den 26sten Jun. 1765
Mein theuerster Freund.
Erst vorigen Freitag empfieng ich die Reflexions on painting und ihren Brief der schon den 30sten April geschrieben war. Ich weiß nicht ob von Schafhusen oder Augspurg oder Basel. Ich suchte die leztern bogen der Noachide dabey wovon sie mir die 11. erstern geschikt hatten. Denn weder Voß noch Frank haben mir nicht ein stük geschikt. Das Herz hüpfete mir als ich das Werk zuerst in unsern Buchladen erblikte. In der that sezten mich die Drukfehler auf die Folter, wiewol sie meistentheils so grob sind, daß sie ohne den bösen Willen Ihnen oder mir nicht zur Last gelegt werden können. Ich bedaure nur die sonst Gustose Edition und die verdrüßliche Arbeit so sie damit gehabt haben. Wenn sie es gutfinden, so will ich die Fehler in einem Brief an Menalippus bekannt machen, der noch einige andere Dinge enthalten soll, welche den brief wichtiger machen. –
Ich kann so wenig als sie begreifen daß die Jgfr. M. glaubt sie verlangten eine vornehm denkende hofmeisterin, ich hab ihr doch zuerst und zulezt das gegentheil geprediget. Ich laß es ihr noch izt durch alle ihre Freunde predigen. Es ist doch ein grosser unterschied zwischen Füßlis und Rodens Zeichnungen, wiewol Füßlis so sehr zerzerret sind, als Matthes zerzerren kann. Wenn er lebt, so haben sie und seine gönner und freunde nichts zu verscherzen. Doch ist er im denken und handeln eine Art Cavaliere.
Der Hudibras ist hier supprimirt. Die Censores sollen nicht wissen, daß er gedrukt ist und sie wissen es doch, und schweigen. Aber hier darf er nicht verkauft werden. Der Antistes ist unsers Wasers alter Feind, die beyden Theologi sind seine gedungene. Br... hat sich blöde gehalten.
Die Verfolgung die Rousseau erlitten hat ist in der lettre à M.. relatife à M. Rousseau gedrukt; und wird gewiß bis Berlin kommen. Voltaire ist der sünder, der mit allem seinen geschrey von Toleranz disen Unfug à force d'argent angestellt hat. Und Mommolin hat sich dazu mieten laßen.
Sie sollen Steinmüllers und Füßlis demosthenische reden haben. Ich habe neue nachrichten daß die Schwyzer besser denken als andere, die ihren Nahmen angenommen haben; aber sie wurden von Religionseifer und Freiheitseifer, die sie in gefahr glaubten, hingerissen.
Ich danke ihnen daß sie keine vorrede geschrieben, mit der sie selbst nicht zufrieden gewesen wären. Genug, wenn sie mit dem gedichte zufrieden sind. Sie vertreten bey mir die stelle eines menschen aus einem künftigen erleuchteten Seculo. Ein Autor ist unglüklich der in einem dunkeln für ein erleuchtetes schreibt.
Ich segne ihre Meyerey und will sie mehr segnen wenn sie aus derselben öfters zu mir plaudern; denn ihr Geplauder ist für mich süsser als Formeys und Reinharts philosophie. Bielfelden haben seine lettres mich gewogen gemacht. Wenn er so ganz ein Gottsched ist, so behalten sie das Exemplar der Minnesinger zurük, oder geben sie es einem Würdigern.
Br.. ernidriget sich ein pamphlet gegen Treschow zu schreiben. Rahn hatte uns das Edict für die gefallenen Bräute in dem häßlichsten Gesichtspunkt vorgestellt.
Umarmen sie Wegelin.
Sie dürfen ohne bedenken in Hn Otten Brief an seinen papa etwas für mich einschliessen.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13b.
pour Mr. Sulzer professeur à Berlin.
Blatt an Siegelstelle abgeschnitten.