Ihr wehrtestes vom 30 März ist das letzte, das ich von Ihnen empfangen. Auf den Brief, den ich mit den Meßleuten an Sie geschikt habe, und der mit einem Exemplar der Abhandlung vom Noah begleitet, bin ich ohne antwort. Zu diesem stillschweigen hatte mich schon der Eingang Ihres Letzteren vorbereitet. Gott gebe daß sie bald von ihren baugeschäften und ihren Voltärischen sorgen erlöst werden. Voltaire hat die ungebetene gütigk. gehabt und mir l'art de bien argumenter durch die post gesandt, nebst einem burlesquen billet. Profess. König schiket mir seine sachen auch. Diese Herren glauben daß alle welt sich in ihre Händel interessiere. Unser Hr. provisor wird izt bey Hn König seyn, oder wol schon nach Hamburg verreist seyn. Seine Excursion von Calais nach London war ganz kurz. Durch ihn verhoff ich anecdote von der amourette des Poeten zu erhalten. Klo. hat mir nicht mehr geantwortet. Man schreibt mir er habe vorm jahr in Hamb. spent several weeks only in the compagny of Miss Moller always attending and worshipping his idol. Gleim hat mir nicht ein gutes wort für den Noah, den ich ihm mit einem freundschaftl. briefe zugesandt, gegeben. Dennoch versichert mich Hr. von Kl... aus Potsdam am 22 May auf seine Ehre, daß Gl... Kramer, Giseke, voll Hochachtung gegen mich sind. Sie unterscheiden vermuthlich zwischen mir und dem Verfasser des Noah. Er füget aber auch hinzu, es werde diesen herren fremde dünken, daß Wieland, Gleimen und Ramlern p. in der Abhandlung vom Noah angegriffen habe. Man wisse aber auch daß ich ihn nicht dazu veranlasset habe. –
Aber was wäre es denn wenn ich ihn veranlasset hätte, etliche gute satyrische traits auf gewisse bandes joyeuses looszuschiessen. In der syndflut sind etliche Verse auf die Gessnerische nacht, welche der und diser auf sich ziehen kann. Diese herren hatten die morale gar zu übel gemißhandelt. –
Gessner hat mir das erste stük des Schachspiels gezeiget; was für eine vermischung der buchsbäume, von männchen, der Götter und der Menschen! Alle werden in eine welt gesezet. Kein wunder, daß der Noah denen nicht gefällt, welche solche ausschweifungen loben! Haller ist ganz ein Berner geworden. Göttingen ist ihm ein Ekel. –
Hr. von Hagedorn fährt fort mich zu lieben, wiewol ihm der Hexameter nicht recht ligt. Es thut mir wehe, daß man in meinen gedichten nur den Hexameter siehet. Sein Epigramma auf mein portrait ist mir ein besserer Zeuge von seiner Freundschaft, als von seiner Erkenntniß. Ich will doch ungleich lieber so gelobt werden, als er selbst in den stances vom baron de Bar gelobt wird; wenn das nicht vielmehr der ärgste Tadel ist. –
Dise vier wochen ist Hr. Le maitre oder Meister, der französische prediger von Erlang hier gewesen. Doctor Schmiedel war mit ihm. Hr. Meister ist ein alter vertrauter ob ich gleich nicht an seine Gottseligkeit hinaufsteige.
Hätte ich izo einen spiritum familiarem zu meinem Dienste so sollten sie heute noch die Zulica, die Briefe der abgestorbenen, die Wiederkunft Jacobs, die syndflut und andere stüke haben, die würklich aus der presse sind. Ich sehe keine gelegenheit sie vor der Michelismesse zu überschiken. Aber dann sollen sie auch die Colombona, die Dina, den geprüften Abraham, den Parcival – haben. In drey wochen kommen alle diese stüke an das licht. Der Parcival ist ein gedicht in der dicht- und denkart der zeiten Wolframs von Eschilbach. Wenn mich keines von disen stüken mit den deutschen versöhnet, so renoncier ich de grand coeur auf ihren beifall. –
Ich denke wol Sie, mein wehrtester, werden für mich erschreken, da sie vernehmen daß ich so vil episches zeug publiciere. Ich behalte indessen mein gutes gewissen, und wenn diese werke ihnen künftig mißfallen, so gestehe ich ohne pein und marter, daß ich gerne besser geschrieben hätte. Dabey würde mich verdriessen, daß nicht mehr andere eben so schlecht, in meiner Art von schlechter poesie, schreiben, denn ich kann nicht leugnen daß diese schlechte Dichtart mir vil vergnügen machet. Der gepryfte Abraham ist Wielands werk, und nach meinem sinne, nur nicht orientalisch genug, geschrieben. Es ist kaum möglich daß meine zwo tragödien, der keusche Joseph, und die Erkennung Josephs auf die Michelismesse herauskommen.
Wenn das Gebet eines Freygeists ex persona geschrieben ist, so ist ein Freygeist ein rasender Mensch der ins tollhaus gehört. Hier hatten wir von einem Freigeist den begriff, daß er ein Deist sey. Unser W. hat ein Gebet eines Deisten geschrieben, und gedenkt es zu publicieren, welches nicht aus blossen figuren bestehet. Klo. sollte sich nicht an Metaphysische, logische – materien machen, oder die Metaphysik, die Logik, die er so herzlich verachtet, werden sich an ihm rächen. W. ist unser nun sehr wol gewohnt. Hr. Br. ist sein held. Er kennet und besucht nur meine besten freunde. Er verachtet die jungen verführer nur schier zu viel. Er hat den kleinen Schuldheiß nicht sehen wollen, der ex professo gekommen war, dieses monstrum hominis, wie er sagte, zu sehen. Hingegen sind diese herren ihm spinnefeind. Dr. H...l siehet mich nicht mehr, er geniesst das leben so, wie der genuß des lebens in den trinkliedern gelehrt wird. Sie haben von Hr. von Kl. das Est mihi propositum in tabernā mori sehr gut gelernet. Dieser Hr. hat auch dem Geßnerchen geschrieben, sehr zärtlich. Geßner hat mir den brief vorgelesen. Ich hatte gemeint, daß er das leere in diesen Köpfen besser bemerket habe. –
Wie herzlich gönne ich Ihnen die ambrosischen stunden bey dem Hrn. provisor. Vielleicht bin ich dann in der gestalt Jacobs, Colombos, und Parcivals bey ihnen. – Bey mir wird Wieland noch eine zeitlang bleiben, vielleicht über den Winter. Er grüsset Sie mit vieler Ehrfurcht und ich grüsse die Frau professorin mit zärtlicher freundschaft und verharre mit wahrer Ergebenheit
Ihr aufrichtiger
Bodmer
d. 18 Julii 1753.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
Vermerk Sulzers auf der ersten Seite: »18 Jul. 53«.