Mein Herr und werthester Freünd.
Endlich ist mein Verlangen die Sammlung ihrer Gedichte zu sehen zu meinem größten Vergnügen erfüllt worden. Ich bin ihnen mehr für dies angenehme Geschenk verbunden, als ich es sagen kann. Ich hoffe, daß es diesen Gedichten gehen wird wie den Hallerischen, daß allemal bey einer jeden neüen Auflage neüe Stüke dazu kommen werden. Der Herausgeber hat eine schöne Probe seiner Geschiklichkeit so wol durch die Vorrede, als durch die Anmerkungen abgeleget. Die Schweiz wird einen Kunstrichter an ihm haben, der seinen fürtrefflichen Meistern Ehre bringen wird. Ich habe indeßen in dem Stük der eheliche Dank eine Paßage angetroffen die mich über allemaßen charmirt hat und die meines Erachtens eine Anmerkung verdienet hätte um den Ausländern ihre Schönheit so fühlbar zu machen. Diese Stelle ist diejenige, da sie sagen daß die beyden Herzen sich so in einander gegoßen, wie Lind und Mag. Das Gleichniß wäre von allen andern Flüßen, die sich in einen Strohm vereinigen nicht so lebhafft als da, wo aus beyden Namen auch einer wird. Denn dieses dünkt mich der Sache einen sehr großen Nachdruk zu geben. Wie fürtreffllich ist doch die Ode an Hrn. Dr. Zellweger? Denn diesen verstehe ich unter dem Namen Philocles. Sie hat eine ungemeine Begierde bey mir erwekt mehr Oden von Ihnen zu sehen. Mich dünkt die Schweiz sollte vor andern Ländern geschikt seyn Oden Dichter hervorzubringen.
Die Exemplare habe ich mit den freym. Nachrichten gleich an gehörige Örter bestellt. Das Schäffer Spiel Cimon habe an Hr. Gleim geschikt, wenn er die Ausarbeitung nicht will über sich nehmen, so soll es der Hr. v. Kleist thun, den ich für sehr geschikt dazu halte. Dieses Stük hat mir ungemein wol gefallen und dünket mich, einige Stellen ausgenommen vollkommen in dem Geschmak der Alten geschrieben zu seyn. Doch muß ich ihnen sagen, daß mir ein kleiner Zweifel wieder den Beschluß der Handlung eingefallen ist. Was wird endlich aus der Armen Ißmene? Hat nicht die Handlung so lange sollen fortgesezt werden bis man gesehen daß sie ihren Endzwek erhalten oder verfehlt hat? Und was ist endlich aus dem Cimon geworden? Mich dünkt es ist nur der Anfang des denouement dem das Ende fehlt? Doch Sie verstehen diese Sachen beßer als ich. Deßwegen unterstehe ich mich nicht das Stük eines Fehlers zu beschuldigen. Indeßen wäre dieses freylich ein sehr schönes Stük in den Mädchenfr. wie der Pygmalion. Ich empfehle Ihnen diese Wochenschrifft auf das beste. Ich arbeite nun daran und die Fr. P. Langin hilfft mir.
Zu Verfertigung eines Trauerspiels von dem Fall Adams halte ich den Hr. v. Kleist weit tüchtiger als Hr. Langen, der seine Einbildungs Krafft sehr schweer von der Außschweiffung zurükhalten kann. Ich habe ihm aber ehe Sie was schrieben auch schon davon gesagt. Er würde fürtreffliche Stellen machen die der andre würde brauchen können. Ich werde also diese arbeit beyden recommendiren. Hr. Lange hat mir die Critic seiner Oden noch nicht geschikt. Ich glaube nicht, daß er die Miene darüber macht. Denn ich bin ihnen mit meiner Critic, darin ich ihm nicht geschonet habe zu vorgekommen. Der Hr. P. Meyer hat das Unglük gehabt den Arm zu brechen.
Wie ich höre, so ist Hr. Gottsched mit Schwaben zerfallen. Die Leipziger können nicht genug sagen, wie sehr sein Ansehen gefallen ist, sodaß man es schon für eine Schande hält bey ihm Collegia zu hören. Er hat bey dem Durchgang der Dauphine eine sehr wäßrige und zum Theil lächerliche Cantate gemacht, darin er den Hymen mit einem PostHorn an einem gestikten Band hängend einführet.
Hr. Lange ist in einem Theolog. Journal seiner Psalmen wegen hart angegriffen worden. Hr. Meyer hat ihm gerathen eine Gegen Critic zu machen, welches ich ihm aber abgerathen habe.
Was werden Sie sagen mein werthester Herr und Freünd, daß ich mich habe bereden laßen meine Abreise nach der Schweiz noch um ein Jahr aufzuschieben? Ich habe Hrn. Bachman so viel Obligation, daß ich es ihm nicht habe abschlagen dürffen. Hr. Waser schreibt mir, daß es noch ungewiß, ob die jungen Hrn. Landolt werden künfftiges Frühejahr nach Berlin gehen. Also finde nicht nöthig deßwegen an Hrn. Eüler etwas zu schreiben, bis ich eine Gewißheit habe.
Ich habe weiter keine Neüheiten zu berichten. Ich empfehle mich dero fortdaurenden Gewogenheit und verharre
Mein Herr und werthester Freünd.
Ihr ergebenster Diener
JGSulzer.
Magdeb. den 29 Jan. 47.
P. S. Därff ich Sie ersuchen den Hr. Orell in meinem Namen zu bitten, daß er mir auf die Ostermeße 1 Exemplar von Lauffers Historie mit den Beyträgen überschikt?
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.
à Monsieur Le Professeur Bodmer p. à Zurich
Siegelausriss. – Siegelreste.