Zürich den 29. Jun. 1774.
Ich stelle mir gern vor, mein theuerster, die Vorsehung habe Ihre Gesundheit hergestellt, damit sie dem unfug der Journalisten, und zu erst des izigen Hauptes derselben steuern. Wenn sie gleich stillschweigen wollten, so haben sie ihnen doch schon Wahrheiten gesagt, die in ihren stolzen Gedanken beleidigungen sind, welche sie durch Grobheiten rächen. Ich darf ihnen doch an Hartman einen streiter versprechen, der mit bessern Waffen als schimpfwörtern und farçe für den Geschmak und die sitten kämpfen wird. Hartman ist freilich noch nicht was er werden kann, aber er ist schon was Wieland einmal gewesen ist, oder so schien, und ein anderer geworden ist.
Wenn Sie, mein liebster, im überflus der Freündschaft gutes von mir gesagt haben, so hat ihr Fehler zwar eine schöne ursache, aber Sie haben sich damit Verantwortungen aufgeladen, die Ihnen Arbeit verschaffen; gewiß sezen sie sich damit in den augen der literaten, die sich den ungereimten Titel der belletristen geben, zu mir, dem abentheuerlichen, schwerfälligen, geistlichen Epopöendichter herab. Ihr Nahmen wird wie der meine ein schimpfwort werden. Warum haben sie die beyspiele vom schwulstigen aus Corneille und nicht aus den politischen schauspielen genommen? Warum haben sie die Erhabenheit nicht in Weissens Epaminondas, und das fürstliche nicht in Lessings Gonzaga gesehn? Hr. Reich hat nicht gut gefunden Ihrer ordre zu folgen, und mir die bogen der theorie zu schiken.
Ich möchte wissen, was Ihnen mehr vergnügen machet, daß Sie durch Ihre theorie auf die Nachwelt kommen oder durch die söhne und die töchter, die Ihnen ihre tochter gebiehrt. Mir ist nicht die lezte von disen VergnügungsArten allein verweigert. Im Februar schrieben sie daß sie sich im Herbst mit mir in Zürch lezen wollten; ich letze mich täglich mit Ihnen in Gedanken; und bin es zufrieden daß das persönliche lezen durch die herstellung Ihrer Gesundheit vereitelt wird.
Mit Wegmann werden sie leicht auskommen, er ist nicht kleindenkend, und würd es übel nehmen, wenn sie ihm Entschädigung antrügen.
Hartman hat Ihnen von meinen Geschäften und meiner Musse wenig mehrers sagen können als was sie wissen. Mein leben ist in diesem Alter nothwendig noch einfacher als es schon lange war; und er war in den Haustagen bey uns, und von Lavater eingeschlossen. Von diesem könnt er Ihnen Anekdoten sagen, die mehr als seltsam sind.
Gesagt haben soll er Ihnen doch den Zank den er wegen Pfenningers Vorlesungen mit Lav. gehabt hat; ein Zank der ihm die Verwünschungen der Heiligen zugezogen hat! Gesagt soll er Ihnen haben, welche erstaunliche Arbeit sich Lav. macht, charakteristische Züge in die Handschrift auf dem Umschlag der Briefe zu erbliken.
Aber Ihnen muß ich sagen, daß Hartman sich unsere Chorherr Breitinger und professor Steinbrüchel zu Feinden gemacht hat, weil er in der Erfurder-Zeitung gesagt, Zürich habe keinen philosoph. Man schmähet auf Hartman mit dem Eifer, den Sie Kleinheit des geistes nennen würden.
Unser streit um den Zürchersee hat sich bey der Wahl des Obmanns gestekt. Schwyz will er soll aus den ständen genommen werden, die sich im ursprung der Confederation mit uns verbunden haben, die alle Catholische sind. Der syndicat wird damit zu thun bekommen.
Wir haben hier ein prächtiges Zucht- und Correktionshaus angeleget, eh wir die Kosten der unterhaltung und die arbeiten der Züchtlinge in Anschlag gebracht.
Wir haben zuweilen gefürchtet in der Regierung von Curland möchten Veränderungen entstehen, welche das neue Institut rükgängig machen könnten.
Ich umarme sie von ganzem herzen. Ich hoffe daß sie bald mehr Musse bekommen, Briefe zu schreiben. Hr. prof. Müller empfängt von Irminger die besten Räthe, die wir hier geben können.
Ihr eigenster Bodmer.
Darf ich sie bitten um den Brief an Hartman einen umschlag zu machen, und ihn in einen der ihrigen einzuschliessen.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13b.
Brief an Gottlob David Hartmann.