Brief von Juli 1759, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: Juli 1759

Mein theürester Freünd.

Ich schike an den Hrn. Director Schultheiß ein neües Portrait für Sie, dabey Sie, wie ich hoffe nichts verliehren werden, weil es eben so gut, als das erstere war. Vor ein paar Tagen habe ich die Medaille des Hrn. Moerikofers bekommen, welche ziemlich gut ist. Aber der Tropf hat sich von einem Goldschmid, der sich anmaßte die Phisionomie des Königs am besten zu kennen, bereden laßen etwas zu ändern und eben dadurch hat er die Ähnlichkeit etwas verdorben.

Heüte habe ich nicht Zeit einen langen Brief zu schreiben, weil ich noch sehr viel andere zu schreiben habe, da mein College Merian nach Basel reißt um die Frau von Maupertuis zu ihrem kranken Manne zu bringen. Bey dieser Gelegenheit schike ich Ihnen nun ihre Maria von Engelland wieder, und sage ihnen den verbindlichsten Dank für die gütige Mittheilung deßelben. Meine Gedanken darüber, werden sie seiner Zeit vermuthlich empfangen haben.

Wißen Sie schon daß Uz es für eine Betrügerey ausgiebt, daß der junge Cronek Ihnen sein Gedicht von der Einsamkeit habe überschiken laßen. Er sagt daß Krafft des Testaments er der wahre Erbe der Manuscripte des Verfaßers sey, und daß unter diesen die Einsamkeiten sich befinden wovon die in Zürich gedrukte zwey Gesänge nur ein kleines Fragment seyen. Er wird sich, wie es scheint trefflich hierüber lustig machen.

Nun hat Leßing den Dusch vorgenommen und in den Briefen über die Literatur ihn ohngefehr so traktirt, wie er mit Wieland verfahren war.

Kleists sämtliche Gedichte werden hier neü aufgelegt.

Diesen Sommer hat sich auf dem Schauplaz des Krieges noch nicht viel entscheidendes zugetragen. Der König hat an den Böhmischen Gränzen den Daun blos im Auge gehabt und ihn gehindert etwas zu thun. Seit wenig Tagen vernehmen wir von daher, daß dieser sich mit seiner Ganzen Armee weiter nach Böhmen hereingezogen habe. Der König ist noch immer in seiner alten Stellung, doch hat er ohngefehr 15 Tausend Man nach Böhmen hineingeschikt um zu sehen, wohin die Feinde sich ziehen werden. Es scheint daß der Alte Daun über die kaltsinnige Art, womit der König diesmal handelt sehr verlegen sey.

Briefe aus dem Reich berichten, daß der Pöbel in Wien einen Aufstand erregt und in der ersten Wuth an einigen Orten der Statt feüer angelegt habe. Wir hoffen aber auch ohne diese Hülffe mit unsern Feinden fertig zu werden. Hier hört man wol von einigen übelgesinnten adelichen Thoren bisweilen Murren, aber sonst ist niemand im Lande, der das geringste Misvergnügen spühren läßt. Die Armee des General Dohna steht nun würklich in Pohlen. Die Rußen haben sich bey Posen stark verschanzt, aber unsre Avant Garde ist ihnen schon im Rüken. In kurzer Zeit müßen dort entscheidende Dinge vorfallen. Unsre Armee ist wenigstens so stark daselbst, als die feindliche. Allein einigen Briefen zufolge, soll im Rußischen Lager eine anstekende Krankheit herrschen, die einer Pest nicht unähnlich seyn soll. Dieses soll eine große Menge wegraffen. Wollte Gott daß sie durch das Schwerdt der unsrigen fielen, damit nicht dieses Übel sich ausbreitete. Leben Sie wol mein theürester Freünd. Bleiben Sie mein Freünd, wie Sie bisher gewesen.

Sulzer.

Meine Empfehlung an alle Freünde.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen II 1807, S. 244 f. (Auszug).

Vermerke und Zusätze

Vermerk Bodmers am oberen rechten Rand der ersten Seite: »ce 7. Juillet 1759«. – Vermerk Bodmers am unteren Rand der letzten Seite: »Le portrait de roi coute 4 Ecus, il est extremement ressemblant, il faut avertir que le cristal ne doit pas toucher la peinture parce que cela fait un mauvais effet, il faut mettre un petit bord tout autour de la hauteur de l'epaisseur d'une carte àfin qu'il reste un petit espace vuide entre le cristal et la peinture.« Übers.: »Das Porträt des Königs kostet vier Taler, es ist außerordentlich lebensecht; man soll erwähnen, dass das Kristall das Gemälde nicht berühren darf, denn es macht eine schlechte Wirkung; man soll um das Bild herum einen kleinen Rand von der Höhe einer Kartenstärke auflegen, damit ein kleiner leerer Raum zwischen dem Kristall und dem Bild übrigbleibt.«

Stellenkommentar

ein neües Portrait für Sie
Sulzer hatte Bodmer die Kopie eines Porträts Friedrichs II., das von Knobelsdorff stammt und den König im Profil zeigt, übersandt. Vgl. Sulzer an Künzli, 5. Juni 1759: »Ich hatte schon durch den Hrn. Dir. Schultheiß erfahren, daß eine ungeschikte und verwünschte Hand das Bild des Königs verdorben, das unserem Bodmer so viel Vergnügen gemacht hatte. Ich habe nun wieder ein anderes, das eben so ist angeschaft; aber ich kann es der Post noch nicht anvertrauen. Die Briefe gehen durch Örter, wo die Reichsarmmee alles durchsucht, und es würde mich zu sehr ärgern, wenn ein solches Ding in unwürdige Hände fiele. [...] Es ist ganz natürlich, mein werthester Freünd, daß sie zwischen diesem Bilde und dem ihrigen wenig Ähnlichkeit sehen. Sein Gesicht sieht im Profil allemal ganz anders aus als in einer geraden Ansicht. Nur ein Maler kann die Ähnlichkeit in beiden entdeken. Ihr Bild ist ganz aus dem Kopf gemalt, weil man keines hatte, das nach dem Leben gemalt war; es hat also so viel Ähnlichkeit, als es auf diese weise haben konnte, und muß nothwendig unvollkommen seyn. Das lezte habe ich auf folgende Weise bekommen. Die Königin besizt ein Bild in Lebensgröße, welches merklich nach der Natur, aber vor 20 Jahren gemacht worden und damals sehr ähnlich war. Weil es im Profil ist, und also zu einer Medaille sich gut schiket, so wollte ich dem Medailleur Moerikofer in Bern eine Copey davon machen laßen. Die Königin erlaubte nicht nur, das daßelbe konnte copieren laßen, sondern Sie kam zu uns, als der Maler damit beschäftiget war, und rieth verschiedenes darin zu ändern um das Bild nach dem iezigen Alter des Königs ähnlich zu machen. Sie blieb auch so lange bey dem Maler, bis die völlige Ähnlichkeit erkannt wurde. Eben der Maler, der das ihrige gemacht hat, machte das neüe, und der ganze Hof fand es so gut, daß ich es für unsre Prinzen und Prinzeßinnen und mehr Personen über 20 mal habe copiren laßen.« (SWB, Ms BRH 512/73).
Medaille des Hrn. Moerikofers
Sulzer erhielt die Medaille über Wolfgang Dietrich Sulzer. Vgl. dessen Brief an Sulzer vom 25. Juni 1759. Abgedr. in: Sulzer Briefe 1866, S. 23.
Uz es für eine Betrügerey
Zur Beziehung zwischen Uz und Cronegk und dessen testamentarischen Verfügungen auf dem Totenbett, zu denen gehörte, dass nur Uz ein Gedicht auf seinen Tod anfertigen dürfe, vgl. Rohmer Uz und sein Freundeskreis in Ansbach 2005, 319–322. Sulzer erhielt die Informationen vermutlich in einem nicht überlieferten Schreiben von Gleim.
Leßing den Dusch vorgenommen
Ueber des Herrn Dusch Schilderungen aus dem Reiche der Natur und der Sitten, 41. Brief der Briefe, die neueste Litteratur betreffend (24. Mai 1759, in: Bd. 2, S. 319–349 u. S. 371–382).

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann