Brief 16. – 23. März 1771, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 16. – 23. März 1771

Ich erstaunte, mein theuerster, über den reichthum der Arbeit des denkenden polyhistors, über die gründlichkeit, die sich in dem detail mit solcher feinheit, preciseté, herausnimmt. Wie verstokt müssen die Critiker seyn, die in ihrem Werke nicht sehen wollen, was sie nothwendig sehen müssen! Sie dürfen wol mit der Überzeugung es in die Welt schiken, die ein Lav. für seine Glaubens Wunderkraft hat, und eine zuversichtlichere weis ich nicht. Ich denke sie dürfen unbeschadet der reinsten Bescheidenheit sich selbst bewußt seyn, daß ihr Werk in seiner Art die Vollkommenheit hat, die ein vernünftiger Mann sich davon vorstellen kann. Wie hätten sie es so gut verfertigen können, wenn sie sich selbst dessen, was sie macheten, nicht bewußt waren? Für den guten Ausdruk wollte ich Ihnen mich verbürgen, wenn ich über diesen Punkt mir selbst mehr zutrauen dürfte.

Von den musicalischen Artikeln begreife ich freilich das wenigste, weil ich aber die andern so vortrefflich finde, so schliesse ich meliora latere. Wenn gleich die Natur des Werkes es Ihnen nicht verboten hätte, so ist es politik, daß persönliche Critiken weggelassen werden, und welcher Autor zählt nicht seine schriften zu theilen seiner person? Sie haben immer so viel gesagt, daß jedermann für sich bemerken muß, was für ihn gesagt ist.

Was sie Gutes von mir sagen, und Sie erinnern sich meiner nicht selten, überlasse ich Ihnen zu verantworten. Ich bin es zufrieden, daß diejenigen die schlechter von mir denken, doch gestehen möchten, daß freundschaft und liebe für mich Sie zu weit geführt hat.

Sie sind nicht der tanto promissor hiatu, noch der qui fera et qui fait sondern der qui a fait. Ich weissage, daß ihr Buch epoque machen werde. Die Grundsäze für Poesie, Musik, Mahlerey, Baukunst, sind so sehr dieselben, sie schlagen so genau in einander ein, daß sie sich unterstüzen. Alle Notionen davon müssen fallen, oder ihr System muß stehen. Die Geschmaksschismatiker müssen sich zu ihm bekennen oder von jedermann für unglaubige angesehen werden. Wie liebenswürdig sind die stellen, in welchen sie sich der Morale, des rechten Armes der Poesie, annehmen, den Herder ihr hat abschneiden wollen! Es ist kaum möglich daß die Übertreter Ihrer Lehren sich beleidiget halten; wenn sie sich doch beleidiget halten so dörfen sie sich es nicht merken lassen. Wenn Wieland nicht verlernet hat sich zu schämen so muß er Winke genug finden sich zu schämen. Alles brillantierte reißt ihn dahin. Wir wissen seinen beruf nach Giessen von Hn La Roche, den der Churfürst von Mainz zu seinem Ministre des affaires etrangères gemacht hat. Unser doctor Hirzel hat der Madl. La Roche, der vormaligen Sophie, aufs gewissen gelegt, daß sie an Wielands Verbesserung arbeiten solle. Ich habe keine Abschrift von meinen briefen an ihn. Ich habe ihm eben nicht geprediget; es waren aber Wendungen, die viel zu verstehen gaben. Sein Verleger hat kein schwaches Recht auf die Verse, die Pope in der Dunciade für Curl gesezt hat:

Mit ungestüme brach der strohm hervor,
Und rauschend sprüzt er über seinen Kopf.

Man dächte diser mensch, Wieland, wollte die Existenz der yahoos beweisen, die er für eine lästerliche depredation der menschheit und Swiften für den gottlosen lästerer derselben ausgeschrien hat.

Ich bereue Zimmermann als das Genie; die Hanoveraner mögen ihn als den Medicus beklagen. Er besaß die peitsche mit welcher er die dunsen und die yahoos züchtigen könnte, wenn die laune ihn nach diser seite gelenkt hätte. Lavater hat an ihm einen Bundsmann, einen halben proselyten verlohren. Wiewol; wir zweifelten oft, ob Zimmermann ihn nicht zum besten hatte. Wieland und Zimmermann hatten ihr Spiel mit einander; heute zankten sie sich wie Heringsweiber und küzelten sich morgen wider.

Sie selbst mein Liebster, bedaure ich noch mehr, daß sie an Hr. Mitschel einen Mitdenker verlohren haben, der für Sie beynahe der Einzige war.

Aber die beföderung Hn Kramers nach Klosterbergen erquiket mich. Ich denke er kömmt in seine Sphär.

Klopstok ist doch bey Bernsdorf recht gut versorgt. Ich sehe, daß sie [→]dem poeten wegen seiner übertriebenen Empfindungen starke Winke gegeben haben. Ich habe aber auch nicht übersehen, was Sie für mich vielfältig dienliches hier und dar berührt haben. Ich sage dieses aus Dankbarkeit. Ich habe bey hiesigen Orell, Füßli und ihren Mitgenossen allen Credit verlohren. Sie haben meine Gracchen und Cherusken gelobt und verworfen. Den Adelbert von Gleichen hab ich niemanden gezeiget; aus furcht daß man ihn meiner gravität, der gravität von 72. jahren unwürdig finden möchte. Ich hoffe der Esprit des Zeitpunktes von den Kreuzzügen mit Absicht auf Religion, Ritterschaft und Frauenzimmer sey nicht übel beobachtet. Es sind gedanken in dem stücke, welche man für die zeiten des mittleren Alters zu delicat finden möchte; ich könnte doch die personen aus denselben nennen, die sie würklich gedacht haben.

In dem Artikel von den Alten seite 46. a. b. haben Sie meine Gedanken mit vollem Herzen geredet. Und als ich im Artikel Aeneis seite 18. a. las: Virgil war nicht der vollkommenste dichter für die Römer, die zu seiner Zeit doch noch nicht alle stärke ihres vormaligen Charakters verlohren hatten; rief ich laut aus: Diese bemerkung kann kein mensch gemacht haben, der nicht die feinsten Empfindungen von Rechten der Freiheit und der Menschlichkeit hatte! Aber eben darum wird sie auch weniger einleüchten.

Ich fühlte einen anfall von begeisterung, und die Verse flossen mir von den lippen:

Kömmt vor die stirne des Samojeden ein stral von der Wahrheit
Daß ihn bey der Geburt der Schöpfer mit Rechten begabt hat,
Die ein tyrann durch gewalt zertreten konnte? Wir zweifeln.

Ich kann nicht prätendieren, daß die sitten der zeiten und der personen in der Noachide mehr als einen schwachen Anstrich jenes entfernten Weltalters haben, und sie sind gütig, daß sie mir dieses in dem Artikel Charakter zugeben. In dem Gedichte die sündflut hab ich die antediluvianen mehr zu wilden gemachet. Ich möchte gern wissen, wie Menschen aussehen müßten, welche sich der sündflut schuldig gemacht haben, ohne daß sie mit den Menschen der spätern Zeiten grosse Ähnlichkeiten hätten. Haben Sie Übelthaten begehen können, die nicht seitdem begangen sind und begangen werden?

Einer von meinen tadlern hat in meinen Epopöen eine Menge mythologischer Dichtungen gefunden, welche, wie er sagt, für die Zeit und den Ort unwahrscheinlich seyn. Ich denke es sind eigentlich nicht mythologische Dichtungen, was er meint, sondern Ähnlichkeiten mit mythologischen begegnissen. Hüet hätte gesagt, daß die mythologisten ihre Erdichtungen aus meinen antediluvianischen geschichten nachgemacht haben. Sie sagen; mit bewunderungswürdiger Geschiklichkeit habe Klopstok sich ganz in die Sitten und die sinnesart seiner Zeiten sezen können. Auch hier sind Sie gütig. Ich sehe in der Messiade nichts von der Vorstellung, welche die Juden sich von dem Messias als dem Erretter von dem Joche der dienstbarkeit gemachet haben. [→]On sait assez que les Juifs s'etoient toûjours revoltés contre leur souverain dans toutes les occasions; car un Juif ne devoit servir sous aucun roi profane.

Was sie in dem Artikel Abschnitt von der Cæsur sagen, dünkt mich eine musicalische verfeinerung. Wie wenig ist die Ruhe, wenn sie nur ein Ruhepunkt der stimme ist? Jeden Menschen wird sein Athem lehren, daß er den hexameter nicht mit gleich starker bewegung des Athems aussprechen muß. Warum gründet der Verf. die Veränderung der stimme nicht in dem Inhalt? und fodert er in jedem Vers eine solche ⟨Unänderung⟩, wenn der Inhalt es gleich nicht leidet? Wird der Inhalt nicht genug verhüten, daß das gefühl des fortfahrens sich nicht verliehre? Die Alten haben nicht mehrers gewußt als daß die Cäsur ein Mittel der scansion sey. Wenn Worte verschnitten werden, entstehen daraus füsse. [→]Arma vi + rumque ca + no, Tro + jæ qui p. Ich habe allezeit geglaubt die scansion sey eine Erfindung den musicalischen Wolklang des Verses zu befödern. Und wir haben den verständigen Ohren der Griechen dafür zu danken.

In dem Artikel Ähnlichkeit stehet: Wir finden gefallen an ähnlichkeiten die von keiner kunst herrühren; an dem florentinischen marmor, der eine landschaft vorstellt: Diser marmor hat seine ähnlichkeit allezeit von der Kunst, wiewol es die Kunst der Natur ist. Allemal beurtheilen wir ihn als Kunstwerk.

Warum unter dem Artikel allegorie s. 32. a. soll Miltons Sünde ein allegorisches bild seyn? Er hat sie doch zu einer person gemacht und in handlungen verbunden, und so den Tod. Warum machet man den Anarch im Chaos nicht auch zu einem bilde?

Wenn man bey Ihnen Mr. Clements Observations Critiques hat, die vorigen Winter in Paris aus der Presse gekommen, so werden sie sehen wie Cavallirisch er mit Kleist, Zacharie, Geßnern, umgehet. [→]Il pretend que St. Lambert devoit laisser la poesie descriptive aux Allemands qui l'ont, dit-il, créee par un defaut de goût. Il les accuse de verve froide et de gravité niaise. Wenn sie nur poetische landschaften gemahlet hätten, so wollte ich ihm recht geben. Aber sie sezen in ihre landschaften Schäfer, Amore, silvanen, faunen, und diese in Affekten und Actionen.

Sie, mein Liebster, sagen, daß alle äussern mittel vorhanden seyn jeden unsrer Kantons glüklich zu machen, es fehle nur an den innern. – Sie meinen vermuthlich, es fehle uns nur die starke seele, die den Willen habe nicht wollüstiger leben zu wollen, als unser rauhes, hartes, steinigtes land uns erlaubt, und mit den produkten die es uns gönnet, zufrieden zu seyn. Aber diesen Willen müßte der Himmel uns à machinâ geben. Wir wollen bequem, niedlich und zärtlich essen, trinken, wohnen, uns kleiden.

den 16.ten März.

Seitdem ich obiges geschrieben, haben wir die erfreuliche nachricht daß der Dr. Zimmerman noch lebt; ich wünsche ihm ein langes und angenehmes Leben, ohne von ihm zu fodern, daß er die peitsche, die er hat, gebrauche die yahoos oder die dunse zu züchtigen.

Sehen Sie, mein Liebster, ob sie aus dem blatt über das politische Schauspiel etwas machen können. Das blättgen von den Idiotismen und den Versezungen der Wörter soll Ihnen nur Gelegenheit geben dise artikel abzuhandeln, die freilich nicht weit her sind.

Die Briefe über Basedow sollen sie nur mit zween Charlatans bekannt machen. Ich hatte gehoffet Ihnen noch einige bessere Schriften schiken zu können, welche aber unter der presse aufgehalten oder gar verwahrloset werden. Ein Werkgen wird auf die Messe kommen über das Mönchswesen, in der form von briefen, es ist Ihrer Nachfrage vor zwanzig andern würdig.

Ich umarme sie, den Einzigen in Deutschland vom Rhein bis an den Belt, der vor meinem tod mich nicht durch seinen tod oder seine Kaltsinnigkeit verlassen hat; ich umarme Sie von ganzem Herzen.

Bodmern

den 23sten März 1771.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13b. – E: Zehnder-Stadlin 1875, S. 429–433.

Einschluss und mit gleicher Sendung

J. J. Bodmer, Über das politische Schauspiel. – Ders., Anekdoten von meinen politischen Dramen. – Ders., Elfter Abschnitt Von den Versetzungen, den Idiotismen, und den Synonymen aus Grundsätze der deutschen Sprache. – I. Iselin/J. C. Lavater, Einige Briefe über das Basedowsche Elementarwerk, 1771.

Vermerke und Zusätze

Vermerk Sulzers am oberen Rand der ersten Seite: »23 März 71.«

Eigenhändige Korrekturen

und welcher Autor zählt
und welcher ⌈Autor⌉ zählt
Lehren
GesezeLehren
die zeiten des mittleren Alters
diese zeiten ↑des mittleren Alters
wir ihn als
wir sieihn⌉ als
32. a. soll Miltons
32. a. ⌈soll⌉ Miltons

Stellenkommentar

musicalischen Artikeln
Sulzer war beim Verfassen von den Artikeln zur Musik u. a. von dem Komponisten Johann Philipp Kirnberger unterstützt worden. In einem nicht datierten Schreiben an Kirnberger, das Jahre später in Carl Friedrich Zelters Ausgabe der Allgemeinen Theorie gefunden wurde, schrieb er: »Auf einem andern beygelegten Bogen habe ich einige die Wahl der Tonarten und der Töne betreffenden fragen ausgeführt und stelle dabey anheim, wie weit sie es für gut halten, sich in Beantwortung oder Untersuchung derselben einzulaßen.« (SBB, Sammlung Darmstaedter).
tanto promissor hiatu
Hor. epist. II, 3, 138: »quid dignum tanto feret hic promissor hiatu?« Übers.: »Was wird dieser Verheißer bringen, das eines so weit aufgemachten Mundes würdig ist?« (Horaz, Buch 2 der Briefe, Über die Dichtkunst, 2018, S. 628).
von Hn La Roche
Die Information findet sich in einem Brief von Georg von La Roche an Hans Caspar Hirzel (ZB, FA Hirzel 234.46–73). La Roche hatte zuvor in den Diensten des Mainzer Kurfürsten gestanden, 1771 wurde er jedoch nicht in Mainz, sondern in Trier vom dortigen Kurfürsten Klemens Wenzeslaus zum Minister und Geheimrat erhoben.
Verse, die Pope
[J. J. Bodmer], Alexander Popens Duncias, 1747, S. 19, Buch 2, Vers 204 f. Gemeint ist der Verleger Edmund Curll, der Korrespondenzen Swifts u. a. mit Alexander Pope ohne dessen Zustimmung publiziert hatte. Pope wehrte sich gegen diese Publikation. Vertreten durch William Murray (den späteren Lord Mansfield) verlangte er, die Veröffentlichung einzustellen.
die Existenz der yahoos beweisen
Wieland setzte sich 1770 im zweiten Band seiner Beyträge zur Geheimen Geschichte des menschlichen Verstandes und Herzens, S. 61–68, mit Swifts satirischer Yahoo-Geschichte aus Gullivers Reisen auseinander. Vgl. dazu Holdenried Wielands »Beyträge« als Umrissskizze einer frühen ethnopsychologischen Allegorie 2014.
bereue Zimmermann als das Genie
In Zürich hatte sich ein falsches Gerücht verbreitet, dass Johann Georg Zimmermann gestorben sei. Weiter unten im Brief korrigiert Bodmer dieses Gerücht. Vgl. dazu auch Zimmermanns Brief an Isaak Iselin, Johann Caspar Lavater und Hans Caspar Hirzel vom 28. März 1771: »Gestern erhielt mein Freünd Rechberg von Herrn Basedow die Nachricht, daß in Zürich versichert werde: ich sey entweder todt oder sterbend. Vor zwey Jahren ward in Zürich versichert: ich sey wahnwitzig. Ihrem Publico, meine wertheste Freünde, danke ich für sein gütiges Andenken. Ihnen aber halte ich mich verpflichtet zu sagen, daß ich nicht todt bin [...] Künftigen Sommer werde ich mir in Berlin entweder meine Gesundheit hohlen oder sterben. Ich werde mir dort den großen Klump meines beständig heraushängenden Scirrhosen Netzes, die liebe taricöse Samenschnur und den lieben Testikel herausschneiden laßen.« (ZB, FA Lav Ms 533.4–219). Zimmermann wurde im Herbst 1771 in Berlin an einem komplizierten Hoden- bzw. Leistenbruch operiert. Der leitende Arzt der damals als äußerst heikel geltenden Operation war Johann Friedrich Meckel d. Ä. Die Operation, die in Meckels Privatwohnung stattfand, sorgte für viel Aufsehen bei prominenten Persönlichkeiten, u. a. bei Nicolai, Mendelssohn und Sulzer. Letzterer war bei »der schrecklichen Szene [...] an Hr. Prof. Meckels Tische« anwesend (Zimmermann an Sulzer, 30. November 1771, abgedr. in: Bodemann Johann Georg Zimmermann 1878, S. 205). Anna Louisa Karsch dichtete sogar eine Ode auf Zimmermanns Operation mit dem Titel An Herrn Leibmedicus Zimmermann. Bey seiner ausgestandnen Wundkur in Berlin, 1771. In: Dies., Neue Gedichte, 1772, S. 49–52.
Mitschel einen Mitdenker verlohren
Der englische Gesandte und Vertraute Sulzers, Sir Andrew Mitchell, war am 28. Januar 1771 in Berlin gestorben.
beföderung Hn Kramers nach Klosterbergen
Nach der durch Sack, Spalding und Sulzer in Kloster Berge absolvierten Inspektion im Frühjahr 1770 wurde der dortige Abt und Direktor des Pädagogiums, Johann Friedrich Hähn, aufgrund unangemessener Amtsführung abgesetzt. Johann Andreas Cramer nahm die vakant gewordene Stelle jedoch nicht an. Vgl. die Anmerkung von Sulzer in der Abschrift des Briefes: »*Er hat die Einladung diesem Closter als Abt vorzustehen von sich gelehnt.« (ZB, Ms Bodmer 20.9–11).
dem poeten [...] winke gegeben
Sulzer erwähnt Klopstock häufig im ersten Teil seiner AT, u. a. auch im Artikel »Erdichtung«, wo es heißt: »In einigen einzeln Stücken solcher Erdichtungen ist Klopstok überaus glüklich gewesen; und man kann unter andern seine Beschreibung von dem Tod Ischariots im VII Gesang, für ein großes Meisterstück dieser Art halten. Hätte dieser große Dichter bey der Meßiade sein Hauptaugenmerk auf ein solches sinnliches System gerichtet, und hätte er weniger auf gewisse Lehren der dogmatischen Theologie gesehen, so würde die Religion unendlich mehr dabey gewonnen haben. Doch hätte er das sonst bewundrungswürdige Feuer, und den erstaunlichen Reichthum seiner Phantasie um ein merkliches mäßigen müssen.« (Sulzer, AT, Bd. 1, 1771, S. 333).
Artikel von den Alten
Bodmer zitiert im Folgenden aus seinem Exemplar von Sulzers AT (ZB, Sign. 28.890–91).
Verse
Nicht ermittelt, von wem die Verse stammen oder ob sie publiziert wurden, falls sie auf Bodmer selbst zurückgehen. Vgl. zu dem Volksstamm der u. a. in Sibirien lebenden Samojeden auch Bodmers Brief an Johann Heinrich Meister vom 24. Februar 1767 (Zehnder-Stadlin Pestalozzi 1875, S. 536).
Hüet hätte gesagt
Der französische Geistliche Pierre Daniel Huet. Auf welche Stelle sich Bodmer bezieht, konnte nicht ermittelt werden.
Sie sagen
Vgl. die Anmerkungen zu Bodmer im Artikel »Erdichtung«: »Noch scheinet das, was Bodmer in der Noachide hier und da von Erdichtungen dieser Art hat, das faßlichste zu seyn, aber dabey ist das System noch zu unvollständig.« (Sulzer, AT, Bd. 1, 1771, S. 333).
On sait assez [...] roi profane
Übers.: »Man weiß wohl, dass die Juden sich immer gegen ihren Herrscher erhoben in allen Umständen; denn ein Jude durfte unter keinem weltlichen König dienen.«
Was sie in dem Artikel Abschnitt
Sulzer, AT, Bd. 1, 1771, S. 5: »Abschnitt des Verses. (Caesur) Ein merkbarer Ruhepunkt, wodurch einige Verse in zwey Hälften getheilt werden.«
Arma + virumque
Verg. Aen. I, 1: »Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris«. Übers.: »Waffen besinge ich und den Mann, der als erster aus Troja, fliehend durch Schicksalsspruch, nach Italien kam«. (Vergil, Aeneis, 2015, Buch 1, S. 43).
In dem Artikel Ähnlichkeit stehet
Sulzer, AT, Bd. 1, 1771, S. 14 : »Wir finden ja einen Gefallen an Aehnlichkeiten, die von keiner Kunst herrühren; an einem Florentinischen Marmor, der eine Landschaft vorstellt, an einer Blume, welche große Aehnlichkeit mit einer Fliege hat und an vielen andern Dingen dieser Art.«
unter dem Artikel allegorie
Sulzer, AT, Bd. 1, 1771, S. 32 f.: »Das fürtrefflichste Beyspiel dieser Art giebt uns Miltons allegorisches Bild von der Sünde. Der Dichter stellt eine zwar nicht würkliche, aber der Einbildungskraft begreifliche Gestalt vor, deren Anschauen uns eben den Abscheu, eben den Ekel und solche Vorstellungen erwekt, welche aus überlegter Betrachtung der Sünde, die durch diesen erdichteten Gegenstand abgebildet wird, langsamer und bey weitem nicht so lebhaft, würden erwekt werden. [...] Es kann wol seyn, daß der barbarische Geschmak, der noch vor zwey Jahrhunderten geherrscht hat, den Gebrauch dieser Wesen eingeführt hat; da in den abgeschmakten dramatischen Schauspielen selbiger Zeit eine Menge allegorischer Personen handelnd eingeführt werden. Milton hat in seinem verlohrnen Paradies sich derselben als ein schöpferischer Geist bedient.«
Mr. Clements Observations Critiques
Jean Marie Bernard Cléments 1771 publizierte Observations critiques sur la nouvelle traduction en vers françois des Géorgiques de Virgile, et sur les poèmes des Saisons, de la Déclamation et de la Peinture. Darin geht Clément u. a. auf S. 239 und S. 240 auf Geßner und die deutschsprachige Poesie ein: »Welche Lobsprüche Saint-Lambert auch von der beschreibenden Poesie in seiner Vorrede mache, wo er sie eine neue, den Alten unbekannte Gattung nennt; so ist es nicht minder wahr, dass diese neue Gattung eine sehr schlechte ist, die man den Deutschen und den Engländern hätte überlassen sollen, die sie durch einen Mangel an Geschmack erfunden haben. [...] Nichts ist dem Geschmack der gesunden Antike widriger als diese kindliche Emphase, und dieser dümmliche Ernst, über Gegenstände die so wenig Aufmerksamkeit verdienen; die aber zu oft das kalte Feuer der germanischen Dichter erregen.«
Il pretend que [...] gravité niaise
Übers.: »Er behauptet, dass Saint-Lambert die beschreibende Poesie den Deutschen hätte überlassen sollen, die sie, sagt er, durch einen Mangel an Geschmack erfunden hätten. Er bezichtigt die Deutschen kalten Feuers und dümmlichen Ernstes.«
die erfreuliche nachricht
Bodmer erhielt diese Information vermutlich über Lavater, der mit Zimmermann in enger Korrespondenz stand.
Briefe über Basedow
J. C. Lavater und I. Iselin, Einige Briefe über das Basedowsche Elementarwerk, 1771 im Verlag David Bürgklis erschienen.
über das Mönchswesen
Briefe über das Mönchswesen von Georg Michael Frank von La Roche, dem Ehemann von Sophie von La Roche. La Roche hatte die Briefe bereits vor dem Tod seines 1768 verstorbenen Freundes Graf Stadion verfasst und auf Anregung des protestantischen Pfarrers Johann Jakob Brechter eine Abschrift davon nach Zürich geschickt. Vgl. dazu G. M. F. von La Roches Briefwechsel mit Salomon Geßner (ZB, Ms V 522.III.73). – Bürger Aufklärung in Zürich 2011, S. 85.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann