Mein werthester Hr. professor.
Mein Hr. Schwager Felix Orell ist durch dasigen fabricant Schwarz in ein zweifelhaftes Impegno gesetzet. Sie werden den ganzen handel und zustand dieser Sache am deutlichsten aus hierbeygelegtem briefe an besagten Hrn. Schwarz ersehen. Zu diesem Ende hat man ihn unter dem cachet volant gelassen. Nach durchlesung und verpetschierung belieben sie den brief an disen Mann zu bestellen. Es ist hauptsächlich um die Bezahlung beigefügten Wechselbriefes zu thun. Mein Hr. schwager weiß mit mir gar wol, daß dieses nicht geschäfte sind, womit man sie beschweren sollte: da er aber keinen correspondenten in Berlin hat, so ersuchen wir beyde inständig daß sie nun die mühe über sich nehmen, und einem von ihren bekannten, redlichen, berliner Kaufleuten auftragen, im fall der Wechselbrief Ihnen nicht bezahlt würde, costige Rechte wider Hrn. Schwarz ohne Verständniß zu gebrauchen. Zu dem Ende lieget hierbey eine Carte blanche oder procura. Er (mein Hr. Schwager) versichert durch mich, daß er den Erfolg ohne ausnahme genehm halten, und darüber ergehende Kosten mit gehorsamem dank erstatten werde.
Zugleich kommen hiermit nebst erstem Protest drey Briefe von Hr. Schwarzen, in welchen Meines Hrn. schwagers Foderung von Reichsthlr. 1569: 4. von dem Debitor selbst agnoscirt, und angetragen wird, die Zahlung nicht in Berlin sondern in Leipzig auf ihn zu entnehmen.
Ich bitte nochmals mein werthester Hr. wollen uns diese Ihnen zugemuthete, von ihrem foro etwas entfernte bemühung zuguthalten. Kennte ich Ihr dienstgeneigtes Herz nicht, so hätte ich dieses Geschäfte für sie abgebeten od. abgegraben. Wir wackere leute sind nicht allemal in umständen unsere Geschäfte selbst zu erwählen, wir müssen uns auch mit unangenehmen beladen; aber dieses unangenehme wird uns durch das vergnügen, welches wir redlichen Herren und Freunden damit machen, genugsam vergütet. –
Ihr brief vom 12ten april und der an Hr. provisor hat gutes und böses in sich; überstandenes böses und von gutem mächtig vertriebenes. Meinen herzlichen gruß an die kleinen Siphaitinnen, und zuerst an ihre Milca.
Hr. Sack hat Hrn. Wieland überaus liebreich geantwortet, und auch solche Einwendungen gegen seine goldgelokten Seraphim gemachet. Wir hier sind so unschuldig daß wir sie noch lange nicht mit Stutzern vermischen. Hat nicht der Christ in der Einsamkeit beynahe lauter Beschreibungen anstatt der Empfindungen; und glauben sie nicht daß er ungleich mahlerischer sey als die Empfindungen des christlichen Wielandes? Wieland hat eine vocation von einem Chursächsischen Kreishauptmann von Hohenthal; der überläst ihm die Conditionen selbst auszumachen. Hr. Abt Steinmez von Klosterbergen hat den antrag gethan. Hr. Wieland ist so stark an uns attachirt, daß ich vermuthe er werde ihn ausschlagen.
Der Verlust der Larve und des Bankets hat das gute nach sich gezogen, daß ihr Autor sie sehr verbessert hat. Er wartet nur auf bequeme gelegenheit ihnen beyde stücke zu schiken. Ich glaube sie wären in die unrechten Hände gefallen, wenn man sie Zachäriä zugefertiget hätte, Klüter gefällt mir besser. Aber verhüten sie so viel möglich daß man den ort, woher diese stücke kommen nicht errathe. Was ich durch die Messe ihnen gesandt habe, werden sie izo wol empfangen haben. Wielands Fryhling ist darunter. Das alte schwäbische gedicht war noch nicht aus der presse. Denken sie an die Commission wegen Hagedorns portrait für Gessner.
Schreiben sie mir auch etwas neues von meinen grossen gönnern, den beyden Nicolai. Wie ist es dem instituto mit einer preisschrift für das Trauerspiel ergangen? Ist etwas dahin gehöriges zum vorschein gekommen?
Lebet noch unser Kleist, und hat er auch einen lorber in die kränze des siegreichen monarchen geflochten? Wir wünschen ihn zum general, und den könig zum bessern Cæsar. Sie werden wissen in welche umstände unser Regiment Lochmann gekommen ist. Es kömmt uns wol zustatten, wenn man, wo nicht hier doch dort mit uns zufrieden ist. Ich bin auf die grossen Thaten, die geschehen sind ganz gefaßt gewesen. Es gehet dem grossen Sieger, wie dem grossen scribenten, je vortrefflichere werke dieser gelifert je mehr, je grössere erwartet man, und wenn er sich nicht immer selbst übertrifft, so glaubt man er nehme ab.
Unsere catholischen Nachbarn sind seit einiger zeit camus und capot. Rabner hat s. Heroisme zur unzeit angebracht. Dargent war doch so gut als ein Centsuisse. Adieu
Ihr Ergebenst. Dr.
Bodmer.
Zch den 19 May 1757.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
Briefe von Felix Orell an den Kaufmann Samuel Ernst Schwarz sowie drei Briefe von Schwarz an Orell.
Vermerk Sulzers am oberen Rand der ersten Seite: »19 May 57.« – Vermerk einer weiteren Schreiberhand (vermutlich Felix Orell) über der Stelle »im fall der Wechselbrief Ihnen nicht bezahlt würde«: »den wechßel protestieren zulaßen«.