Die Blike in das landleben, die ich ihnen mit disen Zeilen schiken will, sind von dem Freiherrn von Gemmingen, der in der herzoglichwürtembergischen Canzley sehr gebraucht wird.
Ich werde disen Winter mit meinem Joseph und Zulika heranrüken; vielleicht mit mehr andern stüken, von welchen sie noch nichts wissen, vornehmlich mit meiner letztern sünde der Columbona. Der Columbona ist ein Gedicht in fünf Gesängen, welches ich in den vorigen feuchten und kalten Sommermonathen geschrieben habe. Der Columbo ist ein vortrefflicher Charakter. Alle seine gefährten sind wakere männer; es sind die Antipoden der Cortez, Pizarro, Soto, Narvaes, und der andern spanischen Übelthäter, die Amerika so unmenschlich gemißhandelt haben. Die Fabel oder die sogenannte handlung nimmt etwan acht wochen weg; ich habe nicht so lange daran gearbeitet. In disem Werke werden sie wenig arabisches, vielleicht etwas spanisches, aber gewiß viel menschenfreundliches entdeken. Es ist ein grosses unglük, wenn man mir auch den Columbo nicht für einen helden gelten läst.
So lautet der Eingang:
Stehet die Muse mir bey von der begeistert ein dichter
Würdig der nachwelt singt so will ich gerne den Schiffer
Singen der Columbona, die lange vermissete schwester
Ihren drey schwestern gegeben. Er gab die göttliche Gabe
Die er so kühn verhieß und rächte mit großmut des geistes
Abschlag und Hohn womit sein Geschenk Europa verschmähte;
Noch undankbar nachdem er die grosse gabe gewährte,
Raubt' es ihm seinen Ruhm und drükte den kleinern Nahmen
Eines verwegnen Räubers auf seinen erfundenen Welttheil.
Aber wenn seinen Nahmen die Welt zu ehren versäumet
Soll die gerechte Muse getreu der verachteten Tugend
Seine seele versöhnen; sie soll beruhigt mich hören
Wenn mein Gesang sein göttliches Recht singt die Erde zu nennen,
Die er erfand.
Wenn das ganze werk mit disem anfang übereinstimmt so mögen mich die Stokhausen, und Bruker und H–r selbst tadeln, ich will es zufrieden seyn, und mich mehr darüber verwundern als darüber erschreken. Verzeihen sie mir, mein Freund, disen Stolz, ich muß doch meinen Hochmuth zusammenraffen, damit ich mich wider die vorurtheile stärke, welche die baare Anzahl der Epopeen die ich schon geschrieben habe, natürlicher weise, wenn nur nicht billiger weise, erweken muß. Denn ich zähle schon sechse und wenn ich mir nicht schonte, so könnte ich leicht achte zählen.
Stokhausen hat sich übel geärgert, daß er sechs verschiedne personen über sechs Epopeen ertappt hat: was würde ihm begegnen, wenn er einen menschen über sechsen erhaschete? Bruker hat sich mit Gottsched und Schönaich und Scheiben wider die Messiade und die Noachide vereinigt. Er hat W. vor mir treulich gewarnt als vor einem menschen qui veteris sensus contemptor est. Kann ich mich da mit aller meiner Bescheidenheit enthalten zu gedenken, ein Mann der die meinungen aller philosophen weiß, sey darum nicht selbst ein philosophe; so wenig als ein theologus der alle glaubenssystemata kennet, ein gottseliger mann ist?
Und so lautet das Ende der Columbonæ:
– Dom Juan sah sein Mißtrauen
In Columbos verheissung, mit einem Glüke gestrafet
Welches das schiksal für Isabella behalten. Er sahe
In der Bildung der Insulaner das Ansehn der Männer
Die Europa erzeugt, nur dunkler, doch nicht wie die Mauren
Pechschwarz und kurz mit platter nas und schwellenden lippen,
Sah in der hohen stirn ein offenes Herz hervorleuchten,
Das den Herrscher der schöpfung durch edles betragen bekannte.
Aber Columb verließ ihn dem gram; die Castilische Fürstinn
Spannte nach ihm die Arm' aus. Er wollt ein knie vor ihr biegen
Aber sie küste die stirn vor welche der grosse gedanke,
Eine westliche Welt, aufstieg. Er gieng im Triumphe
Zwischen Dom Fernand und Isabella, der grössern Tiphys.
Ich sehe mich schier genöthiget die Zulika und die Columbona in einem fremden orte druken zu lassen, damit ich die ersten vorurtheile vermeide, die auf den arbeitsamen Verfasser fallen müssen; Wenn es nur möglich wäre, daß ich das Incognito halten könnte! Sie fehlen in ihrer Muthmassung daß Jacob, Rahel, Joseph, nur Theile eines ganzen gedichtes seyn. Dise Werke haben weiter nichts mit einander gemein als daß die sujets aus einer Familie gewonnen sind. Aber in jedem herrscht ein verschiedenes Interesse; wer dise sujets zusammen verbinden wollte, würde in den fehler der Frau Rowe verfallen – Ich bin in der Columbona noch viel sparsamer mit gleichnissen als ich in der Rachel nicht war. Wer darüber sich bemühen will nachzudenken, der möchte finden, daß es nicht ohne ursache geschehen ist.
Die Frau professorin hat mir durch ihr allerliebstes Briefchen die schönste belohnung für den Noah gegeben. Ich kann darüber den beyfall nicht nur Ramlers sondern H–n und S–kens entbähren. Ich weiß wol daß ich den vollen beifall des letztern nicht habe; die verfasser sind sehr merksam. Ich bitte der Fr. Liebsten insbesondere den Verdruß zu danken, den sie dann haben muß, wenn Ramler in der Abwesenheit ihres Geliebten vom Noah mit verachtung redet.
Randglossen beym Noah, was diser und jener bei durchlesen desselben gedacht hat, wären etwas wunderliches; ich will gern ein Exemplar für disen gebrauch schiken. Schonen sie den papier nicht. Hr. Elsner soll Ihnen drey pourtraits in schwarz von mir gebracht haben; Wie übel wäre ich daran wenn ich mir in m. gedichte nicht ähnlicher wäre!
Von Hr. Klopstok weiß ich nichts neues. Ich habe ihm Wielands fryhling mit einem Freundschaftl. Brief geschikt. Von meinen werken habe ich ihm nichts gesandt, weil er kein Zeichen von sich giebt, daß er einiges verlangen darnach habe: weil er auch mir seine Messiade nicht geschikt hat. Es ist unangenehm, wenn man mit einem freunde immer sur le qui vive stehn muß. Das habe ich mit ihnen nicht zu befürchten. Ich darf einfältig schliessen.
Ihr gehorsamer freund und diener
Bodmer.
Zürich den 6 Septemb. 52
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.
Vermerk Sulzers am oberen rechten Rand der ersten Seite: »6 Sep. 52«.