Gleims Kindereyen im grauen Kopfe sind moralisch poetische phenomene die wegen ihrer seltsamkeit eines Observateurs de l'Esprit humain würdig sind. Aber wir verzeihen Gleimen viel, das wir Klozen nicht verzeihen. Kloz hat keinen contrepoid für den Unrath den er in der deutschen Welt aufstänkert. Ich bitte alle meine Gönner ihm meine sachen preiszugeben. Aber ich möchte wol leiden, daß man auf seine Classischen Helden Ausfälle thäte; nicht um der Personen sondern um der Werke willen. Einer von meinen hiesigen Jüngern hat das Abgeschmakte wovon der Roman überfließt, wo nicht Ramlern und Weissen selbst, doch dem parterre begreiflich gemacht. Aber unsere beaux esprits haben ihre eigenen geschäfte. Lavater hat briefe unter der presse, in welchen er seine poesien von der Ewigkeit (es fehlt nicht viel) für dogmes giebt. Unser Diacon Waser, Übersezungen aus Lucian, die Pendans zu Swift und Buttler sind. Der Verf. von dem Leben Jesu schreibt meinem liebsten seligen Heß von Neftenbach ein Denkmal. Ich habe den lieben Mann 14. Tage vor seinem Ende gesehen, der Verstand war immer gut, wiewol das Gedächtniß fehlte. Der Verf. der brochure sur l’origine de la Religion ist genöthiget sie zu verleugnen. Nicht der Meister von Küßnach sondern der Bruder ihrer vormaligen Haushälterinn wäre gern nach Berlin gegangen. Müller kennt ihn intus et in cute. Der von Küßnach gienge lieber nach Paris, wo er mit den Diderots vertraut gelebt hat. Müller hat mir seinen Zustand mehr en bel esprit als wie professor beschrieben. Warum plaget der Hypochonder und das Heimweh nicht auch den Verfasser der Cesars?
Füßli in London hat mir seine Gunst nicht entzogen; er hat mir eine ode auf die Freiheit geschikt, in welcher die Zeilen stehn:
Du heuchelst Bodmer, Grewel du greuelst, ist
Dein eid nicht meineid, spinneweb dein Gesez!
Und dises soll lob seyn. Er hat sein Erbtheil von dem Oncle, seinem Vater geschenkt, aber der Vater hat den brief, in welchem das Geschenk stand, nicht lesen wollen, er sagte er möchte von dem ungerathenen pursch nichts lesen. Und so blieb es ihm glücklich verschwiegen. Wenn ers in seine Hände bekommen hätte, so hätte ers in kurzer Zeit verkramet.
Das gesez der ancienneté ist bey den Wahlen auf prebenden unzerbrüchlich. Ein sekelmeister könnte es für seinen bruder nicht brechen. Nur die pfaffen Collatores sind nicht daran gebunden.
Ich danke ihnen mein liebster, daß sie mich wegen der Sottises, die Kloz sich gegen mich erlaubt, nicht bejammern, und wegen der Eindrüke, des Atreus und anderer von meinen Sottises nicht tadeln. Halten sie dise sachen nicht auch für spielwerke eines Knaben mit grauem Haupte! Aber ich habe viel Musse, ich bin von der großen Welt entfernt, und die große Welt ist in Zürich das Rathhaus, welches ich mit dem Ambitu von mir abgelehnt habe, womit andere sich eindrängen. Dennoch hat man mich in die commission zu der Schulreforme gesezt. Hr. sekelm. Heidegger præsidirt, Dr. Hirzel ist auch bey uns. Unsere schulen sollen den Nahmen publiker schulen verdienen; aber man erwarte nicht, daß wir sie von Wort- und Glaubenswissenschaft, von gedächtnißwerken ohne begriffe werden reinigen können. Pilati lebt immer in Bünden bey den Salis, er schreibt izt die Historie der deutschen Kaiser. Ihre Vorübungen sind hier in großem Credit. Iseli hat alsobald eine ähnliche sammlung gemacht.
Ich umarme sie herzlich.
Bo.
den 7ten Sept. 1768.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13b.
A Monsieur Soulzer de l'academie royale des sciences etc. à Berlin franche Nurnberg
Vermerk Sulzers auf der Umschlagseite: »7 Sept. 68.« – Siegelreste.