Insonders Hochgeehrter Herr und Freünd.
Der Hr. Mag. Lange hat ihnen in einem neülichen Schreiben, wie er mir gesagt ausführliche Nachricht von hiesigen critischen Neüheiten gegeben, und wird auch, wenn es noch angeht durch diese Gelegenheit noch schreiben, daß ich also nicht weitläufftig seyn darff. Er hat uns auf ein paar Tage hier besucht und ist heüte mit der Doris, die er bey sich gehabt hat, wieder verreißt. Er hat die schönen Illuminationen, die vorgestern zur Feyrungs der Friedenverkündigung hier sind gemacht worden mit angesehen. Er hat eine sehr Lange Ode auf die wiederkunfft des Königs gemacht, die aber den Beyfall seiner Freünde nicht gehabt hat und deßwegen auch nicht ist gedrukt worden. Er ist sehr ungleich. In einem Tag macht er often zwey Oden, davon eine sehr schön, die andre sehr schlecht ist. Ich hoffe daß Sie ihm nichts schenken, sondern seine Arbeiten strenge beurtheilen werden, er hat es nöthig und leidet den Tadel sehr gerne.
Hier bekommen Sie eine Probe seiner Übersezung der Horazischen Oden, ich habe hier und da eine kleine Anmerkung gemacht. Gleim hat ein Bändchen Oden von ihm auf Ostern sollen herausgeben, weil er aber Geschäffte bekommen hat, so dürffte es wol unterbleiben. Ich glaube, daß ich Ihnen schon gemeldet, daß er Kriegsrath in Küstrin geworden. Er hat aber seine Bedienung noch nicht angetretten. Entweder wird seine Poesie unter dem Amt oder das Amt unter der Poesie leiden müßen.
Die Oden von Hrn. Henzi erwarte mit verlangen, die Epitre à la Duchesse de Modene hat viel Beyfall gehabt, und unlängst hat man seine Ode sur la Bataille de Friedeberg auf des Königs Schreibepult liegen gesehen. Hr. Lange wird bey Hofe keinen Beyfall finden, er müßte denn französische Oden machen. Es ist eine Fatalitæt vor die deütsche Sprache und den guten Geschmak daß bey Hofe die deütsche Sprache gar nicht gelitten ist.
Ein gewißer Schlesier Stökel, hat zwey schöne Gedichte gemacht. Das erste heißt das befreyte Schlesien, ein Helden Gesang, das zweyte geht auf den Frieden. Es ist viel poetisches Feüer und viel andre Schönheiten darin. Ich kann diese Stüke hier nicht haben, sonst würde ich sie Ihnen schiken. Es soll auf Ostern geschehen, bis auf diese Zeit werden wir auch ein paar Satyren fertig machen, die den Hr. P. Gottschede züchtigen sollen. In Berlin ist der erste Theil einer Monat Schrifft herausgekommen unter dem Nahmen Bibliotheque critique, worin Hr. Gottsch. auch ziemlich gezüchtiget wird wegen seiner Critic über etliche Stüke aus dem VI Theil der Oeuvres de Mr. de Voltaire.
Ich bin
Meines Ins. Hochgeehrten Herrn und Fr.
ergebener Diener Sulzer.
Magdeb. den 26 Jan. 46.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 5a. – A: ZB, Ms Bodmer 13a. – E: Anonym Über Friedrich den Großen I 1807, S. 347 (Auszug).
Übersetzte horazische Oden von Samuel Gotthold Lange.
Vermerk Bodmers am rechten unteren Rand der zweiten Seite: »beantwortet auf Ostern 1746«.