den 27sten Nov. 62
Mein theuerster.
Hier sind die verlangten drey Werke, befehlen sie; wenn sie noch andere nöthig haben. Bey dieser gelegenheit muß ich sie bitten, unserm Hr. diacon Waser zu sagen daß er die vier lettres Browns gegen Dalembert und Voltaire unserm H. Chorh. wider zustelle, es sind mehr leute hier, die sie gern lesen wollten.
Hiesige rechtschaffene leute sind sehr übel mit formeis Antiemile zufrieden. Sie sehen ihn für einen bösen mann an, deßen herz noch schlimmer ist als der kopf. Doch sind hier auch dummköpfe, die ihm recht geben.
Rousseaux schriften sind pierres d’achoppemens, an welche noch viel dummköpfe und halbgelehrte anstoßen werden. Professor Wernet machet auch Observationen die gegen Rousseau gehen, wiewol er nicht geradezu verkündiget, daß er wider ihn schreibt, und ihm darum nicht fluchet. Rousseau schreibt izt an seinem leben.
Haller hat mir die neunte auflage seiner gedichte geschenkt. Sie ist nicht prächtig noch schön. Nichts neues; und die lesarten der erstern Editionen meist von keiner Wichtigkeit. Er hat die stelle, in der er den socrates, für einen paederast giebt mit unter die verworfenen gesezt und dabey doch sich erklärt daß er sie für allzu wolgegründet halte. Ich kann mich nicht enthalten zu entdeken daß wenig Poesie in disen Gedichten ist, und am wenigsten in den satyren. Ich weiß wol daß diese pedestri sermoni nahe kommen müßen. Aber Juvenal und Horaz haben doch in ihre satyren mehr poesie gebracht.
Wieland will ein programma publiciren, er wolle alle jahre 30–40 Bogen aus Xenophon, Plato, Euripides, Chrysostomus übersezt liefern; wenn sich 3–400. von seinen gönnern verbindlich machen daß sie das Werk à 1⁄2 Reichsthlr bezahlen wollen. Sie müßen sich verbinden, daß sie so lang mit kaufen fortfahren wollen als lange er schreibt. Es scheint er wollte sich gern ein kleines Einkommen verschaffen. Das Gerücht geht er sey von seinen charges erlaßen worden.
Die Englische Übersezung von Abel ist Geßnern zugekommen die Frau heißt Colie so sie übersezt hat; eine Wittwe mit vielen kindern, die sie damit subleviren wollte. Sie sagt dieses in der dedication an die königin deutlich genug. Izt will sie die Messiade übersezen. Der monthly Review ist auch hier, in welchem der Abel ein bißchen heruntergesezt wird. Es sind kunstrichter wie die Weissen und Nicolai.
Geßner hat hier von einigen meiner freunde starke Verweise hören müßen, daß er mit Gerstenbergen, Weissen partey macht. Aber er würde dem stärksten dummkopf eine Reverenz für ein lob machen. [→]Diderot puzt izt seinen (Geßners) schäferischen Prinz aus, daß er würdiger werde, dem parisischen parterre gezeigt zu werden.
Mirabeau hat an den Übersezer des philosophe laboureur ein großes Eloge von Kleinjock geschrieben, welches den doctor ganz mit sich zufrieden gemacht hat, und mit den franzosen. Mirabeau hat in Auvergne die desendenten von einem Kleinjok entdekt, der vor 200 jahren gelebt hat, die alle nach seinen maximen leben und sich dabey wol befinden. Er wird uns eine beschreibung davon geben. D. Kleinjok ist auf allen pulten von paris.
Wenn ich mir nicht bedenken machete sie von ihren ästhetischen speculationen abzuziehen so wollte ich sie fragen ob es eine richtige Regel juris civilis sey, [→]que nul n’est tenu aux engagemens pris avec luy même; et que par consequent le souverain peut enfreindre toute loi qu’il sest imposé lui meme.
Ich denke man werde bey ihnen izt nachsinnen ob ein Hospital eine todte hand sey; und ob es verboten sey nicht nur Juridictionen sondern auch possessionen in todte hand zu verkaufen. Ich will sie aber mit meinen schreibereyen nicht überladen.
Ich umarme sie.
Bo.
Es sind zween sehr wol denkende junge geistliche hier, einer Hr. Dr. Lavaters beym Waldreis sohn, der andere des neulich verstorbenen Amtmann Heßen sohn, hiermit mein petit neveu. Beyde wünschten, daß Hr. professor ihnen erlaubt künftig mit Ihnen die Reise nach Berlin zu machen. Sie sind große bewunderer von Spalding, und haben hauptsächlich ihm zum Augenmerck ihrer Reise. Sie hoffen dadurch H. professor vermittelung zu erhalten, [→]daß Hr. Spalding ihnen vergönnet, wo es nicht in seinem hause seyn kann, doch in seiner nachbarschaft, so nahe als es möglich ist, einige Monathe zuzubringen, und von seinem Umgang zu profitiren. Ich darf ihnen wol bürge davon seyn, daß Hr. Spalding sie lieben und ihnen sein herz geben müße. Wenn Hr. professor bald wieder zu uns kömmt, so werden sie sich alle mühe geben, von ihm zu erhalten, daß er sie mit sich nehme, und ihnen den zutritt bey H. Spalding verschaffe.
Vergeßen sie wol nicht H. diacon Waser an die quatre lettres de Brown zu erinnern.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b.
Von Sulzer aus der Zürcher Stadtbibliothek erbetene Bücher.