Brief März [Jahr unbekannt] – 27. April 1753, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: März [Jahr unbekannt] – 27. April 1753

Mein Wehrtester Herr u. Freund.

Sie können mich nicht anklagen, daß ich sie seit drey Monaten in ihrem Bau, ihrem panegyrico oder ihrem academischen Anliegen gestört habe; wie ich sonst seit 1750 sehr gewohnt war. Ihre schleunige antwort auf mein letzteres Buchhändlerisches habe den 30sten Christmon. schon empfangen. Ich zweifle nicht, sie haben das Exemplar vom Noah und die Exemplare vom schreiben von der bestimmung eines schönen geistes, welches ich bey gelegenheit der Neujahrsmesse ihnen zugesandt habe, eben so wohl erhalten.

Ich hatte geglaubt Hr. Reich würde mir wegen der angetragenen gedichte zuerst zuschreiben, weil es aber nicht geschah, so that ich ihm den 21sten Febr. meinen Antrag, wie ich ihn durch Sie gethan hatte. Er antwortete mir, daß er die bedingungen annähme, nur hofete er, ich würde ihm so wol in Ansehung der litern als des formats die freiheit lassen sich nach den umständen zu richten. Er müsse sich nach dem geschmake der mehresten leser richten, über die das vorurtheil der gewohnheit allzu viele Herrschaft hätte.

Es war eine von meinen bedingungen, daß der format Medianoctav oder quart und das papier nicht schlechter als bey der Messiade seyn müste. Medianoctav wenigstens muste es seyn damit der Hexameter auf die Zeile gienge.

Die lateinischen littern hatte ich zu keiner bedingung gemacht, sondern ihm allein mit starken gründen angelegen, daß er aus gefälligkeit für mich dergleichen wagen möchte. Nachdem er mir aber nicht allein diese kleine ihm unschädliche Gefälligkeit sondern auch die bedingung mit dem format und papier abgeschlagen, so sah ich mich ohne verbindung mit ihm. Es gefiel mir auch nicht, daß er in seinem schreiben die bedingungen nicht wiederholet hatte, also daß ich nichts verbindliches von ihm hatte; woraus leicht Mißverständniß entstehen konnte, wie er denn schon meldete, daß ich ihm Bodmers Gedichte und Miltons paradies, welche doch nicht in meinem Antrage sind, schiken sollte.

Ich schloß aus diesem allen, daß er glauben müste ich wäre von allen verlegern verlassen. Dieses zu versuchen trug ich meine werke Hn Orell an, zu welchem sich izt Hr Kirchenschr. Wolf gewissermassen associrt hat; der sie mit dank und unter bedingungen, die für mich weit vortheilhafter sind, angenommen hat. Meine gedichte sind für keinen verleger der niederträchtig genug ist, sich unter den geschmak der mehresten und unter die herrschenden vorurtheile und die gewohnheit, zu büken. Ein solcher muß Gottscheden seine deutschübenden gedichte abkaufen.

Ich bin izt einmal dazu gebohren, daß meine poesie der deutschen Nation nicht gefallen solle. Und dieses ist ganz natürlich, nachdem die gedichte, welche ihr am meisten gefallen, mir hingegen eben so übel anstehen. Vielleicht kömmt einmal eine andere deutsche Nation, die ein wenig mehr geschmak an mir findet. Ich will es aber zufrieden seyn, daß man sehr schlimm von m. poesie denket, wenn sie unterdessen einige von den ⟨Minen⟩ an sich hat, welche Miltons paradies mitten in der Zeit an sich gehabt hat, da es in der tiefsten Dunkelheit gelegen war. Es lebet zum wenigsten zu meinen Zeiten auch einer, der mich lobet; und er lobet mich so, daß es vermuthlich ist, sein lob werde mir bey der so beschaffenen deutschen Welt mehr haß als liebe zuziehen. Ich halte es für etwas sehr unvorgreifliches daß man weiß, wer der verfasser dieser Abhandlung ist, und daß er mit mir im besten vernehmen steht. Denn ich finde eben nicht für nöthig der nation dieses gedicht aufzubetriegen oder einzuschmeicheln. Ich bin es sehr wol zufrieden und wie könnte ich es ändern, wenn ich es nicht zufrieden wäre, daß der Noah selbst so wol als die Abhandlung nur diejenigen Würkungen thun, welche sie kraft ihrer innerlichen beschaffenheit und der fähigkeit der deutschen Recipienten gemäß thun können und müssen.

Der Hr. von Kleist hat die furcht gehabt gewisse brave anacreontische scribenten werden wegen einiger moralischen stellen in der Abhandlung so böse werden daß ein ganzer aufruhr gegen den verfasser entstehen werde, welcher auch mir empfindlich werden dürfte. Denn Hr. von Kleist hat die bogen alle à mesure daß sie gedrukt wurden bey dem jungen Geßnerchen gesehen, mit welchem er bruderschaft gemacht hat. Ich antwortete ihm, daß ich über Wielanden keine botmässigkeit hätte, und ihm seine Morale nicht schwächen wollte.

Er versicherte mir daß Gleim und Ramler es vortrefflich gut mit mir meinten, daß Uz ein artiger Mensch wäre, daß bey diesen herren nur die poesie anacreontisch wäre, daß sie sonst ein ehrbares, anständiges leben führten.

Es scheint die jungen herren von der bande joyeuse haben ihm beigebracht, ich hezete Hrn. Wielanden auf, und ich habe ihn geworben, daß er den Noah lobete, und die Anacreontes angriffe. Wenn er dises glaubt, so halte ich es für etwas mir allzu unanständiges daß ich mir nur Mühe gebe, ihm diesen unsinnigen Argwohn auszureden. Die anacreontischen dichter haben die morale eine Zeit her allzu cavalierisch tractirt, und der wäre ein feiger held der sich der Tugend nicht mit dem Muthe annehmen dürfte, mit welchem sie die seite des Bachus und der Venus halten. Eben der junge Geßnerchen hat in seiner Nacht, einem Gedichte in prosa, das er auf die weihnacht, nicht geschrieben, aber doch publicirt hat, die gereiftesten ausdrüke der Messiade auf die profansten Sujets applicirt. So wenig hat das schreiben von der bestimmung eines schönen geistes auf diese verderbten gemüther gewürket.

Im übrigen ist Hr. von Kleist überaus wol mit mir zufrieden, er hat mir aus Schafhausen geschrieben, daß ihm bey dem Begegniß, welches ihn genöthigt Zürich zu verlassen, nichts empfindlicher wäre, als daß er seinen vorsaz, den er gehabt, die mehresten seiner müssigen stunden hiefür meiner Gesellsch. zu widmen, nicht habe ins Werk richten können – „Sie werden vielleicht”, sind seine Worte, „durch einige umstände widrige begriffe von mir bekommen haben, allein wie vil thorheiten begeht man nicht, wenn man erst eine begangen hat. Wenn Sie mein Herz kennten so würden sie anders urtheilen, und die Folge der Zeit wird Sie überführen, daß ich in allen stüken wie Sie gedacht habe. Ich weiß nicht ob Sie mich verstehen, allein ich kann mich nicht deutlicher erklären. --”

Die thorheit, die er beklaget, ist keine andere, als daß er sein logis bey Dr. H. genommen, von welchem er in die bande joyeuse gezogen worden. Da er mit diesen Windmachern und guten Brüdern wie mit seinesgleichen umgegangen und die gesellschaft anderer Officiers oder herren von stand gar nicht gesucht, hat man nicht sehr viel aus ihm gemacht. Daher ist gekommen daß sein begehren zwölf mann anwerben zu dürfen ihm von dem Rath abgeschlagen worden, ungeachtet der Doctor sich groß gemacht hatte, er wollte es durch seinen armseligen Credit ohne fehle zuwege bringen. Der mahler Füßli war einer von seinen besten Consiliariis, bey welchem die sessionen gehalten wurden. Ich wußte von seiner bittschrift wegen der Werbung nichts, biß daß geschäft vorbey war. Der Doctor hatte in seinen Gelachen so närrische Einfälle über Wielands anwesenheit bey mir debitirt, daß ich Hn von Kleist ein einzigesmal in seinem hause besuchet habe, welches doch nicht gehindert, daß Hr. von K. mir nicht etliche mal die Ehre seines besuches bey mir gegönnet hätte. Als hernach diser sein logis im Wirthshaus genommen, nachdem der Dr. gegen ihn ein wenig grob geworden war, hätte ich ihn öfters besucht, wenn er nicht nöthig gefunden hätte sich nach Schafhausen zu retirieren. –

Die Holländischen Officiers hatten vielfältigen verdacht Hr. von Kl. würbe ungeachtet des verbotes hier und dar. Einer von ihnen legete ihm einen strik, indem er einen serjeanten apostirte, der dienst bey ihm suchen sollte. Hr. von Kl. ließ sich fangen. Die officiers verklagten ihn bey dem bürgerm. Darüber ward dem Doctor und andern von seiner banden so bange, daß sie Hr. von K. ihre bangigk. communicirten und ihn vermochten nach Schafhausen zu flüchten. Er ist aber nach etlichen Wochen zurükgekommen und hat sich ein paar Tage hier öfentlich sehen lassen, er hat auch dem Holländischen Officier eine Espeçe Cartell geschikt. Das sind alles folgen der Übereilung mit welcher er sich den jungen Freunden vertraut hatte.

Damals als er von Schafhausen wieder gekommen hatte ich auch die Ehre seines besuches, und wir wurden so vertraulich gegen einander, daß wir beyde einander unsere Noth erzählten. Ich verzog nicht länger ihm die ganze Klopstokische geschichte ab ovo zu erzählen, ich las ihm etliche stellen aus seinen briefen die er aus Deutschland an mich geschrieben hatte. Endlich las ich ihm auch den unsinnigen brief, den er mir aus der Farbe bey Gelegenheit daß ich ihm das Interesse des deposito zurükgeschikt, geschrieben hatte. Hr. von Kl. absolvirte mich wegen der Rükfoderung ohne Anstand, und erwähnte daß er selbst wohl ehmals in umständen gewesen von seinen freunden Geld anzunehmen, aber sichs nicht in den sinn kommen lassen, es für geschenke anzusehen, wiewol es ihm dafür gegeben worden. Der gute, liebe, freund, mag izt von meiner vertraulichkeit einen Gebrauch machen, wie es ihm sein Herz sagt. Ich traue ihm lauter Freundschaft zu. Es ist doch auch gar zu arg, wenn man sich männern von dieser aufrichtigen, liebenswürdigen, Miene, nicht vertrauen darf. Ich glaube zwar, daß er aus lauter gefälligkeit sehr indulgent sey, und wenn es auch einige mal zum nachtheil der strengen Morale geschehen sollte.

Die Bande joyeuse hält es sich vor erlaubt in ihren versammlungen mit den ausschweifendsten Einfällen auf Mich und Wielanden looszuziehen. Es verdriesst sie in der seele daß ich diesen Jüngling nicht in ihre gelache geführt habe, dazu kamen die ernsthaften Zeilen gegen die Chaulieux in dem schreiben von der bestimmung eines schönen geistes. Der Heß im Postamt, den Sie kennen, hat sich auch bey ihnen einschreiben lassen. Er und Wiel. haben einander biß izo noch nicht gesehen. Er läst es auch mich nach seinem Vermögen entgelten, daß dieser sich nicht um ihn bekümmert. Ich hatte sehr grosse hoffnung zu ihm gehabt, und hätte ihn zu meinem Confidenten gemachet: Aber bey dieser Gelegenheit habe ich erkennet, wie übel ich mit ihm angelaufen wäre. Nach so vielen unglüklichen Versuchen habe ich alle hoffnung aufgegeben, einen jungen freund für mich zu erziehen.

Dieser letztere Winter ist mir in der gegenwart Wielandens unter den Händen entschlüpfet. Indem er gegen mir über die briefe der Abgestorbenen an ihre hinterlassenen freunde schrieb, sann ich auf diser Seite an das Trauerspiel von Joseph und Zulika. Von diesen beyden werken hören sie izt zum ersten mal. Das Trauerspiel ist zwar nur das epische Gedicht im fond, aber mit vielen kleinen Zügen, umständen und zusäzen vermehret. Es ist nicht für die Schaubühne gemacht, sowenig als der wieder erkannte Joseph. Ich denke ein Anathema auf den zu legen, der sich erfrechete, sie auf das Theater zu bringen.

Ich habe neulich den Noah übersehen und einige Verse wegen des ausdrukes, weit mehrere wegen der Sylben geändert. Zum Exempel:

Im I. Ges. v. 60 Yber welchen die schneide des augs ermydet u. stumpf hængt.
IV. 3. Auf sie warteten u. sie konten nicht lange verzœgern
V. 204. Kein Empoeren entstand im Eingeweide –
V. 304 Als den geistern geschehn kann, die er nicht zernichtigen wollte
Im III. könnten nach v. 375 dise zweene eingetragen werden:

Aber wir haben nur erst den Anfang der liebe gemachet;
Dass wir sie in dem himmel der Ewigkeiten fortsetzten.

Im VIII. v. 528. Seiten wie vorgebirgte gestad entschlypften zur erde.
Im X. v. elf. Wo er Længen der jahr' in leisem grame vertrauert.
Im XI. v. 322 Und der andere wird die gestalt des Kieles so zimmern.

Mit den wörtern Erzvater, Nachkommen – habe auch eine Veränderung vorgenommen, wiewol sie nach dieser quantität in den gewöhnlichen Jamben gebraucht werden. Im Jacob und Rachel ist II. Ges. v. 33. den ich gerne geändert wissen möchte:

Einen gemahl zu suchen, den sie, er sie, nie gesehen.

Sie sehen, daß Ramlers Geist zuweilen über mich kömmt. Mich verlangt je länger je mehr nach einer neuen Auflage. Es wäre zwar ein jammer, wenn um dergleichen Kleinigkeiten willen die bilder und die sentimens verurtheilet würden. Ich fürchte vilmehr daß die bilder und die sentimens selber und um ihrer selbst willen verurtheilet werden, welches weit ärger ist, eben nicht für mich, sondern für die, welche so leichtsinnig verdammen. Ich zweifle daß die Abhandlung vom Noah diese leute bekehren werde. Diese ist bey weitem nicht so historisch als Herr Meyers; wenn sie es noch weniger wäre, so wäre sie gewiß nachdrüklicher. Sobald eines von meinen neuen Gedichten aus der presse ist, und ich werde mit Joseph und Zul. den anfang machen, so werde ich mich nach allen gelegenheiten umschauen, Ihnen ein Exemplar zu schiken. Mich verlanget so sehr dieses werk vor die augen Ihrer theuersten Freundinn zu bringen als sie selber darnach begierig seyn kann. Ich bin gewiß daß auch die Sunith in der Syndflut ihre liebe bekommen wird. In der Columbona ist eine Lamisa, die, ob sie gleich eine sogenannte Wildinn ist, doch ihre naifen tugenden hat, die dem wol beschaffenen Herzen Ihrer Wilhelmine nothwendig gefallen müssen. Ich rede desto zuversichtlicher von diesen werken, weil sie schon Hr. Breitingers, Hr. Hessen von Altstädten und Herrn Wielands ganzen Beyfall haben, und in keinem alltäglichen maasse des lobes. Also werden die Braunschweiger noch lange zu arbeiten haben, bis sie mich überreden, daß meine poesie die arbeit eines Schafskopfes sey. [→]Ultro lætor et plaudo ipse mihi domi. Oft halte ichs in meinen zufriedenen stunden vor unmöglich daß dise neuen stüke nicht den feinden und freunden gefallen sollten. –

Ich gratuliere Ihnen zu dem vergnügen welches Ihnen die Ankunft des theuren Hrn. Kynzli machen wird. Veranstalten sie doch daß er mit Ramler und Gleim in Unterredung komme. Ich zweifle nicht, er werde mir diese und die Braunschweiger in den innersten Winkeln erforschen. Ich verspreche mir ein vielfältiges und ungewöhnliches vergnügen von seiner Wiederkunft. –

Wir sind noch immer ohne absonderliche und ein wenig ausführliche Urtheile von der Natur der Dinge, dem Fryhling, den Erzählungen p. Hrn. Wielands. Ist darüber noch nicht im druke geurtheilt worden, oder ist es uns nicht zugekommen?

den XXX Merz 1753.

Ich war gesonnen meinen brief zu schliessen, als ich einen brief von Kl. vom 24 März aus Kopenhagen empfieng. Er giebt mir weitläuftige Nachrichten von seiner neuen liebe. Es ist möglich gewesen, daß er aufhören können, Fanny zu lieben. Ob ihm gleich nach seiner Zurükkunft von Zürich Fanny und ihr bruder hoffnung zu geben schienen, obgleich Fanny selbst nach Kopenhagen ein paar worte von der art schrieb; so sah er doch endlich ein, daß sie ihn nicht liebete, oder ihn nicht so lieben würde, wie er sie liebete. Dadurch kam er in eine art von gleichgewicht und fühlte, daß er von neuen lieben könnte. Aber diejenige, die er nun lieben sollte, mußte ihm noch liebenswürdiger seyn, als Fanny war. Indessen hatte er schon angefangen, seine Moller, für die er kein beywort hat, zu lieben.

Er hatte sie im März 1751 bey seiner Durchreise, als eine Freundinn Gisekens gesehen, und seitdem gewöhnlich jede woche zweymal an sie geschrieben, und Briefe von ihr bekommen. Cramer nennet sie den weiblichen Klopstok. Wenn Kl. ein Mädchen wäre, würde er sie seyn. Das ist so gewiß als nur irgend die älteste wahrheit seyn kann. Im vorigen jahre war die vornehmste Absicht seiner reise nach Deutschland, sie zu sehen. –

Ich habe bisher mit seinen worten geredet. Er fraget mich viel von Wieland und Wielands Doris; und vor allen dingen um Heß; und den Hn von Kleist. Er darf seinem Mädchen eben so wenig als unserm wehrten Hr. Heß trauen, daß sie ihm nicht, wie er alles erräth, wie es in der Messiade kommen wird. Es ist nicht nur mehr als poetisch, sondern schier mehr als enthusiastisch, was er von ihr saget. –

Sie, mein Wehrtester, werden mit diesen nachrichten ohne mein bitten behutsam verfahren. Es dünket mich der poet sey an der gränze einer Epocha, die sein Herz und sein Haupt nach ihrer wahren beschaffenheit aller welt entdeken wird. – Ich kann kaum errathen, woher er wider so offenherzig und so freundschaftlich geworden. Ist es weil Kleist hier gewesen, und Wieland noch bey mir ist? Oder weil ich einmal der Confident seiner ersten liebe gewesen war? Ich mache in diesem spiel ungefähr eine figur wie sein schuzengel Salem, den er dorthin gepflanzt hat. Von dem Noah saget er nicht ein wort. Auf die Herbstmesse verspricht er zween neue Gesänge des Messias; mit einer neuen verbesserten auflage der ersten Gesänge, welche dazu ohne einen einzigen drukfehler seyn sollen.

Ich glaube daß es Hrn. Klo. je länger je weniger anstehe sich über mich wegen der Rükfoderung eines geschenkes zu klagen, welches ich ihm gewiß nicht auf die feyerliche, öfentliche und verbindliche art gemacht hatte, mit welcher er der Schmidin sein herz und seine ganze person geweihet und zu eigen gegeben hatte, die er izt mit so wenigen Cerimonien zurüknimmt. –

Gleich habe das vergnügen ihr schreiben vom 30. Merz zu empfangen. Hr. von Haller ist in Bern, seine tochter zu verheurathen, und nach einer Landvogtey zu langen. Wenn er die goldene Kugel bekömmt, wird er erst Göttingen gute Nacht sagen. Bald werden wir Voltäre hier oder in Baden haben. –

Leben sie immer wol und lieben nach ihrer geliebtesten Wilhelmine

Ihren
Bodmer.

den 27 April 1753

Warum sagen sie mir nichts von dem Eremite, der aus Hamburg gekommen ist, hat er ihre aufmerksamkeit nicht verdient, oder haben ihre baugeschäfte Sie ihm entzogen? Die Abhandlung vom Noah, und die Nacht des jungen Gessners habe Ihnen mit Hn Geßners Waaren nach Costi gesandt.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.

Eigenhändige Korrekturen

habe, eben so wohl erhalten
habe, eben ⌈so⌉ wohl erhalten
mehresten und unter die
mehresten ⌈und⌉ unter die
zuziehen. Ich
zuziehen. werde. Ich
Da er mit diesen
Da er sich mit diesen
Einfälle über
Einfälle darüber
der dienst
der ihm dienst
Geld anzunehmen
Geld aufan⌉zunehmen
daß Ramlers Geist
daß mich Ramlers Geist
gewiß nicht auf
gewiß nicht mit auf

Stellenkommentar

Er antwortete mir
Reichs Schreiben an Bodmer nicht ermittelt.
Gottscheden seine deutschübenden gedichte abkaufen
Die zweite Ausgabe von Gottscheds Gedichten war 1751 von Breitkopf in Leipzig verlegt worden. Der frühere Name der von Gottsched präsidierten Deutschen Gesellschaft lautete zwischen 1717 und 1727 Teutschübende Poetische Gesellschaft.
à mesure
Übers.: »nacheinander«.
mit welchem er bruderschaft gemacht hat
Kleist hatte während seines Aufenthalts in Zürich Freundschaft mit Salomon Geßner geschlossen. U. a. fertigte Geßner zur Ausgabe von Kleists Frühling aus dem Jahr 1754 Vignetten an. Vgl. auch Geßners zwei Briefe an Johann Georg Schulthess, in denen er schreibt, er »habe Kleisten meine Lieder gewiesen, sie haben ihm gefallen, er wird sie mitnehmen und Gleimen überbringen«, und über den Aufenthalt Kleists, den »liebenswürdigste[n] Freund«, in Zürich: »Wir sind alle Tage beisammen und lieben uns recht sehr, oft sprechen wir auch von dir, er liebt dich, und wünscht dich zu sehen.« (ZB, Ms V 519.2).
seiner Nacht
[S. Geßner], Die Nacht, 1753.
aus Schafhausen geschrieben
Kleists Brief aus Schaffhausen an Bodmer vom 11. Januar 1753 (Sauer (Hrsg.) Briefe von Kleist 1880, S. 216 f.).
welches ihn genöthigt Zürich zu verlassen
Kleist musste Zürich wegen illegaler Anwerbung von Soldaten verlassen. Vgl. Lütteken Ewald von Kleist in der Schweiz 2010.
Zeilen gegen die Chaulieux
In Anspielung auf den französischen Dichter Guillaume Amfrye de Chaulieu, der auch Anacréon du Temple genannt wurde, sind hier die anakreontischen Dichter gemeint, die Wieland in der Bestimmung eines schönen Geistes kritisierte.
Heß im Postamt
Caspar Heß, der sich im Frühjahr 1752 in Berlin aufgehalten hatte. Vgl. Kommentar zu Brief letter-bs-1752-04-02.html.
Anathema
Übers.: »Fluch«.
eine Lamisa
Zur Figur des Eingeborenenmädchens Lamisa vgl. Reiling Genese der idealen Gesellschaft 2010, S. 228.
Ultro lætor [...] domi
Übers.: »Ich meinerseits fasse die Entscheidung, mich zu freuen und mir selbst Applaus zu spenden.«
brief von Kl. vom 24 März aus Kopenhagen
Klopstocks Brief an Bodmer, Kopenhagen, 24. März 1753 (Klopstock Briefe 1985, Bd. 3, S. 2–6).
Moller
Margareta »Meta« Moller, Klopstocks spätere Ehefrau.
Wielands Doris
Sophie Gutermann, seit 1753 verheiratete von La Roche.
Haller ist in Bern
Hallers Tochter Marianne hatte am 29. März Franz Ludwig von Jenner geheiratet. Am 24. April 1753 erhielt Haller in Bern durch das Los das Amt des Rathausammans.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann