billet in welchem er ihm den Inhalt großmüthig und christlich vergab. Er machte aber einen umschlag darüber, auf welchem von einer unbekannten Hand geschrieben stand, es wären Calumnien, Injurien, und Falschheiten.

[→]Bürkli gab darauf einen ernstlichen Brief an Lavater, mit pièçes justificatifes. Man rispostirte. Es ergab sich daß der Hr. Minister Heß, der Verf. des Lebens Jesu, die injurieusen Zeilen geschrieben hatte. Unser gute Hr. director beym Rechberg legete sich ins Mittel, er vermochte Lavatern daß er die zweite antwort Bürklis nicht lesen und also auch nicht beantworten sollte.

Es scheint daß dieses das Ende vom Lied seyn werde. Hartmann hatte auch mir geklagt, wie heftig Lavater ihn angeschwärzt habe.

Es ist räuberisch wie Hartmanns Collegen in Mietau mit seinem Nachlaß umgegangen sind. Hartmanns Vater ist bey uns in Zürch gewesen, und hat uns wahre beraubungen erzählt.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 20.12. Nur als Fragment überliefert. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.

Datierung

Der Brief ist nach dem erwähnten Besuch Israel Hartmanns im Oktober 1776 entstanden.

Stellenkommentar

hat sich [...] geben lassen
Lavaters Vorhaben, den Nachlass Hartmanns herauszugeben, ist bereits in einem Brief an dessen Vater Israel Hartmann, Zürich, 28. November 1775 (ZB, FA Lav Ms 563.95) belegt: »Und wenn seine Schriften herkommen, alle seine Manuscripte und Briefschaften – um sie herauszugeben, und was taugt und seine Wirkung – nach dem Tode fortzusezen. – Er verdient's in mancher Absicht, daß man ihm ein Denkmal seze«.
eine tadelnde Recension von Pfenningers Vorlesungen
Zum Streit zwischen Hartmann und Lavater über Pfenningers Fünf Vorlesungen vgl. Kommentar zu Brief letter-bs-1774-06-29.html.
stellte Lavater Hartmann
Lavaters Briefe an Israel Hartmann sind zwischen 1775 und 1779 nicht überliefert.
Bürkli [...] ernstlichen Brief
Korrespondenz zwischen Lavater und Johannes Bürkli aus den 1770er Jahren nicht ermittelt.
Hartmanns Vater ist bey uns in Zürch gewesen
Israel Hartmann hielt sich im Oktober 1776 in Zürich auf.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann