Brief vom 20. September 1751, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Ort: Berlin
Datum: 20. September 1751

Mein werthester Herr und Freünd.

Es ist mir als wenn mir alle Freünde gestorben wären seit dem Sie aufgehört haben mir zuschreiben. Sie haben sich doch der Welt noch nicht entzogen und sich so in ihr Cabinet eingeschloßen, daß Sie auch nicht einmal Briefe heraus gehen laßen? Mich verlangt so sehr nach einem Brief von Ihnen, als einen unglüklichen Liebhaber nach Nachricht von dem Aufenthalt seiner Geliebten. Hr. Schmidt Klopstoks Freünd hält sich jezo hier auf, und rühmt, daß es dem Poeten in Dennemark wolgehe. An dem hiesigen Hofe will man wißen, daß der König von Dennemark nur aus Caprice einen deütschen Dichter ehret, deßen Lied ihm seinem Inhalt nach sehr wenig am Herzen liegt.

Man plagt mich von allen orten her, ich soll den Noah druken laßen, ich sage, daß er Ihnen zugehöre und daß meine abschrifft sehr unvollkommen sey. Aber wann werden Sie denn die vollkommnere der Preße übergeben? Ich hoffe doch auf die Meße, es sey geschrieben oder gedrukt, etwas neües davon zusehen.

Ebert Übersezung des Young hat bey ihren großen Schönheiten grobe Fehler. Ich habe einige angemerkt, die ich ihm anzeigen werde.

Jezo denke ich an nichts, als an bauen. Der König hat mir ein fürtreffliches Stük Land mitten in der Statt, geschenkt, da ich ein Haus bauen will. Ich werde dabey des Epicurus Garten wieder Herstellen, und Mitten in der Statt zwischen zwey Flüßen und nur ein paar Steinwürffe weit von dem Königl. Schloß ein Landgut haben. Dieses Geschäfft benihmt mir jezo alle aufmerksamkeit für andre Sachen. Daher ich jezo so kurz seyn muß. Es ist mir genug, daß ich Sie erinnert habe, wie sehr lange es ist, seit dem ich den lezten Brief von Ihnen erhalten habe.

Ich verharre

Meines werthesten Hrn. und Fr. ergebenster Dr.
Sulzer

Berlin den 20 Sept. 1751.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – E: Körte 1804, S. 159 f. (Auszug).

Eigenhändige Korrekturen

als einen unglüklichen Liebhaber
als einen ⌈unglüklichen⌉ Liebhaber
ein fürtreffliches
einen fürtreffliches

Stellenkommentar

Hr. Schmidt
Johann Christoph Schmidt. Zu den verschiedenen Zusammentreffen zwischen Sulzer und Schmidt in Berlin vgl. Schmidts Briefe an Gleim vom 7., 10., 18. und 30. Oktober 1751. Im Brief vom 7. Oktober heißt es: »Warum solte mir Sultzer nicht gefallen haben? Ich habe ihn nur auf einen einzigen halben Tag gesprochen, wo er sich, nach Ramlers Anmerkungen selbst übertroffen hat. Die Ursache, warum ich ihn seit dem nicht wieder gesehen habe, ist die Unpäßlichkeit seines Mädchens, die seit vierzehn Tagen sehr gefährlich krank gewesen ist.« Im Schreiben vom 30. Oktober spricht Schmidt nochmals von der »Mad. Sultzern [...] eine allerliebste Frau«. (GhH, Hs. A 3602–3605).
Übersezung des Young
Johann Arnold Eberts Klagen, oder Nachtgedanken [...] von Dr. Eduard Young erschienen 1751.
ein Landgut haben
Sulzers Grundstück befand sich auf dem damaligen Gelände des Neuen Packhofs in Nachbarschaft des Orangeriehauses, auf dem heutigen Gebiet der Museumsinsel. Dort, wo heute der an die Alte Nationalgalerie grenzende Kolonnadenhof aus der Zeit Friedrich Wilhelms IV. steht, fanden auch Sulzers zahlreiche gartenbauliche Aktivitäten ihren Anfang. Vgl. Kittelmann Botanisches und gartenbauliches Wissen in Sulzers (Brief-)Werk 2018.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann