Ich kann Hrn. Kraft nicht zu ihnen gehen lassen, daß ich ihm nicht ein Blatt an sie, liebster S. mitgebe, auf welches ich die gedanken werfe, die mir gerad izt durch den Kopf gehen. Der französische König hat gefunden, daß der Conciliationsplan beträchtliche Veränderungen der Constitution in sich enthalte, daß es genug gewesen wäre, Eclaircissemens über die Mediation von 1738. zu geben, und daß zu vil auf die seite der Bürgerschaft gelegt worden, vortheile, so sie mißbrauchen würde. Nichtsdestoweniger hat er den plan genehmigt, in der Beglaubung, daß die Republiken besser verstühnden was Republiken gehörte.
Izt sind die Genfer sich selbst überlassen für sich zu sehen ob ihnen eine solche Vermittlung, die eine Veränderung ist, anständig sey. Erst izt wird den Conseils und den Bürgern der plan das erste mal gezeiget, woraus man ihnen bißher ein Geheimniß gemacht hat. Wenn sie ihn verwerfen, so hört man nicht, daß man sie zwingen wolle, doch wird man sie für böse, undankbare leute, mutins und Chicaneurs ansehn, man wird sich beleidigt halten. Wenn sie ihre Verwerfung bis zum Enthusiasmo behaupten, so seh ich auch nicht, durch was für gewaltsame Wege man sie ohne unsere eigene gefahr und schaden nöthigen könnte. Aber wir haben solche fidem implicitam, daß wir schlechterdings glauben, die Hhn Gesandten haben alles so vorbereitet, daß sie der Annahme vergewissert seyn. Hier glaubt man lediglich an die finesse der Mediators; in Bern ist eine starke partey für die Citoiens, die wol leiden mögte, daß sie einen Acte de rigeur vornähmen. Aber die gegenpartey hält ihr die Wage. Wir kommen sehr in die klemme, wenn die Citoiens sich nicht ergeben. Man triumphirt indessen, als ob schon alles richtig sey, und man kann die tiefsinnigkeit der Hhn Med: nicht hoch genug erheben. Sie sind Solons und Lycurge. Insonderheit lobt man, daß sie Genf aus der dependenz gesezt haben, in welche die Mediation und Garantie dise Republik geworfen habe. Denn man glaubt, daß ein neu errichteter Tribunal von 79. Personen, welchen die Entscheidung der künftigen streite gegeben wird, alle fremde Mediation unnöthig mache.
Wir glauben hier zu riechen, daß von Voltair, d’Alembert, Hume, Walpol, Brühl ex composito gearbeitet werde, den guten J. J. R. der Welt zum schauspiel zu geben als einen philosophe à quatre pâtes. Wir haben drey Briefe von ihm gelesen, die seiner ganz würdig sind, und starke Spuren haben, daß er an Hume einen Verräther gehabt habe. Rouss. schreibt, wenn Hume seinen brief unverfälscht lieferte, so wäre Hume demasquirt. Wenn doch alles, was man R. zur last legt, richtig wäre, so wäre er nur lächerlich, und hätte rapeurs; aber nicht böse noch malhonnête. Und wenn er würklich Swifts unglükseliges Schiksal hätte, was würde sein iziges Delirium den Wahrheiten schaden, die er bey gesunden Gemüthskräften entdeket hätte? Wir haben nicht Ursache Hume für einen bessern Menschen zu halten als Monmollin ist. Die so leicht vermuthen, daß Rousseau ein malhonnêter mann, ein Böswicht seyn können, haben ihn niemals gekannt, und in seine Schriften ihn nicht gesehen.
Izt ist das denkmal, das der Doctor H. dem grossen Blarer gestiftet hat, aus der presse; wie klein erscheinen gewisse leute hier gegen Blarer! Man fraget: warum hat der Dr. nicht den burgerm. Escher zu s. Helden gemacht. Escher war nicht Blaarer. Aber er hat Gedanken, einmal auch Zimmermannen, dem Theologo, ein denkmal aufzurichten, in welchem die Theologen und Chorherrn paradiren sollen. Der Erinnerer erhebt sich wieder; Vögeli hat jüngst ein Stück gemacht, in welchem er zeigt wie nüzlich es für die Erziehung wäre, daß man, wie man izt Wälschinnen hält, künftig auch Wälschen hielte.
Der Jean Schoulthess, Wegelins Züchtling, bringt viel frivole politesse in unsere blödsinnigen Fraulein.
Es verdrießt mich, daß unser Chorherr ein Steinbrecher geworden. Die grosse Münster Kirche ist ganz durchlöchert, weil man funfzehn lange lichter hineingebrochen hat. Bey dieser Gelegenheit hat sich gefunden, daß nicht der ganze Diameter der Wände von gehauenen Steinen ist. Das innere davon ist mit Kieselingen ausgefüllet. Man fürchtet die wände der Thürmen seyn nicht stärker gebaut, und man darf es nicht wagen Cupole darauf zu sezen.
Seitdem hat Dr. Hirzel mir ein Exemplar seines Blarers für sie gegeben. Sie werden sein Herz erquiken, wenn sie die Gütigkeit haben, ein Blättchen an Ihn in den nächsten brief zu legen, in welchem sie ihm ihr Wolgefallen bezeugen. Er hat dieses Wolgefallen desto mehr nöthig, weil man hier nicht sehr zufrieden mit ihm ist. Die Wahrheit ist daß die wenigsten ihn verstehen, viel ihn nicht verstehen wollen; von mißgünstigen und neidern nichts zu sagen. Dieses ist eine Krankheit die hier epidemisch ist.
Ihr Ergebenst.
Bo.
den 8. Nov. 1766.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12b. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13b.
Vermerk Sulzers am oberen Rand der ersten Seite: »30 Oct u. 8 Nov. 66.«