Zürch den 14 Novemb. 1750
Mein Wehrtester Freund.
Wiewol ich den Werth ihrer freundschaft vor ihrer letzten Anwesenheit erkannte, so hat sie doch durch den kurzen Umgang ein leben empfangen, das ihr mangelte. Überdies hat der Verlust, den ich dises jahr an freunden erlitten habe, sie mir mehr als jemals nothwendig gemacht. Ihre freundschaft beruhet nicht auf einem blinden gefühl, oder in poetischen Ausdrüken – – Aber an statt daß ich sie erkläre, werde ich besser thun, sie zu erwiedern. Wie angenehm wird es mir daß ich sie zu erwiedern nur thun darf, was mein eigenster vortheil mich thun heist: Sie verlangen den Noah mit dem Eifer, mit welchen ich eingenommen bin, ihn Ihnen zu geben. In zehen tagen wird mein Gonzaga, der Bischof von Altstätten, ihn abgeschrieben haben. Dann lasse ich noch eine Abschrift machen, und die ist Ihnen gewidmet; Ihnen allein und wenn es Sie nicht zu vermessen bedünkt, Herrn Hofprediger Sak. Viel mehrere kenne ich in dasigen gegenden nicht deren Urtheile ich deßfalls vil zutrauete; und es ist mir um Ihre urtheile zu thun. Ich habe mich der freyheit bedient, an einem ort etwas von ihren Gedanken aus den Unterredungen von den Schönheiten der Natur einzutragen. Da sie die Gütigkeit gehabt, mir dises artige Werk zu dediciren, so sah ich es in gewissem verstand vor mein eigen an. Das ist nur der gröste Dank, den ich Ihnen dafür gebe, daß sie mich so vor aller Welt geehret haben. Sie verlangen auch das original meines portraits in schwarzer Kunst. Ich weiß dises nicht besser zu verwahren als bey ihnen; ich erwarte es aber erst im Frühling folgenden Jahres. Jezo könnte ich Ihnen dafür mit dem grossen pourtrait von hellen farben aufwarten; weil aber Füsslins pourtraits in wenigen jahren ⟨erbleichen⟩, so glaube ich das erstere werde Ihnen angenehmer seyn. – Ich habe ihnen und der freude ihres lebens meinen Segen aus dem besten Vorrath meiner Segnungen heimlich gegeben, der nicht so spizig ist, als der, den Sipha seinen töchtern gegeben. – Aber dem Mann nicht so schädlich, und widersteht dem Versucher. Thun sie so gut an mir und menagieren mir auch ein plätzchen in dem freundschaftlichen herzen ihrer geliebten,
[→]Du kennst mein Sipha zu wol der Freundschaft heilige Sitten
Als daß die Eifersucht dich mit ihrem Gifte berühre,
Dieweil ich mich um das Herz der schönen Iris bewerbe.
Ich hätte vor geraumer Zeit auf ihr wehrtestes geantwortet, wenn ich nicht alle tage etwas decisives von Klopstoks hiesigem schiksal erwartet hätte, welches ich Ihnen gerne berichten wollen. Wie tief bin ich aus der vormaligen höhe seiner poetischen freundschaft gefallen. Als mein freund verreiseten, war er zu Baden. Er war vier tage in Baden geblieben, ungeachtet er glauben muste, ich würde den andern tag nach seiner Zurükkunft ins Rheinthal verreisen. Ich hatte dise Reise halb im Verdruß beschlossen. Es schien daß es ihm völlig gleichgültig wäre, ob ich gienge oder bliebe. Ich hatte am sonntag deßwegen eine kleine Unterredung mit ihm. Ich dächte, sagte ich, er würde meine Abwesenheit mit vergnügen ertragen, nachdem er eine menge von jüngern und ihm anständigern freunden allhier gemachet hätte. Er tractierte dises als einen ungegründeten Argwohn, wenn dem so wäre, so würde er meiner Freundschaft nicht würdig seyn. Ich erklärte mich, wenn ihm durch mein Bleiben nur eine kleine gefälligkeit geschähe, so wollte ich bleiben. Er erklärte sich hingegen, daß er mit Kitt auf die Michelismesse verreisen wollte. Aber gleich am folgenden dienstag, da er beym Mahlen war, kommt Rahn mir zu eröffnen, daß Klopstok sich mit ihm in gewisse verbindungen eingelassen, ich sollte ihm verzeihen daß er mir deren Natur nicht entdekte, sie erfoderten indessen daß Kl. das logis bey ihm nähme und über den Winter in Zürich bliebe. Klopstok war denselben tag im Schlößlein gewesen, und kam erst à 9 uhr abends bene potus nach haus. Er fieng nichtsdestoweniger an, von der neuen Verbindung zu reden. Ich hatte meine vorstellungen gegen dise übel ⟨errathene⟩, chimärische, niederträchtige Verbindungen schon vormittags Rahnen gemacht. Ich that es auch gegen Klopst. mit der Freymüthigkeit eines besorgten Freundes. Ich bat auch Hn Canon. Breitinger, daß er ihm remonstrationen machete. Alles war umsonst. Er sagte, er hätte an die neue Verbindung vier wochen mit dem Ernst gedacht, mit welchem er ehmals den Plan der Messiade gedacht, es wäre decidirt, ich sollte ihm ein bißchen mehr Klugheit zutrauen. Er delogierte am Donnerstag. Indessen wuste ich nicht worinn die Verbindungen bestühnden, wiewol ich leicht erriethe, daß sie mercantilisch wären. Schultheiß erzählte etwa zehn tage hernach Hn verwalter Lavater, Klopstok müste die desseins zu Rahnens Tafatmalerey corrigieren, dafür gebe Rahn ihm den halben profit. Auch die jungen freunde haben die verbindungen mit Rhan mißbilligt, sie tractierten Rahn als einen verführer, projectmacher, verleumder, der sie alle bey Kl. angeschwärzt hätte. Zugleich kam Werdmüller zu Hn Canon. Breitinger um verzeihung zu bitten, daß er sich in Klopstok vernarret, er hatte den Mahler Füßli zum Zeugen seiner Rede mit sich genommen. Dr. Hirzel kam auch zu ihm mit einem Bekenntniß das nicht so aufrichtig schien. Hr. Can. schüttete ihnen waker die Nüssen aus der Kappe. Seitdem hat der Doctor eine gleiche Bekenntniß bey mir mit gleichem Erfolge abgeleget. Werdmüller und Hirzel haben viel Scherze Klopstoks erzählt, womit er sich über meine figur, meine liebste, meine küche, lustig gemacht hat. Kl. hat acht Tage nach seinem Auszug einen ganz trokenen Besuch bey mir abgelegt. Ich machte ihm den Gegenbesuch im botanischen garten. Er ist darauf nach Altstätten gegangen, wo er wegen meiner kleinen und unedeln Spötereyen eine grosse Klage geführt. Eine solche ist, es werde schön stehen, wenn Kl. mit der einen hand die Messiade und mit der andern ein stük gemahlten taft dem König presentierte. Eine andere; Kl. und der Messiasdichter seyn zween Menschen. Noch eine andere: Klopst. habe des Messias gedanken gedacht, wie er des Satans auch gedacht habe. Folgenden tags schikt Klopstok mir den infamesten brief, darinn er mir für keinen pfennig Ehre läst. Der erste periodus lautet: Wenn sie sich ihr gantzes verfahren gegen mich von ihrem unfreundschaftlichen Argwohn an bis auf die kleinen oft sehr unedeln spöttereyen vorstellen wollen, nur parteiisch vorstellen wollen, ohne die stelle eines scharfen und edelmütigen Richters zu vertreten so werden sie zum mindesten mein anhaltendes schweigen ihrer aufmerksamkeit würdig finden. Wenn sie dieses stillschweigen nicht verstanden haben, so sage ich ihnen mit eben der Freymütigkeit daß es großmut gewesen mit welcher Freymütigkeit ich ihnen sage, daß sie zu einer solchen großmut unfähig sind. – Der schluß ist: Sie sehen hieraus daß ich nicht mehr in dem verhältnisse stehe geschenke von ihnen anzunehmen und geld ohne Interesse ausleihen, heißt den andern ein Geschenke machen. Ich sage ihnen also daß ichs für eine neue Beleidigung ansehen werde, wenn sie mir dise Kleinigkeit von neuem als ein geschenk anbieten.
den 19 Sept.
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Dieses zu verstehen muß ich Ihnen erzählen daß Klop. im Septemb. 1749 mich gebeten daß ich ihm 300 vorstösse, er glaubte imstande zu seyn einen grossen theil diser summe bald wieder zu bezahlen, weil er wegen der ersten 5 Gesänge ziemlich vortheilhaft contrahieren könne. Er scherzte aber in währender Bitte selbst darüber, daß ich mit einem Menschen ohne hypothec zu thun habe. Ich sah ihn damals als einen kleinen heiligen an, und sandt ihm durch Hn Kitt 58 [→] Doppie in naturā. Wer er derjenige gewesen, für den ich ihn aus seinen briefen erkennen mußte, so hätte ich ihm diese summe herzlich gern aufgeopfert. Nachdem er sich aber so unwürdig aufgeführt, und sich in den kaufmännischen schuz des Hn Rahnen begeben, so foderte ich mit Einrathen Hn Breitingers und Hn Hessen das depositum zurük, welches ich auch glüklich von ihm empfangen; aber hinc illae lacrimae. Seitdem hab ich ihn nicht mehr gesehen. Er hat ein paar Besuche bey Breiting. gemacht, wo er affectirt hat meinen nahmen niemals zu erwähnen. Er hat izt freundschaft mit studenten gemacht. Er hat gelernt auf der Limmat fähren. Er tummelt ein pferd auf dem Münsterplaz. Diese tage gehen böse Reden von Rahn; er habe seine Arbeiter alle heimgeschikt, und alle Rahnen und Klopst. mit ihnen wollen nach Wien reisen, ihre Manufactur daselbst einzuführen. Schuldheiß, der ganz von mir abgefallen, bekennt selbst, daß sie einige Arbeiter congediert hätten. Allen Credit bey den Kaufleuten haben sie verlohren. Mein betragen mit Kl. ist bey jedermann hier genug gerechtfertigt. Er ist sehr unruhig, daß Hr. Sak ihm nicht schreibt. Er erwartete von ihm eine vocation. Er hat mir die Ehre gethan mich in Verdacht zu fassen daß ich ihm, mit Collusion mit dem postamt, seine briefe unterschlüge. Ich bitte obige nachrichten zu gunst Klopstoks zu menagieren. Ich habe kein wort davon nach Deutschland geschrieben. Hr. director Schuldh. will dise zeilen einschliessen. In kurzer Zeit will ich wider schreiben. Adieu. Adieu.
Ihr freund und diener B.
Die Freunde von Winterthur wissen das geheimniß mit dem deposito auch jezo nicht. Ich wollte Kl. gern geschonet haben, so viel ich konnte, ohne Abbruch meiner Ehre. Ich bin wegen meines ganzen Betragens mit authentischen documenten versehen. Wenn er so unvorsichtig ist mich bey wakern Männern in Deutschland zu verklagen, so hoffe ich an Ihnen meinen besten Vertheidiger zu finden. Hier passirt Kl. bey jedermann für einen ecervelé und bey vielen für einen Bursch. Er hat den V. Gesang vollendet. Der IV ist noch weit vom Ende. Er hat in sein portrait die Verse schreiben lassen:
Es floh der zeiten jugend
Wo alles scherzt und liebte
In unschuld scherzt und liebte
Der zeiten goldne jugend
Fanni.
Das ist seine apologie. Ich habe dise Messe weder Hagedorn, noch Gleim, noch jemand andern geschrieben, damit ich nichts von Kl. schreiben müste. Hr Kirchenschreiber ist ganz neutral geblieben in den händeln mit K. Heß von Altstätten steht mit K. nicht viel besser als ich.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
A Monsieur Soulzer professeur tres-celebre à Berlin
Siegelreste.