Meine Freundschaft wird ihnen immer beschwerlicher. Hr. Gerichtschreiber Orell hat mir zugemuthet ihnen diese gerichtliche Vollmacht zuzufertigen, damit sie dem Nachlaß seiner verstorbenen schwestern bey der Oberkeit nachfragen könnten. Lassen sie dieses durch einen Notarium thun, und geben mir dann die Addresse desselben, damit ich die Orellischen directe an ihn zu schreiben verweise. Inzwischen werden sie die Kosten mit port und anderm abtragen.
Die auszüge aus Philocles briefen zeigen ihnen, wie er und die rechtschaffensten leute von den öfentlichen angelegenheiten denken. Wir haben den Brigadier Lochman wider hier, dessen wunde so gut ist, als man es immer von einem zerschmetterten arme hoffen konnte, er denket ungefehr so wie wir, er kann nicht genug ausdrüken welche hochachtung die französischen Officier für den grossen König haben, und wie mißvergnügt sie mit ihren grossen generalen sind.
Sie haben ein verlangen bezeiget, den Charakter meines philocles zu wissen. Mich dünkt seine briefe entdeken ihn in seinem Innersten. Erinnern sie sich nicht meiner Ode an Philocles, die bey meinen gereimten Gedichten gedrukt ist? In der Medicin ist er Boerhavens Elève und ehmals sein liebling, mit dem er bis an seinen Tod im briefwechsel gestanden. In der unruhe, welche die Wettern von Herisau erregeten, war er die seele der alten Heroen. Sie wissen daß man ihnen zur last geleget, daß sie in dem rorschacher vertrag einige Artikel mit dem Abt von Santgallen negotirt haben, welche offenbar zum Nuzen des landes sind, aber vor der Abhandlung nicht vor die landsgemeinde gebracht worden. Die Wettern nahmen daher Gelegenheit das ganze Land zu vergifften, falschheiten, gewaltthätigkeiten – kosteten sie nichts. Die alte Regierung hatte sich sehr auf beyde stände verlassen aber keinen thätlichen schuz gefunden. Unser Philocles und sein Vater waren etliche mal in gefahr von dem pöbel aber durch einen förmlichen sentenz massacrirt zu werden. Es ist unglaublich welche standhaftigkeit, welche gegenwart des Geistes sie in disen umständen erwiesen haben. Sie wurden um etliche tausend gulden gestraft, und aller obrigkeitlichen Würde unfähig erkläret. Seitdem sind dem Volke die Augen aufgegangen, philocles Redlichkeit ist dem ganzen Lande bekannt. Es hat nur an seinem Willen gefehlt, daß er nicht wider zur Regierung gezogen worden. Izt ist er nahe bey 70. jahren. Der geist des Montagne, des Roussau von Geneve – athmet in ihm.
Sie werden an Iselin, dem verfasser der patriotischen träume, einen andern braven mann erkennen, er ist Dr. der Rechte und stadtschreiber in Basel. Er hat für die vermehrung der stadt Basel mittelst annehmung neuer bürger geschrieben, und sich dadurch den Haß aller Eigennüzigen zugezogen. Er hat Hrn. Baltasars, eines Rathshrn von Luzern, project die veralterte Eidsgft. zu verjüngen publiciren lassen. Dises besteht darinn, daß man ein Seminarium Helveticum, ein Gymnasium, aufrichten sollte, in welchem junge leute, von reformirter und catolischer Religion, durch professoren in paritate Religionis, in republikanischen sitten, wissenschaften und künsten unterrichtet werden sollten. Der ort des gymnasii sollte in einer gemeinen Herrschaft liegen; die vornehmste Absicht war, daß diese jungen menschen sich da mit einander vertraut machen, und so den Haß, den die Verschiedenheit der Religion, die vorurtheile der Erziehung – einzuspinnen pflegen, ablegen sollten. Unsere staatsmänner haben den Einfall gelobt, als eine schöne platonische Idee; aber sie stellen sich von seiten der Catholischen so viel Schwierigkeiten vor, daß sie sich nur nicht in den sinn kommen lassen das werk zu befödern.
Izt haben sie wol Wielands Johanna Gray gelesen, wenn sie ihren Beyfall hat, so habe ich keine Hoffnung daß Ihnen meine gefallen werde. Ich schike ihnen diese nicht in der Handschrift, weil Herr Wieland sich nicht entfernt zeiget sie dem verleger zu geben. Ich fürchte daß die Lessinge zu seiner grosse Augen machen.
Ich habe ihnen durch die Neujahrssmesse verschiedene sachen geschikt. Z. Ex. Iselis Träume; Plan einer Academie von Wieland; Mittel die Eidsgft. zu verjüngen von Balthasar; Kroneks Einsamkeiten. Ich habe keine Hexameter beygeleget, weil ich fürchte es möchte ihnen unrichtig gehen wie denen die ich durch die ostermesse geschikt habe.
Ich habe vor etlichen Wochen einen jungen Menschen von Trogen auf Empfehlung Hn. Dr. Zellwegers eine Recommendation an Sie gegeben. Er wollte gern preussische dienste nehmen. Er hat schon einige jahre in einem holländischen Regiment gedient. Er heißt J. U. Bodeman. Man bittet sie nur [→]de lui preter votre assistance et conseils en cas de besoin. On en excepte expressement les emprunts d'argent, car il est, dit-on, un peu depensier, et sa mere ni aucun des ses parens ne seroit peutetre pas en humeur d'acquiter ses detes, qu'il aprenne à menager et à se contenter de sa solde.
Allererst erinnere ich mich daß ich Ihnen Iselis Träume schon durch die Herbstmesse zugefertiget habe. Machen sie von diesem andern Exemplare Hn Gleim mit meiner Empfehlung ein Geschenk. Wir sind mit seinen siegesliedern ungemein zufrieden. Er hat die Flucht der schweizer bei Roßb. vielmehr geehret als beschimpfet. Das schiksal hat gut für ihn gesorget, da es ihn nicht in einer Republik hat gebohren werden lassen, daß es ihm einen solchen König gegeben.
Ich meine doch daß des Tyrtäus Kriegeslieder mehr Ernst und mehr Vaterland in sich gehabt haben. Der Poet fehlt uns noch der den König von s. grösten seite besinge. Der Citoyen de Geneve könnte einen solchen mehr als Apollo und alle Musen des parnassus begeistern.
Wir haben Hn Ebert zehn subscriptionen für seinen Youngh procurirt, aber wir sind ohne nachricht, ob er unser schreiben empfangen habe.
Leben Sie wol mit ihrer theuersten und lieben beständig
Ihren wahren, ergebensten Freund und Diener;
B.
Z. den 2 Xb. 1758.
Alle ihre briefe sind mir richtig zugekommen.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
Abschriften aus Laurenz Zellwegers Briefen vom 12. Oktober, 30. Oktober und 9. November 1758 (ZB, Ms Bodmer 6a, Nr. 428–431).
Vermerk Sulzers am oberen rechten Rand der ersten Seite: »2 Dec. 58.«