Brief vom 18. Mai 1747, von Sulzer, J. G. an Bodmer, J. J.

Datum: 18. Mai 1747

Mein Herr und werthgeschäzter Freünd.

Ich bin diesen Nachmittag von Leipzig wieder hieher zurük gekommen, und muß noch diesen Abend davor sorgen, daß der junge Hr. Heß Morgen früh wegreisen kann. Also bleibt mir fast gar keine Zeit zum Schreiben übrig. Ich will also nur das nöthigste sagen.

Hr. Lange hat mir die neüen Erzählungen und die übersezung der Horaz. Oden geschikt, und er hat es ohne Zweifel auf dero Ordre gethan, wofür ich sehr oblig. bin. Der Pygmalion und Elise haben mich ungemein ergezt. Ich werde sie mit ihrer Erlaubniß seiner Zeit auch dem Mädchen Fr. ein verleiben. Ich gedenke diesen Sommer eine freye übersezung des E. Tatii de Clitoph. et Leucippe amor. zu machen, worin die Liebe ohngefehr eben so aussehen soll, wie in dem Pygmalion.

Mit dieser Wochenschrifft kann es nicht anders, als langsam gehen, weil ein einziger, dabey noch etwas träger Mensch daran arbeitet. Dieser bin ich. Jezo hoffe ich aber den Hrn. Gärtner, Ebert p. zu mitarbeitern zu bekommen. Ich habe Hrn. Gärtner nicht mehr in Leipzig angetroffen. Er ist seit wenigen Wochen in Braunschweig, als Gouverneur eines jungen Grafen. Hingegen habe mit Hrn. Ebert, Räbner, u. Giseke, der drey fürnehmsten Verfaßer der Bremischen Beyträgen Bekanntschafft gemacht. Der Plan des Mädchenfr. gefällt ihnen sehr wol und wir werden nun weiter sehen, was zu thun ist.

Ich habe auch Hrn. Fuchs den berühmten Bauren Sohn gesprochen. Ohne Zweifel hat der Hr. v. Hagedorn Ihnen die ganze Historie dieses Menschen geschrieben. Ich finde sehr viel liebenswürdiges in seinem Charakter, und habe das Zutrauen, daß er auch durch ein noch größeres Glük nicht wird verdorben werden. Bemeldte Hrn. haben mir alle aufgetragen, Sie mein Hr. und den Hrn. C. Breytinger ihrer großen Hochachtung zu versichern.

Ich habe auch den Hrn. Pr. Meyer nun persönlich kennen gelernt. Er hat mir in der ersten Unterredung ein besonder freündschaftliches und redliches Herz sehen laßen.

Ich habe an Hrn. Waser ein paar Abschnitte meiner Phil. Unterredungen geschikt, mit Bitte, sie Ihnen zur Beurtheilung zu überschiken. Ich beschweere Sie, mein Herr, mir diesen Dienst nicht abzuschlagen und ihre Meinung, so wol von dem Plan überhaupt, als von der ausführung, der Schreibart, der Wahl der Nebenumstände, ganz offenherzig zu eröffnen. Es ist noch Zeit alles beßer zu machen.

Von Hr. Orell habe Lauffers Helv. Geschichte erhalten und werde es à bon compte notiren. Ich bin Ihnen für die richtige Bestellung sehr verbunden.

Sie werden aus Hr. M. Langens Brief sehen, daß er sich von seiner Bekanntsch. mit dem G. v. Stille, göldene Berge verspricht, mir kömmt die Sache nicht so sehr groß vor. Er ist zwahr einer der ersten Lieblinge des Königs. Doch glaube ich noch nicht, daß dieses weder Hr. Langen noch dem Geschmak überhaupt viel helffen wird.

Haben sie niemand bey Ihnen, der im Stande wäre den Theocritus in deütsche Verse zu übersezen? Ich möchte gar zu gerne einige Stüke davon zu dem Mädchenfreünd haben. Es soll nichts von dieser Schrifft unter die Preße, bis ein ganzes Jahr Vorrath vorhanden ist.

Dieses ist alles, was ich für diesmal in Eil zuschreiben hatte. Ich empfehle mich, dero fortdaur. Gewogenheit, und ersuche Sie mich auch dem Hrn. C. Breitinger bestens zu empfehlen. Übrigens verharre

Meines Herrn u. werthg. Freündes
gehors. ergebenster
Dr. Sulzer

Magdeb. den 18 May 47.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 347 (Auszug).

Stellenkommentar

der junge Hr. Heß
Nicht ermittelt. Vielleicht Hans Kaspar Hess. Vgl. Kommentar zu Brief letter-bs-1746-06-19.html.
freye übersezung
Bei der Geschichte von Leukippe und Kleitophon handelt es sich um den einzigen überlieferten Liebesroman des griechischen Dichters Achilles Tatius. Dass Sulzer die Übersetzung tatsächlich anfertigte, ist unwahrscheinlich. Überliefert ist sie nicht.
Gouverneur eines jungen Grafen
Karl Christian Gärtner verließ Leipzig schon 1745 und war fortan Hofmeister der beiden jungen Grafen Carl Heinrich und Albert Heinrich von Schönburg-Wechselburg. 1748 erhielt er am Braunschweiger Collegium Carolinum eine Professur für Redekunst und Sittenlehre.
Räbner
Gottlieb Wilhelm Rabener.
Fuchs den berühmten Bauren Sohn
Der aus Luppersdorf im Erzgebirge stammende Bauernsohn Gottlieb Fuchs fühlte sich zur Poesie hingezogen und war von Freiberg nach Leipzig gewandert, um dort studieren zu können. Gottsched setzte sich für ihn ein und veröffentlichte 1747 Fuchs' Gedanken eines sinnreichen Bauern-Sohnes auf seiner Reise nach Leipzig mit der Absicht, einen Förderer für ihn zu finden. In Leipzig wurde Karl Christian Gärtner auf ihn aufmerksam, der ihn Hagedorn empfahl, dem es schließlich mithilfe von Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem gelang, die finanziellen Mittel für ein Studium in Braunschweig aufzubringen. 1770 publizierte Fuchs, der mittlerweile Prediger in Taubenheim war, die Gedichte Eines Ehemals in Leipzig Studirenden Bauers-Sohn, wo er in dem Traumgedicht auf Hagedorns Tod seinem einstigen Gönner und Förderer seinen Dank aussprach.
Historie dieses Menschen geschrieben
In einem in zeitlicher Nähe zu Sulzers Schreiben entstandenen Brief vom 12. April 1747 berichtet Hagedorn von einem »junge[n] Dichter in Leipzig, Klopstock«, der an »einem gantz grossen und homerischen Gedichte vom Messias arbeitet« (Hagedorn Briefe 1997, Bd. 1, S. 204). Fuchs wird hingegen schon einige Monate früher in einem Schreiben vom 21. Dezember 1746 erwähnt. Hagedorn übersandte Bodmer dabei auch ein Gedicht von Fuchs. (Hagedorn Briefe 1997, Bd. 1, S. 185).
Langens Brief sehen
S. G. Langes Brief an Bodmer vom 11. Mai 1747 mit einer Kopie eines Schreibens des Generals Christoph Ludwig von Stille vom 10. Mai 1747 (ZB, Ms Bodmer 4.2). In dem Schreiben von Stilles heißt es u. a.: »Die verschiedene Schrifften gegen den Germanischen Aristarchum [Gottsched] haben mir viel Vergnügen bereitet. Die Critique der Iphigenie ist gegründet und recht witzig.« Lange ließ von Stille auch ein Exemplar von Bodmers Opitz-Ausgabe zukommen (Brief vom 11. Mai 1747). Er erhoffte sich von dem literarisch interessierten von Stille, der zu den Günstlingen Friedrichs II. gehörte und auch mit Gleim und Kleist Kontakt pflegte, Einfluss auf den König. Von Stille, der den König über die anakreontische und hallische Dichterschule auf dem Laufenden hielt, war zudem zeitweilig Mitarbeiter an Langes Zeitschrift Der Gesellige. Vgl. Langes Brief an Bodmer vom 22. April 1747, wo er von Stille »einen großen Einfluss auf das Gemüth des Königs« zusprach. Weiter heißt es: »Er kan zwar die Reime noch nicht verleugnen, aber ich habe schon viel gutes bei ihm ausgerichtet, und ihm die Schweitzerischen critischen Schrifften alle übersenden müssen.« Vgl. zu von Stille auch Kunisch Friedrich der Große 2012, S. 78.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann