Mein theürer Freünd.
Da ich an Hrn. Orell seines Sohnes halber zuschreiben habe, so muß ich nothwendig auch Sie im Vorbeygehen grüßen; ob ich sonst gleich Ihnen nichts zu sagen habe, oder vielmehr mich auf nichts besinnen kann, da ich mit unendlicher Arbeit überladen bin. Dieses soll Sie aber nicht erschreken; denn das Ende derselben ist nahe, und ich rüste mich schon in einigen Tagen nach meinem Garten zu ziehen und daselbst einer erquikenden Ruhe mich zu überlaßen.
Ich habe doch lange nichts von Ihnen bekommen; aber von unserm liebsten Waser habe ich vor ein paar Tagen einen mir sehr angenehmen Brief erhalten. Ich werde aber 8 Tage Anstand nehmen müßen, ihm zu antworten und wenn Sie ihm inzwischen Schreiben, so bitte es ihm zu sagen. Auch wünschte ich, daß Sie dem Hr. Escher im Wollenhof sagten, daß die überschikte Pfropfreiser wol angekommen und daß ich in wenig Tagen ihm selbst meinen Dank dafür abstatten werde.
Es geht hier ein Gerüchte, daß die Händel in Neufch. immer ernstlicher werden, und die Sache fängt an hier einiges Aufsehen zumachen. Schreiben Sie mir doch, was Sie zuverläßig davon wißen.
Wir sind hier in Große Trauer gesezt, da wir einen sehr liebenswürdigen und hoffnungsvollen Prinzen; den Bruder des Prinzen v. Pr. durch die Poken verlohren haben. Spes altera Gentis. Der Verlust ist an sich sehr groß, und könnte durch die Umstände unendlich fatal werden. Mich schmerzt der Verlust um so viel mehr, da ich seine ganz fürtreffliche Eigenschaften von seiner Kindheit an, selbst beobachtet und erfahren habe. Ich umarme Sie von ganzem Herzen.
JGS.
den 30 May.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13b.
Herrn Profeßor Bodmer in Zürich