Berlin den 26 Jenner 1765.
Mein theürester Freünd.
So wenig ich verlange, daß das Urtheil, welches ich über ihren Salomo gefällt habe unfehlbar sey, so sehr würde ich mich doch zu beklagen haben, wenn Sie daraus, daß mir die ganze Maschine vom Moloch anstößig ist, urtheilten, daß es aus Unglauben herkomme. Ich glaube zwahr wenig an die Teüfel, aber der Chemos in dem keüschen Joseph und der falsche Sacredo in der Colombona sind mir nicht anstößig. Ich kann auch gar nicht einsehen, wie Sie ihre Maschine mit dem Beyspiel der Pest in Oedipus rechtfertigen können, da dieses ein auf die Historie sich gründende Begebenheit, jenes aber eine wieder die Historische und Philosophische Wahrheit streitende Erdichtung ist, die der Poet zu seinem Behuf ausgedacht hat. Die Gründe, welche Sie für den Salomo anbringen sind Argumenta ad hominem; denn sie beweisen nur, daß der Plan ihres Stüks noch beßer sey, als der Klopstokische, und darauf hätte ich Lust Ihnen zu sagen, daß er sehr viel beßer als dieser seyn könnte, ohne gut zu seyn. Doch gestehe ich Ihnen, daß ich izt nicht Zeit habe mich in eine Untersuchung dieser Sache einzulaßen.
Füßli hält den Noah auf. Er hat mir die noch fehlende Zeichnungen noch nicht geschikt und ich weiß überhaupt seit dem Monat Julius gar nichts von ihm. Ich befürchte in deßen, daß ich nächstens wieder eine beträchtliche Rechnung seinethalber bekommen werde. Ich habe ihm im November geschrieben und noch keine Antwort erhalten.
Die Jfr. Meisterin scheinet sich nach und nach zu gewohnen. Sie hat eine Menge von Begriffen über Berlin, über mein Haus und über die Umstände darin sie kommen sollte mit gebracht, die mit der Wahrheit der Sachen nicht übereinstimten, und die ersten Monate hat sie genug zu arbeiten gehabt, diese wieder zu unterdrüken. Ich hoffe, daß der künftige Frühling, ihr den Rest des Heimwehes vertreiben werde. Es würde für mich und für meine Kinder sehr fatal seyn, wenn dieses Übel die Oberhand behalten sollte.
Ich habe es in die Wege gericht, daß es bey Wegelin von St. Gallen steht mein College zu werden. Mit der heütigen Post schreibe ich ihm die lezten Conditionen und erwarte, daß er sie annehme. Wir wollen aber die Sache nicht lautbar machen, bis sie ganz richtig ist.
Klopstok wird, meines Erachtens, mit seinen neüen Metris kein Glük haben. Ich liebe die Metra, welche der Enthusiasmus gebiehrt und die seinigen sind zuverläßig eines andern Ursprungs. – Ich habe Hrn. Rahn über das, was Sie mir geschrieben etwas geprüft. Er behauptete mir Heß wär seinem Genie und seiner Neigung gemäß beßer auf einer Dorff Canzel, als auf dem Academischen Catheder. Ich habe ihm dieses nicht wiederlegen wollen, weil ich nicht wußte, ob Sie es gerne sähen, wenn ich ihm merken ließe, daß jemand mir von dieser Sache gesprochen habe. Wenn Sie es verlangen, so will ich deütlicher mit ihm reden.
Wißen Sie wol, daß Montesquieu vor ihnen den Einfall des politischen Trauerspiels gehabt hat? Er hat ein Stük unter dem Titel Le Cardinal de Lorraine geschrieben, daß er aber nur seinen Freünden gegeben hat. Ich bin auf der Spuhr ein Exemplar zu bekommen, das einzige, das nach Deütschland gekommen ist. Ich werde seiner in der Vorrede zum Noah Erwähnung thun, und bey dieser Gelegenheit dem Weise eine höfliche Abfertigung über seine Critiken geben. Nächstens hievon ein mehreres. Dieses ist nur im Vorbeygang.
Ich verbleibe ganz der Ihrige
Sulzer.
Wir haben endlich vom König erhalten, daß er uns den Lambert in die Academie gegeben. Seine pension ist noch nicht ausgemacht, doch hoffe ich, daß sie wenigstens von 600 . seyn werde.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.
An Hrn. Profeßor Bodmer.
Siegelausriss. – Siegelreste.