Monsieur le professeur,
Mein werthester Herr und Freund.
Ich saß vergangenen Samstags tout isolé bey der mittagstafel, als ich von Hn Schultheiß die nachricht von ihrer Beföderung empfieng. Alle meine Gliedmaßen verspürten darüber eine plözliche Bewegung wie einen schauder, der dadurch fuhr. Ich hatte sonst geglaubt, daß nur das schreken sich durch eine solche schauernde Erschütterung erzeigete. Es war ohne Zweifel bestürzung, ich hatte alle hoffnung verlohren, daß es Ihnen gerathen würde. Daher entstuhnd das Versgen,
Daß Sulzern eine Kanzel dreymal fehlet;
welches zu meinem grösten vergnügen durch Ihre promotion izt verderbt ist. Es war aber schon gedrukt, und konnte nicht mehr geändert werden wiewol das stük der freymüthigen nachrichten, darinnen es steht, erst heute publicirt wird. Wollte Gott, daß die darauf folgende Zeile bäldest eben so wol der falschheit bezüchtiget werden könnte! Wie lange soll ich noch klagen daß
Gleim unbefödert lebt, der hundert Gönner hat.?
Sonst, wie die Kanzel Ihnen dises mal nicht gefehlt hat, so weis ich daß sie noch viel weniger der Kanzel fehlen werden. Ich erwarte viel gutes von ihrer künftigen anwesenheit in Berlin, und ihrer beywohnung bey so wakern, und geschikten männern, wie Maupertuis, Euler, Sak, Gleim, p. sind; denn es ist nicht möglich daß sie alle ihre künftigen stunden der Mathesi widmen; und dise selbst wird unter Ihren händen eine so annehmliche Gestalt bekommen als sie bey ihrem Ernst nur haben kann. Ich halte es vor keine geringe Condecoration Ihrer Beföderung, daß solche durch den starken Vorschub eines mannes von den verdiensten des Hr. de Maupertuis geschehen ist. Ich bin glüklich mit meinen Freunden, die ihr Vaterland ausgestoßen hat; Hr. Samuel König, als er vor drey Jahren ins Exilium wanderte, nahm einen Abschied von mir, der mir mächtig zu herzen gieng, wiewol er selbst, aus einiger desperation, wie ich glaubte, dabey ganz kalt war. Allein man hat ihn dem Glük entgegen gejagt, er hat die Gnade des Prinz Statthalters in hohem Grade und jüngst war das geschrey, daß der Prinz ihn in England habe reisen lassen. Izt habe ich an Ihnen den zweyten professor an der Fremde.
Nach demjenigen, was sie mir in confidenza von der station bey Hr. Bachmann gemeldet, mag ich sie Hn pfarrer Heer von Azmoos nicht belieben; Wenn aber Hr. Bachmann resolvierte, an Ihrer Statt einen andern Informator seiner Söhne anzunehmen, so bitte mir, oder Hn Kirchenschreiber, der Hn Heer noch besser kennt als ich, umständlicher zu melden oder melden zu lassen, was Hr. Bachmann für officia von einem fodert, und was für trost, oder besserung einer bey ihm findet. Ihre beföderung möchte zwar den Hn. Heer aufmuntern, als ob sie eine folge von ihren diensten bey Hr. Bachmann wäre, aber ich kan ihn darüber schon das gewissere verständigen.
Ich habe ein buch unter dem Titel gesehen Theorie où science des sentimens agreables; es ist zu Genf gedrukt, der Autor wird nicht genannt, soll aber kein Genfer seyn, sondern ein Pariser, Hr Vernet hat eine Vorrede dazu geschrieben. Wären hier Exemplare davon zu finden, so hätte ich Ihnen eines geschikt. Der Autor hat Shaftburi fleißig gelesen. Ich muß das werk auch Hn professor Meyer bekannt machen, welchem es zu seiner Æsthetik einigermaßen dienen kan; es ist vil Gründlichkeit darinnen, aber nicht so viel, als sie oder Hr. Meyer einer solchen Materie mittheilen könnten.
Sie werden sehen, daß am Ende des Schreibens vor der Duncias den Bernern ein stich versezet worden. Gottsched hat ihnen 1741. den siebenden Band seiner beyträge zur Critischen Historie dedicirt, und sie haben ihm hingegen den Brachmann zugeschrieben. Dise Bernische deutsche Gesellschaft ist und bleibt statua taciturnior. Schwarze hat eine Ode auf den Wein, und die Liebe, die er geschmidet, für Lamprechts Arbeit ausgegeben, und ein stük, das Lau aus der Aeneis übersezt hat, hat er vor ein Werk empfohlen, welches in Bodmers und Breitingers Schreibart geschrieben wäre; beyde dinge hat Zunkel von Regensburg verlegt; darum sage ich
Wie Schwarze Lamprecht ist, so sey Lau Bodmer.
Ich habe gute lust künftig die Duncias mit deutschen dunces auszufüllen, wofern mir nur meine leute einen reichen vorschlag von den bestverdienten machen wollten.
Mir fällt ein, daß sie in dem Mädchenfreund die Idee von der platonischen liebe mit glüklichem Erfolge brauchen könnten, in welcher Petrarcha so vortrefflich gewesen. Ohne Zweifel kennt man den Petrarch zu Berlin. Vor 10 od. 12. Jahre hat ein Regolotti den Theocritus sehr gut italienisch übersezt. Ich habe ihn beschrieben. Vielleicht dient er zu dem Mädchenfreund. Der Hr. Georg Schuldheiß hat den Musäus verdeutscht, aber ein wenig hart, und ich fürchte, daß man ihn mit eben so leichter Arbeit von neuem übersezen könnte, als man seine Verdeutschung verbesserte.
Ich habe erst wahrgenommen, das der Hr. von Hagedorn der Critischen Briefe, die von mir publicirt worden, mit einem schönen beyworte gedenkt; pag. 5 des Vorberichtes seiner Oden und Lieder. Sie glauben gerne, daß dises nicht die feinste art zu loben ist. Hr. Dan. Stoppe wird pag. 177. eben so gut gelobet. Ich wollte lieber das verstekte lob in den zeilen an den Buchdruker Zunkel
Raub unsern Frieden kühn die stolzen Nahmen
Daß wir uns bald auch unsrer Gleime rühmen.
Welche Zeilen dem Obotriten J. D. Oberek in den mund geleget werden.
À propos, man hat mir gesagt, es sollte für Oberek Overbek gedrukt seyn. So heißt einer, der in den schwäbischen Belustigungen (brachmonat 1744) einen Artikel eintragen lassen: die Gabe zu schreiben. Er beweiset daselbst, daß niemals jemand geschrieben hat, ohne zu denken; ausgenommen Kobolde aus der Miltonischen Welt. Das stük ist wider die spötter gerichtet, die gesagt, die Gottscheden schreiben mit den fingern, ohne Kopf. Es heißt darinnen: Gottsched ist mir längst beygefallen da ich die Feder angesezet.
Meine Gedanken waren nur, Ihnen eine Art von Glükwunsch zu thun; Izt hat die lust mich mit ihnen zu unterhalten, bis auf die vierte Seite fortgeführt.
Ich verbleibe mit Vergnügen
Votre tres h. obeiss. ser. & ami
Bodmer
Zürch den 13 Sept. 1747
[→]jour qui preceda celui du depart de Mr. Hirzel.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13a.