Mein liebster Hr. und Freünd.
Ich habe bey ihrem Brief von Klopstoks lezten Tagen und seinem Abschied aus Zürich Thränen der zärtlichsten Wehemuth geweinet. Ich weinte sie über Sie und über Heßen; ich weinte auch über Klopstoken, der die beste Freünde gegen Leüthe vertauscht, die ihn in Labyrinthe hineinführen werden, daraus er sich nicht wird zu helffen wißen. Aber ich habe noch einige Hoffnung, daß Klopstok Ihnen noch nicht gestorben. Er ist einiger maßen in dem Fall ihres Cimons. Die Jugend und Unerfahrenheit haben ihn mit starken Banden gefeßelt, welche die Erfahrung auflösen werden, und als denn wird ihn die Weisheit Ihnen wieder zuführen. Ihre Redlichkeit wird indeßen genug seyn, Sie zu beruhigen; denn ich sehe nicht, daß Sie sich was vorzuwerffen haben. Nur darüber wundre ich mich, daß weder Sie noch Hr. Breitinger ihm die Verbindung mit Rahnen abgerathen. Ich hatte erwartet, daß die erste Frucht ihrer Aussöhnung seyn würde, daß er Rahnen verlaßen würde.
Ich habe nicht erfahren, daß Klopstok was nachtheiliges von ihnen nach Deütschland geschrieben. [→] Über mich hat er sich gegen Hrn. Sak einiger ausdrüke wegen beklagt, die ich an Künzli geschrieben hatte, aber es war nichts, das ich nicht noch jezo mir öffentlich zu sagen getraute. Ich habe neülich an Hagedorn geschrieben, und weil ich vermuthete, daß er von ihren Sachen etwas erfahren, erwähnte ich ein Wort davon. Ich schrieb ihm, Einige junge Leüte, die sich Klopstokens bemächtiget, haben zu einiger Kaltsinnigkeit zwischen Ihnen und Kl. anlas gegeben, die aber nun der Freündschafft wieder Plaz gemacht habe. Dies wird Ihnen wol nicht zuwieder seyn. Es dünkte mich gar zu affektirt davon ganz Stillzuschweigen.
Nach ihrem Bericht sollte Klopstok Leipzig schon paßirt seyn. Ich habe aber noch keine Nachricht von ihm, ungeachtet ich erst gestern Briefe aus Leipzig erhalten. Ich wünschte sehr Kl. zu sehen um ihm alles zusagen, was ich auf dem Herzen habe. Aber ich hoffe, daß er von sich selbst zurükkehren, und Sie für die Schmerzen, die er ihnen gemacht hat, belohnen wird. Indeßen müßen Sie ihre Redlichen Absichten selbst für die Belohnung nehmen. Diese sind insgemein die größten Belohnungen, welche die Rechtschaffenheit giebt.
Sie müßten Seit dem ich den Noah empfangen habe schon zwey Briefe von mir bekommen haben. Ich habe nun Ramlern den Noah zu lesen gegeben. Er ist seit dem 3 mal bey mir gewesen, ohne ein Wort davon zu sprechen, ungeachtet ich ihm Gelegenheit dazu gegeben. Ich weiß wol, daß er den Verdienst dieses Werks, der in meinen Augen der größte ist für nichts rechnet, und daß einige schlechte Verse, oder eine unausgearbeitete Rede ihm alle die hohen Gesinnungen der Tugend und Gottesfurcht die darin herrschen nicht achten macht. Wer nicht wolklingend und mit ausgesuchten Bildern spricht, der kann ihm nichts schönes sprechen. Hr. Sak hat jezo andre Arbeit vor, die ihm die Zeit weg nihmt, aber auf Ostern werde ich Ihnen seine Gedanken schiken.
Dr. Hirzels Beschreibung der Seefarth ist in den Händen des Hrn. v. Kleist, und unser Reise Brief in den meinigen. Ich suchte ihn zu erhaschen ehe ihn viel Leüte gelesen, nun gebe ich ihn nicht mehr aus meinen Händen.
Auf Ostern werde Ihnen von den Crit. Nachrichten alles schiken was von N. 25 an heraus gekommen. Sie sind jezo erbärmlich. Kleist arbeitet an seinem Sommer. Hr. Cramer in Quedlimburg nach welchem Sie fragen, scheinet mir einen liebenswürdigen Charakter zu haben. Ich kenne ihn von Person. Aber er hat auch das, was mir hierzulande an so vielen wizigen Köpfen mißfällt. Die Freündschafft zeiget sich kaum in einer andern als in der Tändelnden Gestallt. Gleim, der sonst das beste Herz mit großen Einsichten und den besten Eigenschafften hat, ist mir durch sein Tändeln ofte unerträglich worden. Kleist ist der ernsthafteste. Doch hat ihm Dr. H. Brief, den ich nicht halb habe durchlesen können, ungemein wolgefallen. Ich habe einen unersezlichen Verlust erlitten, wenn ich es einen Verlust nennen kann, daß Künzli nicht hieher gekommen. Ich hatte ihn an des verstorb. Dr. Elsners Stelle zum ersten Prediger der größten Gemeinde die hier ist vorgeschlagen. Man schrieb ihm, ohne mir zusagen, ob man auf ihn reflectiren wollte, und er schlug die Stelle aus, weil ich ihm noch nichts davon geschrieben hatte. Dieses verdrießt mich übel.
Ich habe eine recension von den 2 ersten Gesängen des Noah in die Bibliotheque Germanique gemacht. Ich hatte auch einen Brief über den Noah für unsre Critischen Nachrichten aufgesezt, darin ich dieses Gedicht blos in einem moralischen Gesichts Punkt betrachtet. Aber Raml. hat ihn unterdrükt.
Ich schließe aus ihrem Post Sc. daß Sie ihre Empfindungen über die Begeb. mit Klopstok etwa in einem Gedicht ausgedrükt haben. Würden Sie mir wol die Lesung deßelben vergönnen, wenn ich Sie darum ersuchte?
Ich verbleibe mit zärtlichster Hochachtung
Ihr
ergebenster
Dr Sulzer
den 27 Febr. 1751.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.