Datum: Februar 1751
[→]Kl. hatte mir im Januar 1749 geschrieben: Ich will kommen sie bey den gebeinen ihres Sohnes zu sehen, ich will kommen ihnen ihre thränen, die ich ihnen vielleicht von neuen erreget habe, abzutroknen... Schon da er noch in meinem Haus war, erinnerte ich ihn an dise stelle, und sagte, er disem Versprechen noch kein genügen gethan. Er schwieg, aber er hielt von alle dem nichts, als daß er mir meine thränen um meinen gestorbenen von neuen erregete; mit welchen ich noch mehr thränen um ihn selbst, doch aus einer andern Quelle vermischete. – Hatte ich nicht um Schuldh. verdienet, daß er sich für meine aufrichtigkeit bey Kl. verbürget haben sollen. Er hat es nicht gethan. – Man hat hier die Sunith für eine Coureuse ausgeschrien, ihre Geschichte hält man für ein langes Episodium; hingegen Noas Reise für ein Abregé. Diese antediluvianen seyn der syndflut nicht werth; sie seyn nicht ungerecht genug. Klopstoks Messias wird mit deutschen litern gedrukt. Die Ode an den König kömmt vor das werk, sie ist sehr schön. Bewegen sie Ramler daß er allein monathlich einen Bogen Critische Nachrichten publiciere. Gottsched hat den Sanonomotusky zum Druk befördert, aber der verfasser ist ein Zürcher. Dise schmähschrift hat Hn Can. Breit. viel verdruß gemacht.
Hr. Klopst. hat von keinem der ersten jungen verführer Abschied genommen: Aber ebenso wenig von Hn. Canon. Zimmermann. Werdmyller und Dr. Hirzel haben ihn seit 2 Monathen nie mehr gesehen. Wohin ist wol des doctors Seefahrt gekommen? Und wo sind ihre Gedanken auf der schweizerischen Reise steken geblieben? Hat Hr. Hofprediger Sak die gesehen? Hr Kl. hat drey tage vor seiner Abreise seinen ersten besuch bey Hr. burgermeister Escher abgeleget. Hr Chorh. hat ihn aufgeführt, der ihm disen besuch auch beliebt hat. Er ist in der Kutsche verreiset, in welcher er mit Ihnen gekommen war. Meinen Gruß dem jungen Hn Füßlin. Ich hoffe, er habe ihre Gunst. Ihr alter Freund von Knonau der Hr. Scheuchzer ist auf seiner Zunft zwölfer geworden.
Ich habe sonntags und montags in meinem Closet die thränen der zärtlichen Wehmut aus den Augen, und nicht bloß aus der feder geweint, die Hr Hofpr. Sak Klopstoken hat bey mir weinen heissen.
Überlieferung
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
Datierung
Nach Klopstocks Abreise aus Zürich Mitte Februar 1751 entstanden.
Stellenkommentar
- Kl. [...] 1749 geschrieben
- Klopstocks Brief vom 26. Januar 1749 (Klopstock Briefe 1979, Bd. 1, S. 32).
- Coureuse
- Übers.: »Hure«.
- Ode an den König
- Klopstocks Ode an Seine Majestät Friedrich den Fünften, König von Dänemark und Norwegen erschien zum ersten Mal in der Ausgabe der fünf ersten Gesänge des Messias in Halle 1751, S. III–VIII.
- Gottsched hat den Sanonomotusky
- Die anonyme Schrift erschien 1751 unter dem vollständigen Titel Sanonomotuskis von Sanonomotuskium freudiger Zuruf an das Schweitzerland von wegen der glücklichen Erfindungen, welche der hochgelahrte und hochverdiente Herr Johann Jakob Breitinger neulich ruhmwürdigst an den Tag gegeben hat. Sie stammt vom Veltheimer Pfarrer Johann Konrad Füssli und deutet die lebenslange tiefe Feindschaft zwischen Füssli und Breitinger an. Vgl. dazu Lavater-Briner Johann Konrad Füssli 2015, S. 149.
- Hr. burgermeister Escher
- Der Bürgermeister Hans Caspar Escher (1678–1762).
- ebenso wenig von
- Zu Johann Jakob Zimmermann vgl. Kommentar zu Brief letter-sb-1750-04-27.html und zu Johann Rudolf Werdmüller Kommentar zu Brief letter-bs-1750-11-14.html.
- des doctors Seefahrt
- Hirzel hatte Kleist in einem Brief vom 4. August 1750 eine poetische Beschreibung der gemeinsam mit Klopstock unternommenen Fahrt auf dem Zürichsee übermittelt (Sauer (Hrsg.) Briefe an Kleist 1880, S. 121–134). Sein mit empfindsamen Landschafts- und Gefühlsschilderungen angereichter Brief wurde erstmals gedruckt im Helvetischen Calender auf das Jahr 1794, S. 77–95.
- jungen Hn Füßlin
- Entweder Hans Kaspar Füssli (1728–1769), späterer Ratsherr und Statthalter zu Greifensee (vgl. H. J. Leu, Lexicon, Suppl.-Bd. 2, 1786, S. 376), oder dessen Cousin Johannes (1734–1783) (ebd.). Vgl. dazu auch Sulzer an Künzli, 22. November 1750: »Heüte habe ich eine recht sehr große und eben so unvermuthete aber auch eben so kurze Freüde gehabt. Mein Bedienter kömmt in meine Stube und sagt, es melde sich ein Hr. aus der Schweiz, mich zu sprechen, sein Nam sey Füeßli, ich verstuhnd Küenzli, weil mir aber das Glük sie zusehen zu groß vorkam, so frug ich noch einmal nach dem Namen und ärgerte mich, da ich einen andern, als den ihrigen hörte.« (SWB, Ms BRH 512/72).
- Hr. Scheuchzer
- Hans Jakob Scheuchzer, der von 1734 bis 1745 Vogt von Knonau war. Aus dieser Zeit kannte ihn Sulzer, der in dem Dorf Lunnern bei Knonau 1741 archäologische Grabungen betreut hatte.
- Hr Hofpr. Sak Klopstoken
- Vgl. Kommentar zu Brief letter-bs-1751-01-27.html.
Bearbeitung
Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann