Brief vom 29. März 1758, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 29. März 1758

Mein liebster Freund.

Nicht umsonst sehen wir ihren briefen mit solcher ungeduld entgegen; jeder von ihnen enthält einen sieg. Jeder bekräftiget die grossen Erwartungen, die wir auf die denkart und die gemüthsart unsers Königs setzeten. O wie sind die Franzosen, und von welcher höhe gefallen! Seit dem schwarzen Prinzen und seit Heinrich dem V. in England ist ihr Muth, ihr Kriegsruhm, nicht tiefer gesunken. Wie wol thäte es ihnen izt wenn sie wieder einen Oriflame vom himmel lögen; oder wenn eine pucelle (die Engelländer sagen aus der hoelle) käme ihnen den muth zu erheben. Bald wird es nur an dem guten Gemüthe unsers Königs stehen, daß er sie nicht in ihrem Frankreich ängstige. Wir wollen izt sehen wo die unerschöpflichen Ressources an gold und an Mannschaft seyn, die man im vorigen jahr gerühmt hat. Ich gebe die Fr. für Criminels und die Prinzen Heinrich und Ferdinand für lieutenants de police, pour ne pas dire Executeurs de la haute justice. Wenn es eine sünde ist sich über die flucht der Fr. zu freuen so sind wir stark in Ihrer Verdammniß. Ich kan doch aufrichtig bezeugen, ich wünschte daß nicht einer von den unschuldigen Franzosen in Westphalen begraben würde, und daß die ⟨30/m⟩ die vermuthlich an den Rhein zurükkommen werden, eben diese unschuldigen wären. Aber ich denke kaum daß es in den wegen der vorsehung sey diese unschuldigen so von den Criminels auszunehmen.

Welche schwäche zeiget es daß die Östr. auf das elende kunstmittel fallen den könig bey den catholischen potenzen zu beschuldigen daß er Absichten auf die Unterdrükung ihrer Religion habe! Das ist doch gewiß daß diese Religion im vorigen Feldzug sich bey ihm nicht empfohlen hat. Und wer weis ob die Vorsehung nicht veränderungen anzettelt, die dem König selbst noch nicht in dem sinn ligen. Für seine edle gemüthsart ist uns das dritte memoire de Brandenburg bürge. Wer kan ein mehreres Zeugniß fodern? Einer von unsern französischen hauptleuten hat darinnen nichts Grosses gesehen als [→]mon frere le roi serjeant und die domquixotische armatur könig Georgs.

Die Russen sind sacra amore der Öster. und der Franz. Wohin ist es gekommen? Aber sie machen doch conquêtes. Ne nous en mettons point en peine, sagt mein philocles, notre roi trouvera bien moyen, (sans doute que le projet est dejà formé,) de les battre quand ils seront meuris au massacre. Wenn der director mich fraget wo der König sey, und was er in Breßlau mache, so sage ich er bauet grabmähler für das haus östr.

Ich halte es schier für unmöglich daß die Engelländer nicht, und gewiß zum rasen, erwachsen werden. Sie essen noch immer Rost-beaf und lieben die trauerspiele ove tutti sono morti.

Die auszüge aus philocles Briefen werden Ihnen Blicke in unsere Herzen werfen lassen. Über den Einfall daß er unsern König zum Landammann vorschlagen wollte, schrieb ich ihm, ich fände den Einfall so stark daß ich glaubte er hätte seit 1732 daran meditirt, und wollte seine öffentlichen Verrichtungen mit dieser grossen that wieder anfangen. Denn sie sollen wissen daß in dem aufstand von 1732 in welchem die harten über die linden, d. i. das Lumpenvolk über die rechtschaffenen die obermacht bekommen, philocles als einer der besten Tetes der alten Regierung von allen dignitäten entsezt worden. Seit der selben zeit hatten sich zuvor die sachen so weit wieder gebessert daß er wol wieder in die Regierung hätte kommen können, er hat sich aber entfernt und mit seiner sentenz ausgeredet. Er denkt wie jener alte: [→]En faisant mal je deplairois aux dieux, en faisant bien je deplairois au peuple. Noch neulich schrieb er mir doch: [→]Si le roi de Pr. devenoit nôtre landamme je me remettrois aussi sur les rangs et je travaillerois avec plaisir sous un si bon si juste et si grand maitre; mais cela etant impossible je m'en passerai, in freto viximus in portu moriamur. Je suis cepandant tres avide d'aprendre la reponse de Mr. Soulzer sur le pretendu Landammanat, supposé que vous persistiez dans la resolution de lui communiquer ma declaration.

Die Luzerner hatten 3000 mann zur beschüzung Mailands versprochen. Weil sie aber aus ihrem land so viel nicht aufbringen können, zählten sie daß sie in den andern kleinen Cantons recroutieren wollten; aber diese verboten den ihren bey landesverweisungen, in diesen Dienst zu gehen. Sie haben mühe ihre eigenen Compagnien zu ergänzen. Also ist aus den 3000 M. nichts geworden.

Ich bin ganz mit Gleim zufrieden worden seit dem ich sein siegeslied auf Roßbach gelesen. Sagen sie ihm daß wir dieses lied von den singern des Kuhreigens singen lassen, auf dem Gaberius, am Fuß des Camors, ehrwürdiger nahmen von bergen. Aber Lessing, Ramler – halte ich für Imbecilles, wenn sie schweigen. Gewiß kan der nicht, oder empfindet, sieht und denkt nicht, der schweigt und nicht singet.

Gleim hatte mich vormals ersucht, ich sollte ihm ein Mädchen in den Alpen freyen, weil die Ebenen ihm nicht günstig wären, izt könnte ich ihm für sein siegeslied zehne in den Gebirgen werben. Er ist ihr Liebling worden.

Ihre Tryphones, welche die Lobrede nicht auf schreibpapier haben druken wollen, haben nicht allein keinen geschmak sondern ils n'aiment pas leur roi. Und die berliner, die sie nicht kaufen? Ich habe sechs stücke nach Trogen schiken müssen, wo sie mit Gleims lied wie die Heil. Biebel aufbehalten werden. Der director Schulthess hat ein Exemp. aus Magdeburg bekommen und Orellen zu druken gegeben, der seine auflage in 14 tagen verbraucht hat. Hier läst der gemeine mann und der mann von sicherm geschmak diser lobrede Recht widerfahren. Nur das Gleichniß von dem Waffen Meer das sie von Feuer verzehren lassen hat man verlacht, und mich dazu als ich es in meinen Schuz nahm. Bekennen sie daß es für unser einen eine Angenehme und leichte Arbeit ist einen König zu loben, wie der unsere ist, aber wie würde uns schauren wenn wir Franz den Kaiser, oder Louis le bienaimé loben müsten! Fürchten sie nicht, daß sie es vor dem ReichsHofrath verantworten müssen, weil sie dem haus Ö. den gebührenden Respect nicht erzeigt haben? Der Ungenannte von dem ich ihnen etliche Hexameter schike bleibt vermuthlich eben darum im verborgenen. Wissen sie Malleoli geschichte? Diser Doctor decretalium und Chorherr an hiesigem stift lebte in dem einheimischen Krieg der Züricher mit Schweiz und machte das Epigramma auf die Schweizer:

Est plebs quæ non plebs, gens quæ non gens, itidem qui
Non homines dici, sed fera monstra queant.

Dafür nahmen die Schweizer ihn nach geschlossnem Frieden mitten in Zürich aus seinem Haus und gaben ihn seinen grösten Feinden den Capuzinern in ewiges gefängniß. Die Züricher litten es. [→]Ex hoc ego sanus ab illis perniciem quæcumque ferunt vitiis – notata. Durch die Fieranten schike ich Ihnen noch mehr von dem Anonymo, der so starke ursachen hat ungenannt zu bleiben.

Man ist es zufrieden daß die larve und das banket auf löschpapier gedrukt werden, wenn sie nur correct gedrukt sind, und verborgen bleibt, Woher der autor ist. Gessner schikt ihnen seinen Abel, mit welchem wir zufrieden sind. Doch wissen wir nicht ob wir uns nicht zu viel schmeicheln, daß dieser Abel die patriarchen mit der Artigen Welt versöhnen werde. Diese patriarchen sind auch gar zu unschuldig, das ist ihr gröster Fehler; und ich fürchte, eben dises ist der französischen art zu denken, die sich bey den Nicolai eingeschlichen hat, zuwider.

Gleim wird mit dem [→]schreiben welches Uzen in den Freimüthigen nachrichten zugelegt wird, nicht zufrieden seyn. (sie bekommen dieses durch die Meßleute) Aber das würkliche schreiben das Uz wider Wieland publicirt hat, ist auch gar zu unflätig. Seine ode die Theodicée soll seine beste seyn, er hat Leibnizens palais des mondes dichten wollen, aber nicht verstanden. s Des Königs verachtung gegen die poesie der deutschen hat gewiß nur den grund, daß er diese sprache nicht versteht; er hat sie nicht gelernt und was für Werke sollten ihn in seiner Jugend bewogen haben sie zu lernen? Rabner hat wie ein Pedant gehandelt, da er sich vor Dargens nicht hat wollen aufführen lassen. Da der König den Dargens leiden mag, so sollte er ihn auch gelitten haben, wenn dieser auch nur ein Colporteur gewesen wäre. Dann hätte er dem König bessere werke als Gottscheds sind, seine eigenen, zeigen können. Gottsched hat von seiner sottise profitirt. Wiel: wird seinen Cores ins französische übersezen lassen damit die Könige ihn lesen, die kein deutsch verstehen. Es soll aber ein Geheimniß bleiben bis er sechs Gesänge davon vollendet hat. Dann sollen Sie der erste seyn, dem er sein geheimniß offenbaren wird. Ich habe Aufmunterungen an den verfasser des Cores, 2 oder 300 Hexameter geschrieben, in welchen viel Allegorisches ist, das auf unsern König passet. Ich sage Cores und meine Friederich, Neriglissar, Crösus und meine – – – Sie sollen es künftig sehen; Auch meine Tragödie, Friederich von Tokenburg, izt hat sie nicht mögen abgeschrieben werden. Mein Stüssi ist ein politisches Trauerspiel, das nur die Zürcher interessirt und einen philosophischen Kopf, der sich um alle particulariteten der Menschen bekümmert. Von dieser Art ist mein Brun. Das ist der mann, der die populare regierung bey uns eingeführt hat. Ich arbeite gerade izt mit vieler selbstzufriedenheit daran. Es giebt Hiebe, die sich sehr gut auf unsere Zeiten schiken. Der dritte Actus ist gemachet. Es ist nicht daran zu denken, daß dise stücke gedrukt werden. Bern, Schweiz, Lucern, die Zunftmeister, die Handwerker – würden mir Malleoli schiksal zutheilen.

Wir wissen gar nichts von unserm Kleist, der gewiß mehr in unsern Gedanken ist als wir in seinen. Wir wollten ungemein gern von seinen siegen hören. Dr. Hirzel hat ihm im Januar geschrieben, aber ohne Antwort. Die jüngern freunde, die mir in den Klopstokischen Zeiten Verdruß macheten, sind artige leute worden, die mir viel freude machen, ich habe sie alle in unsers Königes Interesse gebracht, und so stark daß sie sich für ihn so gewiß als für ihre Religion martern liessen.

Ich sehe wol was für eine schöne Chimære die Abtey Closterbergen ist, doch mag ich sie nicht zerstören weil sie zu viel gutem anfeuert. Ich sende durch die Messe Hrn. Sak unsers neuen Theologi dissert. antiquariam de servis. Ich mache ihn gern bis über den Rhein hinaus berühmt. Unsere grossen politici meinen zwar, wir sollten den Ruhm der Ulrichischen Bibel, die geschikte Vertheidigung derselben, die opera antiquaria unsers Theologi, und die opera theologica unsers antiquarii, zwischen der Siel und der Glatt behalten, aber den Neid habe ich nicht.

Diesmal wird unser Chorherr den weltlichen arm nicht anrufen, daß er ihm seine Reputation schüze. Wir guten leute haben nicht nöthig daß wir es uns unter dem siegel des Rathes geben lassen daß wir gute leute seyn. Er hat uns die sache selbst nicht gegeben. Und warum sollten wir uns beschweren etwas für die Wahrheit und die gerechte sache zu leiden, da unser könig, das Exemplar virtutis et Bonitatis so viel dafür leidet? Er wird kein despot, kein unbesonnener Charles XII; und wir werden keine Tröpfe, keine Dunsen, keine Pedanten; weil die Coßnitzer- und die Zürcherartillerie hauptleute es beym Eid sagen und schreiben. Unsere grossen Herren und unsere Weibchen confundieren die ulrichischen Noten zur Bibel mit der Bibel selber, weil beyde auf einerley fließpapier gedrukt sind. Die Noten ruhen in voller sicherheit unter den flügeln der Bibel. Man thut uns groß unrecht, wenn man glaubt daß wir unsre vaterstadt in unsern geschmak verwöhnt haben. Wir haben nur so unsern kleinen Anhang.

Ich weis daß sie der Mary Jones Jacob and Rahel nicht vergessen haben. Aber haben sie des seel. Hagedorns portrait für unsern braven Geßner nicht vergessen? Meine anecdote von Winkelmann kam von Will dem grossen Kupferstecher der izt in Paris ist und bald mit einem vortrefflichen stük, dem Bildniß unsers Königs an den tag kommen wird. Will steht im Briefwechsel mit unserm Mahler Füßli. Dieser hat hier eine kleine Collect gemachet Winkelman in seiner dürftigkeit zu unterstüzen. Will hat dasselbe in Paris gethan. Hätte man uns gesagt daß Winkelman den statuen zu gefallen ein papist geworden, so hätten wir gewiss unsere milde Hand beschlossen. Wir lieben die papisten nicht.

Sind Ihnen Mallets monuments de la Mythologie des Celtes bekannt, und sind sie nichts für uns? Dr. Zimmermanns von Bruk schrift vom Nationalgeschmak wird izt in ihren Buchladen zu haben seyn; sagen sie mir ihr urtheil davon.

Der erste theil der minnesinger hat auf diese Messe nicht mögen fertig werden. Unser Waser hat sich viel mit Swift zu schaffen gemacht, er idololatrirt ihn. Er weiß nicht daß sein stylus so viel provinciales hat; er will es aber auch nicht wissen.

Ich habe in einem Raptu die vierte Ilias in Hexameter übersezt, ich weis nicht, ob sie einen verleger finden wird. Sed ecce tibi pro epistola librum impegi. Wenn sie damit nicht beschwert sind, so lassen sie mich nicht auf ihre Antwort schmachten. Dann werde ich nicht en arriere bleiben.

Mein l. schwager läst ihnen s. Respect sagen, er danket verbindlich für ihre verrichtungen, und erkennet wol daß mehr nicht gethan werden konnte. Er wird nach der Rimesse die Ehre haben Ihnen selbst s. Erkenntlichkeit nach seiner Art zu bezeugen.

Wir sehen hier dem schiksal des Regiments Lochmann mit bangen Herzen entgegen. Die Capitulation ist daß sie nicht gegen das Reich gebraucht werden sollten. Aber Frank. sagte das Reich wäre der Kaiser und die pluralität; also würden sie für das Reich gebraucht. Man lachete den nur aus der es anderst fassete, und wir hatten nicht einmal gelegenheit daß wir uns darüber in unterredung einlassen konnten.

Adieu. Leben sie munter und vergnügt.

Ihr Ergebenster Dr und F.

den 29 März 1758.

Beilage: Schriftenverzeichnis zum zeitgleich versandten Paket und Hexameter {\flqq}Vor der Schlacht bey Planian{\frqq} und {\flqq}Die Siege bey Roßbach und Prag{\frqq}
Verzeichniß.

I. Dissertatio de triangolorum resolutione Gessneri
II. Hexameter eines unbekannten auf die umstände des Feldzuges im anfange Junius 1757.
III. Hexameter eines andern auf die siege Roßbach und Lissa.
IV. Das Andenken der Verdienste, bey dem absterben Jkr. Obmann Blarers.
V. Zwey und zwanzig stück der Freymüthigen Nachrichten in duplo; wegen einiger merkwürdigen Artikel, z. Ex. 1757. XXVIII. der Tod Adams, Gessners Idyllen, die weiblichen stufen. XXIX der Murner XXXIV. Meyers Fabeln. XXXVI. XXXVII. XXXVIII. Schönaichs Heinrich der Vogler. XXXIX. Lessings Miß Sara Thomson. XL. XLII. paradis perdu traduit par Racine. 1758. VII. VIII. IX. X. XI. Erdichtetes schreiben Uzens des verfassers der lyrischen gedichte und des sieges des liebesgottes. Ursprung des Hasses gegen die Patriarchaden NB veranlasset durch Uzens schreiben, in welchem er sich gegen Wieland recht unnüze gemachet hat. Man wünschte daß Sie diese stüke, die Uzen angehen Ramlern, Lessingen, und vornehmlich Nicolai oder einem andern von den verfassern der Bibliothek der schönen Wissenschaften in die hände spieln könnten p.
VI. Der Tod Abels von Gessner. Ist ein Geschenk, womit der Verf. Ihnen aufwartet. Er hoffet, daß das werk Ihren Beyfall so haben werde wie es den unsern hat.
VII. Hagenbuchi dissertat. de servis. Mit dieser neuern Arbeit des nachfahrers unsers sel. Zimmermanns bitte Hrn. Hofprediger Sak aufzuwarten p.

Vor der schlacht bey Planian.
Lange schon wächst mir der muth und fasset das mächtige thema,
Das mir den Kopf erwärmt, und ein griechisches sylbenmaß fodert;
Brandenburgs thaten, der Rächer, dem Gott die stärke verliehen,
Lange genossenes unrecht und jahre von plagen zu strafen.
Wahrlich ihn sandte der herr, den fürsten Demuth zu lehren
Die im Besize sich glaubten die Rechte der Menschen zu schmälern.
Friederich kam sie zu schlagen, die völker sahen ihn schlagen,
Und sie erstaunten die grösse des helden im schlachtfeld zu sehen.
Seine geringere Grösse, die auch der kleinste verstand sieht,
Der nur ein Schlachtfeld siehet mit Blut der leichen bedecket,
Nur die Hoffnung des landmanns zertreten, die mauern zerschellt sieht,
Der nur die stimme vernimmt, die tief von der Flehenden munde,
Nur die seufzer, die von den Erlegten gen himmel empor gehn,
Mit dem stampfen der pferd und Klirren der Waffen vermischet;
Dieses sah Prag auch und Bebte zurück vor dem tödtenden Anblik,
Hungernd bekennt' es die thürm und mauern zerschmetternde grösse.
Aber nur wenig' erkennten die höhere grösse, die mensch bleibt,
Wenn sie zum schlagen gereizt wird, die halbe schläge nur schläget,
Nicht mit der ganzen stärke, die in den Nerven des Arms ligt,
Die nur zur Besserung schlägt das joch vom nacken zu nehmen,
Selbst den Herrn, die das joch für ihre Sicherheit halten;
Ihnen Geseze zu geben, die ihre Würde beschützen,
Und sie die hoheit zu lehren, die ohne die freiheit ein tand ist.
Diese Grösse zu sehn, gehört sich ein grosses Gemüthe,
Welches die Würde des menschen und seine freiheit empfindet.
Kleine gemüther sehn bloß den streich und die gutthat des streichs nicht.
Also sah Satan allein die Allmacht der göttlichen Blitze,
Welche die Rechte des Herrn auf ihn schoß, die güte des Arms,
Der im Wurf ihn verschonte so daß er nicht gänzlich zerstört ward,
Sah er nicht ein, und lästerte noch die Hand, die ihn schonte.
Groß sind die siege Friedrichs, doch blutig, den blutigen sollen
Andere folgen, die grösser, wiewol nicht blutig seyn werden.
Friedrich wird mehr ein Triumf als pauken und standarten führen,
Denn er wird jedes joch, die willkürliche Herrschaft zerbrechen
Unter welcher die Welt durch hundert staaten hin zittert.
Hundert herren wird Er in Hirten der Völker verwandeln,
Ihnen Lycurgus und Solon und Numa werden, den körper,
Der in ein Knorricht stück fleisch mit verdrehten Gliedern gewachsen,
Wird er ⟨entbinden⟩, und ihm den Gebrauch der Gliedmassen geben.
Dann wird er mehr noch thun als dem Dichter zu dencken gegönnt ist,
Dafür ist seine denkart, sein menschliches Herz ist uns bürge,
Das in der Würde des menschen die würde des königes setzet,
Und sich nur grösser glaubt wenn es thiere zu menschen erhebet,
Nicht wie ein Bajäzet, welcher die menschen zu thieren erniedrigt.
O wie viel Grosse ⟨Wincke⟩, der Wunsch, die Ehre der Völcker,
Die sind und noch nicht sind, die Ruhe des menschlichen stammes,
Würden mit Friedrich vergehen, wenn Friederich vor der Zeit fiele!
Denn wir können uns nicht die traurige Möglichkeit leugnen,
Friedrich, die hoffnung der Erde, die Ehre der menschheit kan fallen,
Ihn zu schonen vergißt die bleierne kugel den flug nicht,
Noch das pulver die Kraft, die in den salpeter geleget ist.
Aber wir fodern das nicht, kein Gesez der bewegung muß stillstehn,
Unsern Wunsch zu erfüllen: Für ihn hat das schiksal gesorget
Daß er der kugel, die fliegt, dem becher der tödtenden gift mischt,
Nimmer begegnen sollte, bevor er die thaten vollzogen
Die er bestimmt ist zu thun; denn gewiß sind es Gottes gedanken
Die izt in Friederichs Haupt sind, sie lagen in Gottes Entschlusse
Lange zuvor, eh er sie in Friederichs busen gelegt hat.

Die siege bey Roßbach und Breßlau
1757.
Friederich stand von dem mönchischen angriff mit völligen kräften
Auf die füss' und wie ein gespenst aus dem boden hervorsteigt
Trat er vor Soubiz, Soubiz erbebte vor seiner Erscheinung
In die thüringischen Klüfte zurück, da baut' er von Walde
Festungen auf, das antliz des preußischen helden zu meiden.
Bleibet in Thüringens wüsten und leget den Wald vor den himmel
Daß auch die sonne nicht seh noch ein licht der sonn der Preusse.
Also rieth ich mitleidig, die eitlen Franzen zu retten,
Aber sie folgeten nicht, sie kamen mit tollkühnem kopfe
In die Plänen hervor, die von Merseburgs ältlichen mauern
Über verbreitete Ebnen zu Leipzigs lustgärten führen.
Seltsam gemischter Hochmuth von deutschem und gothischem stolze
Schmeichelte sich durch eine trompete die stadt zu gewinnen.
Also fielen nur einmal die mauern von jüdischen Pauken.
Gehet, so sagte zu seinen Völkern der leichte Soubize,
Geht auf sie loos, und bringt mir den hohenzollrischen Markis
Kürzlich in einer kutsche nach meinem Zelte gefangen.
Also sagt' er, und sah den tod nicht im Hinterhalt lauern.
Friederich hatt' an die stirne von seinem heer ihn gestellet
Aber vor ihnen verborgen, sie sollten ihn ehnder nicht sehen
Bis er da wär, und schlüge was nicht die Waffen hinwegwirft.
Als Er dem Tode befahl sein fürchterlich Antliz zu weisen,
Konnte man sehn was die Franzen für eine geschiklichk. haben
Hohe Lavoltas und schnelle Courantes zu tanzen, man sahe
Was sie in ihren Fersen für Artigkeit haben, wir kennen
Keine luftigere läufer, der ruhm gehört den franzosen.
Damals schlug Friederich nur mit gelinden, mit schonenden streichen,
Denn er liebet das flüchtige Volk, wiewol es ihn schmähet;
Darum streut er den Tod nur sparsam über die felder.
Eilte dann Daun zu strafen, der ihm sein Breßlau genommen,
Das von schwindel verrückt sich in seine arme geworfen.
Wer den Helden da sah, den führer der wenigen Völker
Wie er von Zelt zu Zelt, von Wachen zu wachen umhergieng,
Dacht in seinem Gemüthe, wie würdig ist er des sieges!
Nicht ein merkmal entdeckt sich in seinem heiteren Antliz
Was für ein Fürchterlich Heer ihn halb umgeben, er opfert
Nicht ein Wölckgen von bleicher Farbe der schreckenden Macht auf;
Sondern sieht froh und besiegt mit muntern minen der Augen
Jeden gefährlichen Anblik in ruhiger Grösse des Geistes;
Daß ein jeder der noch mit Zweifel ringend sich umsah,
Wenn er ihn sah, aus seinen Augen sich munterkeit schöpfte.
Izo schlug er mit vollen nicht halben Streichen des sieges.
Von ihm beseelt schlug jeder mit vollen, nicht halbigen, streichen
Friederich nach, sein Muth, sein Verstand ergoß sich durch alle.
Dieses Treffen geschah im feld, und nicht in dem postamt,
Was man vergoß floß aus den Adern, und nicht aus dem schreibkiel,
Östreichs dapferstes Blut rann mit der Schweidniz zur Oder.
Frankfurt tranks mit der Oder in einen Eimer geschöpfet.
Denen, die sich dem Tod zu entgehn in Breßlau geworfen,
Kam die Schand' und der Hohn auf ihre stirne zu sitzen;
Tolle Begierde zu leben, wenn einen die Schande bedecket!
Doch sie haben den trost daß sie Heere gesellschafter haben,
Feldherrn theilen den Schimpf mit ihren geringsten Soldaten.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a. – Schriftenverzeichnis: ZB, Ms Bodmer 12b.

Einschluss und mit gleicher Sendung

Abschriften aus Briefen Laurenz Zellwegers vom 23. Februar 1758 und 13. März 1758 (ZB, Ms Bodmer 6a, Nr. 412 u. 414).

Eigenhändige Korrekturen

ein mehreres Zeugniß
ein mehrer|es| Zeugniß
schweigt und nicht singet.
schweigt und ⌈nichtsingen |singet.| kann!
seinen Cores ins französische
seinen Cores auch ins französische
der sich um alle
der sich gern um alle
wir gewiss unsere
wir gewissen unsere
die tief von der Flehenden
die ⌈tief⌉ von der Flehenden
und Klirren
und dem lermKlirren
bekennt' es die thürm
bekennt' es ⌈die⌉ thürm
verschonte so daß er nicht
verschonte ⌈so⌉ daß er nicht
den blutigen sollen
den blutigen werdensollen
die grösser, wiewol
die blutig grösser, wiewol
des sieges
des lobes sieges
in ruhiger Grösse
in ruhiger stilleGrösse
in einen Eimer
in einen Saum Eimer

Stellenkommentar

pucelle
Jeanne d'Arc.
bey den catholischen potenzen
Maria Theresia hatte bereits im Oktober 1756 mit einem Reichshofratsconclusum ein Achtverfahren gegen Friedrich II. angestrebt.
mon frere
Vgl. Friedrich II., Mémoires pour servir à l'Histoire de Brandebourg, Bd. 3, 1758, S. 51.
sagt mein philocles
Laurenz Zellwegers Brief vom 20. März 1758 (ZB, Ms Bodmer 6a, Nr. 415). Übers.: »Seien wir darüber nicht betrübt, unser König wird wohl ein Mittel finden (ohne Zweifel ist das Vorhaben dazu schon gefasst), sie zu besiegen, wenn sie reif werden, hingeschlachtet zu werden.«
ove tutti sono morti
Übers.: »wo alle starben«. Vermutlich Anspielung auf die Schlacht bei Roßbach.
auszüge aus philocles Briefen
Das mitgesandte eine Blatt enthielt Auszüge aus Briefen Zellwegers an Bodmer aus Trogen vom 23. Februar 1758 (ZB, Ms Bodmer 6a, Nr. 412) und vom 13. März 1758 (ZB, Ms Bodmer 6a, Nr. 414).
aufstand von 1732
Appenzeller Landhandel von 1732, in dem die Zellweger als Anführer der Linden in einer verlustreichen Schlacht bei Trogen den sogenannten Harten unterlagen. Laurenz Zellweger verlor daraufhin alle seine öffentlichen Ämter. Vgl. Schudel-Benz Der appenzellische Landhandel nach Briefen von Zellweger an Bodmer 1933.
En faisant [...] peuple
Übers.: »Würde ich schlecht tun, so missfiele ich den Göttern, würde ich gut tun, so missfiele ich dem Volk.«
Si le roi [...] declaration.
Übers.: »Wenn der König von Preußen unser Landamman würde, würde ich mich wieder einreihen und mit Vergnügen unter einem so guten, so gerechten und so großen Herrn arbeiten; doch weil dies unmöglich ist, muss ich darauf verzichten, in freto viximus in portu moriamur. Ich bin jedoch sehr begierig, die Antwort des Herrn Sulzer über das angebliche Landammanamt wahrzunehmen, vorausgesetzt, Sie harren im Entschluss, ihm meine Deklaration mitzuteilen.«
in freto viximus in portu moriamur
Sen. epist. XIX. Übers.: »Auf dem wogenden Meer haben wir unser Leben verbracht; laß uns im Hafen sterben!« (Seneca, Briefe an Lucilius, 2014, S. 106).
ganz mit Gleim zufrieden
Vgl. auch Bodmer, An Gleim (ZB, Ms Bodmer 31.7.IV.4.).
Gaberius
Gäbris und Kamor, Berge im Appenzeller Land.
Imbecilles
Übers.: »Dumme, Schwachsinnige«.
Gleichniß
Sulzer, Lobrede, 1758, S. 23: »So wie ein gewaltiger Sturmwind, der Länder verheeret, und feste Städte in Ruinen verwandelt, durch einen Hauch des Ewigen sich plötzlich leget, so setzte sich das verheerende Feuer von Friederichs siegreichen Waffen durch GOttes Wink.«
Der Ungenannte
Bodmer selbst. Siehe das beigefügte Schriftenverzeichnis.
Malleoli geschichte
Gemeint ist Felix Hemmerlin (auch Felix Malleolus genannt), der in der Mitte des 15. Jahrhunderts wegen Ungehorsams seiner Ämter enthoben und ins Franziskanerkloster Luzern verbannt worden war.
Ex hoc
Hor. s. I, 129 f.: »Ex hoc ego sanus ab illis perniciem quæcumque ferunt, mediocribus et quis ignoscas vitiis teneor.« Übers.: »Aufgrund dessen bin ich frei von all den Lastern, die Verderben bringen, und nur mit geringeren bin ich behaftet«. (Horaz, Buch 1 der Satiren, 2015, S. 77).
schreiben welches Uzen [...] zugelegt wird
Im Winter 1757/1758 wurde in den Freymüthige Nachrichten eine scharfe Polemik gegen Johann Peter Uz geführt. Vgl. auch Uz an Gleim, 28. Juli 1757: »Herrn Bodmern hätte ich gern verschont, da ich in ihm den Kunstrichter eben so hoch schätze, als ich den Poeten verachte. Aber dieser Mann ist die wahre fax et tuba belli. Die Zürcher freymüthigen Nachrichten sind sein Tummelplatz, wo er seine Rache ausläßt, und sogar in Privat-Schreiben, an seine Freünde in den hiesigen Gegenden, nimmt er mich auf das ärgste herum. Soll ich immer schweigen?« (Schüddekopf (Hrsg.) Briefwechsel zwischen Gleim und Uz 1899, S. 280). Gleim an Uz, 8. September 1758: »Herr Sulzer wolte bey meiner Anwesenheit zu Berlin auf Herrn Bodmern nichts kommen laßen, daß er der Verfaßer der kriegerischen Stücke in den freymüthigen Nachrichten wäre.« (ebd. S. 299).
schreiben das Uz wider Wieland
Als Antwort auf Wielands Angriffe in dessen Empfindungen eines Christen ließ Uz im Sommer 1757 anonym das Schreiben des Verfassers der lyrischen Gedichte an einen Freund drucken.
Seine ode die Theodicée
[J. P. Uz], Lyrische und andere Gedichte, 1755, S. 157–164.
Rabner hat
Vgl. Brief letter-sb-1757-04-12.html.
Hirzel hat ihm
Hirzels Brief an Kleist vom 7. Januar 1758 (GhH, Hs. A 1392). Kleist antwortete Hirzel am 22. März 1758 aus Leipzig (Sauer (Hrsg.) Briefe von Kleist 1880, S. 483 f.).
Ruhm der Ulrichischen Bibel
Johann Caspar Ulrichs 1755–56 von ihm bearbeitete Bibelausgabe, die daher den Namen Ulrichbibel erhielt.
unbesonnener Charles XII
Vgl. Kommentar zu Brief letter-bs-1757-09-10.html.
dem Bildniß unsers Königs
Johann Georg Wille fertigte mehrere Kupferstiche nach Porträts des Königs Friedrich II. von Antoine Pesne an.
Mallets monuments de la Mythologie des Celtes
P. H. Mallet, Monumens de la mythologie et de la poésie des Celtes et particulierement des anciens Scandinaves, 1756.
Hexameter
Bei den erwähnten Hexametern (siehe Beilagen) handelt es sich um zwei Manuskripte mit dem Titel Vor der schlacht bey Planian und Die siege bey Roßbach und Breßlau 1757, die in Abschrift (»Copie«) von Bodmers Hand überliefert sind (ZB, Ms Bodmer 12a). Der Verfasser war wohl Bodmer selbst.
Andenken der Verdienste
J. R. Füssli, Das Andenken der Verdienste, 1758.
merkwürdigen Artikel
Siehe die Rezensionen der neuesten Schriften von Salomon Geßner, Klopstock, Zachariae, Meyer von Knonau, Schönaich, Lessing und Louis Racine. In: Freymüthige Nachrichten, St. 28, 13. Juli 1757, S. 218–220. – St. 29, 20. Juli 1757, S. 226 f. – St. 34, 24. August 1757, S. 268–271. – St. 36, 7. September 1757, S. 287 f. – St. 37, 14. September 1757, S. 290 f. – St. 38, 21. September 1757, S. 298 f. – St. 39, 28. September 1757, S. 307 f. – St. 40, 5. Oktober 1757, S. 314 f. – St. 42, 19. Oktober 1757, S. 330 f.
Thomson
Verschreibung Bodmers. Gemeint ist Lessings Miß Sara Sampson.
Erdichtetes schreiben Uzens
Johann Peter Uz’ unter dem Namen »Enipeus« publiziertes Erdichtetes Schreiben des Verfassers der Lyrischen Gedichte an einen seiner Freunde. In: Freymüthige Nachrichten, St. 7, 15. Februar 1758, S. 54–56. – St. 8, 22. Februar 1758, S. 60–63. Daraufhin erschien der Text Gewissenhafter Vorbericht zu dem erdichteten Schreiben des Verfassers der Lyrischen Gedichte und des Sieges des Liebesgottes an einen seiner Freunde. In: ebd., St. 9, 1. März 1758, S. 69 f.
Ursprung des Hasses
Anonym, Schreiben von dem Ursprung des Hasses gegen die Patriarchiaden. In: ebd., St. 10, 8. März 1758, S. 78–80. – St. 11, 15. März 1758, St. 86 f. Die Reaktion auf Uz' Schreiben stammt vermutlich von Bodmer und ist mit »Jolcas« unterzeichnet.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann