Brief vom 18. Januar 1757, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 18. Januar 1757

Mein Herr und werthester Freünd.

Ich eile umso mehr auf ihr leztes Schreiben zu antworten, weil viel daran gelegen ist, daß Sie noch zu rechter Zeit ihren Hrn. Schwager vor dem Fabricanten Schwarz allhier warnen. Ich kenne ihn zwahr selber nicht. Aber sehr zuverläßige Nachrichten, die ich eingezogen habe malen ihn, als einen in seinen Geschäfften verdorbenen und seinem Charakter nach betrügerischen Mann, ab, von dem man kein anvertrautes Geld zurük erwarten kann. Es ist also gut, daß Sie die Vorsichtigkeit gehabt, mir dieserhalb zu schreiben. Nun von andern Dingen.

Ich habe hier nur neün Subscriptionen bis dato zusamen gebracht und von dem Verkaufften noch gar keine Nachricht eingezogen. Ich werde vor Ostern sowol die Rechnung, als den Bestand an Hrn. Orell übermachen. Daß wenig Exemplare verkaufft werden komt daher, weil alle Buchladen davon voll sind, die sie lange vor mir gehabt. Hr. Gleim hat mir endlich geschrieben und scheinet sehr eyfrig für diese Sache zu seyn. Voß hat die beyden bewußten Schrifften gar nicht aus Gefälligkeit für Sie, sondern aus dem Wahn verworffen, daß man die Höflichkeit der Critik vorziehen soll. Ich will Sie an Hrn. Zachariä befordern.

Das Closter Heilsbron liegt in Franken und ist also nicht die Schwäbische Statt Heilbrunn. Ich werde Ihnen mit erster Gelegenheit das nöthige von den Manuscripten der hiesigen Königl. Bibliothec schiken.

Es ist doch besonders, daß ein Frühling von Hrn. Wieland in der offenbaren Welt ist, von dem hier Niemand was gesehen hat. Es ist also sehr gut, daß eine neüe Auflage davon veranstalltet wird. Ich bin Ihnen für ihren so reichlichen Beytrag zu meinem Werk ungemein verbunden, auch Hrn. Wieland. Weil ich mir ein Gesez gemacht habe die Freünde zu nennen, welche Urheber von ganzen Artikeln sind, so nehmen Sie die Vorsichtigkeit mir zu sagen, ob Artikel darunter sind, bey denen ihr Name nicht stehen soll.

Ich bin noch nicht über die Musik weg, welche mir um so viel mehr Mühe macht, weil noch gar wenig gründliches davon geschrieben ist. Ich muß die Critik derselben beynahe erschaffen. Je weiter ich komme, je mehr Arbeit sehe ich vor mir, aber der Muth wächst mit der Arbeit. Meine erste Absicht war etwas mittelmäßiges für nicht alzugründliche Liebhaber zu schreiben, aber jezo fange ich schon an zu glauben, daß ich ein Werk machen werde, das den besten Kennern dienen kann.

Der Verlust eines so rechtschaffenen Theologen muß ihrer Statt um so viel empfindlicher seyn, je weniger sein Nachfolger ein Theologe ist oder werden kann. Ich hätte eine unpartheyschere Wahl erwartet.

Es freüet mich, daß ihre Mitbürger so gut preüßisch gesinnet sind. Sie nehmen sich gewiß einer guten Sache an. Unser Monarch ist hier gewesen. Sein Gesicht und sein ganzes Betragen verkündigen Zuversicht und einen Ehrenvollen Ausgang der Sache. Wir haben die Rußen gewiß gegen uns, aber wir fürchten sie gar nicht. Ihr standhaftes Stehen in der Schlacht ist dem Wunsch unsrer Armee gemäßer, als das Lauffen der Oesterreicher. Die Armee des Königs wird um den vierten Theil verstärkt und ganz zuverläßig über 200.000 Mann seyn. Wenn Gott das Leben und die Gesundheit dieses Helden erhält, so werden seine Feinde häßlich zu Schanden werden.

Kleist scheinet mehr den Apollo, als den Mars zum Patron zu haben. Sein Helden Muth kann keine Gelegenheit finden. Die Feinde fliehen überall, ehe er sie schlagen kann. Er war bis den 29 December mit seiner Manschafft auf dem Posten, auf welchem sein Nachfolger der Major v. Blumenthal, den 31 sich hat überfallen und todtschießen laßen.

Mit England stehen wir fürtrefflich wol. Es gefällt der Nation, daß ein deütscher Fürst mit Ihnen verbunden seyn, und auch zum theil für ihren Vortheil auf seine eigene Umkosten Kriege führen will. Der König hat die ihm angebotene Subsiden verbeten, so lange Er selbst noch Geld haben würde. Dieses ist zuverläßig, aber sehr wenig bekannt. Denn hier selbst stehen viele in dem Wahn, der König ziehe subsidien.

Die Sachsen sind bey allem diesem am meisten zu beklagen. Die Last einer Armee liegt auf Ihnen. Der ehrliche Hr. v. Hagedorn in Dreßden und auch Rabner sind mit in das allgemeine Unglük der Königl. Bedienten verwikelt, und haben ihre Pensionen verlohren.

Was wird noch aus Frankreich werden? Es scheinet bald, als wenn jezo die innerliche Kriege da anfangen, wo sie ehedem aufgehört haben.

Was macht ihr Nachbar Hr. Escher. Er scheinet nun Berlin ganz vergeßen zu haben.

Empfehlen Sie mich ihren Freünden Hrn. Breitinger, Wieland p.

Ich bin von ganzem Herzen der ihrige

Sulzer

Berlin 18 Jan. 57.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 358 (Auszug).

Vermerke und Zusätze

Vermerk Bodmers auf der letzten Seite: »NB. Daß er für Hr. Sal. Geßners Hagedorns pourtrait durch Hempel mit ölfarben copieren lasse, 3 viertheil Ellen lang das stük/ Muntern nachzufragen.«

Eigenhändige Korrekturen

beynahe erschaffen
beynahe neü erschaffen

Stellenkommentar

Gleim hat mir endlich geschrieben
Nicht ermittelt.
Urheber von ganzen Artikeln
Dieses Vorhaben wurde von Sulzer aufgegeben. In der AT sind die Autoren der einzelnen Artikel nicht nachgewiesen.
der Major v. Blumenthal
Heinrich Georg von Blumenthal wurde in der Nacht vom 31. Dezember 1756 auf den 1. Januar 1757 bei einem Angriff der Österreicher auf die preußischen Posten bei Ostritz getötet. Vgl. dazu auch Kleists Brief an Gleim, 5. Januar 1757 (Sauer (Hrsg.) Briefe von Kleist 1880, S. 364). Kleist verfasste eine Grabschrift auf den Major von Blumenthal. 1757. Januar.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann