Brief vom 15. September 1759, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 15. September 1759

Berlin den 15 Herbstmonat.

Es sind nun beynahe fünf Wochen, mein theürester Freünd, daß ich Ihnen von dem Ausgang der Schlacht bey Frankfurth Nachricht gegeben habe. Wenig Tage nachher, habe ich an unsern Freünd in Winterthur eine etwas umständliche Nachricht von dieser Begebenheit geschikt, und seit dem noch einmal, wo ich nicht irre an Sie geschrieben. Auf alle diese Briefe, ist noch keine Antwort eingelauffen. Jezo will ich Ihnen kürzlich melden, was sich seit dieser Zeit zugetragen hat.

Die Feinde sind in der Schlacht in den fünf Stunden, da wir über sie gesieget hatten so zugerichtet worden, daß sie seit derselben Zeit nichts haben unternehmen können. Sie blieben etliche Tage bey Frankfurth stehen, und der König sezte sich so, daß sie gegen diese Seite hin nichts unternehmen konnten. Sie verließen endlich Frankfurth und zogen sich nach der Lausiz zwischen Guben und Lieberose, wo sie noch stehen und sich immer mehr verschanzen.

Inzwischen war Daun mit seiner Armee auch bis in dieselbe Gegend gerükt und der Prinz Heinrich begleitete ihn zur Seite an den Schlesischen Gränzen und that ihm zu verschiedenen malen merklichen Abbruch. Es stuhnden also in der Niederlausiz Vier Armeen ganz nahe an einander, ohne daß etwas von Erheblichkeit vorgefallen ist. Von uns blieb in Sachsen nichts, als schwache Besazungen in Dreßden, Leipzig, Torgau und Wittenberg. Die ReichsArmee machte sich dieses zu Nuze und nahm erst Leipzig, hernach Torgau und endlich Wittenberg ein. Von allen Orten aber zogen unsre Besazungen frey mit dem ihrigen aus, und Dresden wurd von den Feinden bloquirt.

Da der König merkte, daß die Rußen nichts unternehmen konnten, schikte er den General Wunsch mit weniger Manschaft, zu welcher sich die Sächsischen Besazungen schlugen wieder nach Sachsen ab. Dieser nahm in wenig Tagen Wittenberg und Torgau wieder weg, und eilte Dreßden zu befreyen. Er kam aber zu späthe und erfuhr unterwegens, daß die dortige Besazung den 4 capitulirt und wie die andern freyen auszug mit allem, was dem König zugehört erhalten hatte. Er wandte sich wieder zurüke, schlug die ReichsArmee bey Torgau und eroberte ihr Lager mit Zeltern und Bagage, und ging von da auf Leipzig, wo er die feindliche Besazung gefangen bekam. Auf diese Art sind die drey Örter Leipzig, Wittenb. und Torgau wieder in unsern Händen, und nun stehen wir wieder vor Dreßden. Der General Wunsch, welcher noch eine ansehnliche Verstärkung bekommen hat, und nun mit dem Gen. Fink, der vom König noch zu ihm geschikt worden 16000 Man stark ist, auf einer Seite, und der Prinz Heinrich auf der andern. Dieser Prinz ist vor einigen Tagen, da er gemerkt hat, daß Daun seine Macht nach und nach gegen Dreßden zog, schnell dahin aufgebrochen, worauf Daun mit dem Rest seiner Armee sich auch wieder nach der Oberlausiz gewendet hat. Auf diese Art steht der König noch allein gegen die Rußen in der Niederlausiz. In der Gegend Dresden müßen in wenig Tagen wichtige Dinge vorfallen.

Der General Fouqué, welcher in der Gegend Landshut mit etwa 25 tausend Man gestanden und denen Generalen Harsch und Deville manchen Verlust verursachet hat, ist inzwischen wieder in Böhmen eingefallen. So stehen die Sachen gegenwärtig.

Unser gute Major von Kleist ist in der Schlacht bey Frankf. hart verwundet auf dem Schlachtfeld liegen geblieben, von da den andern Tag nach Frankf. gebracht worden und den 24 daselbst gestorben. Er hat sich sehr heldenmäßig aufgeführt und wegen seiner Tapferkeit großen Ruhm erworben, worüber er vergnügt gestorben ist. Die Schweden rüken ganz langsam nach der Ukermark, es versammelt sich aber hier ein kleines Corps, das sie wieder nach Strahlsund begleiten soll. Leben Sie wol mein theürer Freünd, grüßen Sie alle Freünde besonders den Philocles dem ich bald das versprochene schiken werde.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen II 1807, S. 253–255.

Anschrift

à Monsieur Bodmer. Membre du Grand-Conseil & Professeur tres celebré à Zurich.

Stellenkommentar

an unsern Freünd in Winterthur
Schreiben an Martin Künzli nicht ermittelt.
das versprochene
Porträt Friedrichs II. Vgl. dazu Kommentar zu Brief letter-sb-1759-07-00.html.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann