Schon lange, mein Verehrungswürdiger Vater, sehne ich mich nach einem ruhigen Tag um Ihnen über vieles umständlich zu schreiben. Aber noch hab ich diesen Tag nicht gefunden, und bin in der Nothwendigkeit diese beyden Briefe von Hartman nur mit wenigen Zeilen zu begleiten.
Seit einigen Wochen scheinet mein Kopf zu leiden, so gut meine Brust auch wieder hergestellt scheinet. In meinem Hause herrscht Unruh und Verwirung von Hizigen Krankheiten meiner Bedienten. Mein Gärtner, ein sehr ehrlicher und guter Schweizer aus Neftenbach, hat sich in der Hize des Fiebers ersäufft; das beständige jammern seiner Wittwe sezt mich in Verwirrung, und mein vertrauter Bedienter, der eigentlich mein kleines Haus ganz regieret und mich aller Sorge überhoben hatte, liegt krank in der Statt; ich aber bin auf dem Land, fast ohne alle Bedienung. Mitten in dieser Verwirrung sezet Reich und mein Buchdruker mir zu, daß die Theorie einmal geendiget werde. Es fehlen nur noch vier oder fünf Bogen daran. Es würde ein Wunderwerk vorgehen müßen, wenn diese lezen Bogen nicht alle Kennzeichen meiner gegenwärtigen verworrenen Lage zeigen sollten. Aber ich muß und will die Sache zu Ende bringen.
Daß ich Ihnen also nichts als dieses schreibe, werden sie leicht begreiffen. So bald ich allen diesen Unruhen entgangen bin, werde ich mich nach Herzenslust mit Ihnen unterhalten. Hr. Wegman sezet mich doch selbst durch seine unintereßirte Art zu denken in Verlegenheit. Ich habe ihm Müh und Kosten verursachet und nichts ist billiger, als daß mir der Wille gelaßen werde, mich meiner Schulden gegen ihn zu entladen. Das hat er durchaus nicht gewollt. Aber auch hievon ein ander mal umständlicher.
Seit vier Wochen gehe ich alle Wochen wieder einmal in die Statt um meine Lection zu halten und es geht damit gut. Den Winter werde ich vermuthlich alle meine Verrichtungen wieder thun können. Aber die liebste von allen wird seyn, Ihnen fleißig zu schreiben. Ich umarme Sie von ganzem Herzen.
JGSulzer
den 13 August 74.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.
Zwei Briefe von Gottlob David Hartmann.