an Hn Sulzer den 22sten Sept. 1775
Sehn sie, m. liebster Sulzer, welche lebhaftigkeit meine phantasie in diesem frost des Alters hat, ich reise mit ihnen, ich size mit Ihnen vor Haller, Tissot, Saussure, ich wandle mit Ihnen in den gefilden, wo Daniel Arnault, Folquet, gewandelt haben; ich ziehe mit ihnen die luft, welche Faidits, Bornels Lieder durchsäuselt haben. Montferrat hat provenzalische dichter gehabt; aber sind bey ihren nachkommen so vergessen, wie von uns Hadloub und Eschilbach; wie wir beyde, der Verf. der theorie und der Dichter der Kodida von unsern Kindern und Zöglingen werden vergessen werden. Die Herder und Göthen nehmen schon izo unsern plaz ein. Zürch wird ein pandämonium nicht schöner Geister werden. Dr. Zimmermann hat es in einer Gazette vom Dreyfuß geweissagt.
Ich denke dieses mit der gelassenheit, mit welcher ich meinen leiblichen tod denke. Da ich selbst sterbe, so mögen meine schriften aufhören zu leben.
Aber ich will diesen Winter meine lebensgeister beysammen halten, daß ich künftigen Sommer Sie mit diesen meinen Armen von fleisch und blut umarmen könne.
Mögen die gewürzten Lüfte der Provenze und des Montferrat sie mit licht und leben anhauchen, daß ich dann den muntern, starken, gesunden Mann umarme, der Sie waren, der sie waren, als ich sie vor einigen Jahren sahe, und sie immer vor meinem Gedanken habe. Kommen Sie aus Nizza zurük, wie Ulysses aus dem Bade in die Arme seiner Penelope, δεμας ἀθανατοισιν ὀμοιος.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 20.12. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.