Mein Herr und wehrtester Freund.
Sie sollen von mir dises Jahr zwey schreiben empfangen haben, eines vom Christm. 1747 mit welchem ich ihnen den verbesserten Cimon gesandt, das andre vom 7 Febr. mit zwey liedern aus XXX. Hingegen habe ich von ihnen den brief vom 27 Febr. und den vom 12 Octob.
Wir haben also einander nicht viel vorzurüken. Nur bin ich sorgfältig wegen des Cimons, ob sie denselben auch in seiner stark veränderten gestalt empfangen haben. Sie gedenken zwar dises Cimons in ihrem briefe, aber ich kan doch nicht positive daraus lesen, ob sie den ersten Aufsaz oder den veränderten meinen. Sie hatten mir vordem geschrieben daß Naumann oder ein andrer disen Cimon in Verse übersezen wollte, welches mich besorgt gemacht, weil sein Charakter in der ersten Ebauche noch sehr mangelhaft war, daher ich ihn ein wenig besser bestimmt hatte, wiewol ich auch mit diser Verbesserung noch nicht zufrieden bin, und stets glaube, daß Cimon sprünge mache. Ich fürchte, daß irgend einer von ihren briefen zurükgeblieben. Vielleicht auch einer von meinen.
Ich habe dem Hr. Schuldheiß beym Dach für Sie zugestellt Misanthrope, den ich aus m. bücherschranke genommen, proben der schw. Poesie, Meyers Fabeln, welches das lezte Exemplar ist, Muralts, des Verf. der Lettres sur les anglois & les franc. livre sixieme fables pour les Enfans. Ist im Fragment, vielleicht der einzige. Rest. Breiting. de Consensu multitud. nebst etlichen Kinderlieben Erzählungen p. Duncias &c. Mich wird freuen, wenn sie etwas darunter finden, welches ihre schöne Übersezung von West verdanken kan.
Ich kan Hn Gleim und andern Freunden ihre nachläßigkeit wol verzeihen, insonderheit und statt an mich an das publicum schreiben. Ich fürchte daß es bey Hn Gleim auch in disem stüke fehlen wolle. Ich hatte geglaubt, daß Sie ihn den vergangenen Sommer besucht und aufgemuntert hätten.
Es ist aber schon gefehlt, wo Aufmunterungen nöthig sind. Ich habe hingegen etliche briefe von Klopstok der mich zum vertrauten seines Messias und seiner liebe machet. Was ich zum Ruhm seines gedichts thue, werden sie künftig zu sehen bekommen. Ich habe ihn im Mercure de Neufchatel sehr gelobet, ferner veranstaltet daß dises in einem Italienischen Giornal geschehe. Ich habe Mosheim und Baumgarten bitten laßen daß sie des Messias gedenken; und ich ersuche Sie gleichfalls sehr inständig, daß sie eben das in einer künftigen schrift thun, und vornehmlich Hn Sak vermögen, daß er ein kleines Elogium davon in seinem verteidigten Glauben mache.
Ich sorge noch auf andere Art für ihn. Ich lasse mir Zeugnisse geben von den Empfindungen die er bey rechtbeschaffenen Lesern gemacht hat &c. &c. Wie die Zeugnisse von der pamela sind. Von Langens Geselligem habe ich nur 20 stüke gesehen, die mir sehr mittelmässig dünken. Ich habe es ihm nicht verhalten. Wie ungeschikt hat Meyer Baumgartens Verteidigung dem Peter Squenz übergeben? Seine thiere mit ihren seelen sollten sie eben so gut gemacht haben. Mit Sucro bin ich wol zufrieden, nur könnte er poetischer seyn.
Ich lasse neue Critische Briefe druken, worunter sehr viele sind welche Briefe meiner Freunde beantworten die sie mir niemals geschrieben haben, aber vermuthlich geschriben hätten, wenn es ihnen nicht an Zeit, Muß und Lust gefehlt hätte. Es ist mir um so viel leichter die briefe meiner Freunde zu mißen. Am allerwenigsten muß man sich nöthigen mir zu schreiben damit man mich unveränderlicher Freundschaft versichere. Ich bin über disen punkt gar nicht argwöhnisch. Womit habe ich mich doch so fürchterlich gemacht, daß auch Gleim nicht mehr an mich schreiben darf weil es ihm an Wiz fehle? Habe ich jemals Argutias, acumen, Esprit, und wie das ding in allen sprachen heißt, von ihm verlanget? Oder bin ich der, [→]pro cui non liceat solœcissare? Ich wollte so wenig ⟨mürflen⟩ nimis acutus, nimis ingeniosus, als nimis pulcher zu seyn. Das schiksal hat mich vor beyden gleich bewahrt.
Hr. Schuldheiß hat die meisten Eigenschaften eines mädchenfreundes, doch müssen sie ihn in diser Arbeit nicht verlassen. Wenn Hr. Bürkli nach haus schreibt, so wird Ihnen wol erlaubt seyn, ein Zedelchen beyzulegen, in welchem sie mich aus meiner unruhe wegen Cimon sezen.
Der schriftsteller nach der Mode ist mir noch nicht zu gesicht kommen, ich bin darüber ganz ruhig. Ich wünsche daß Hr. Mosheim über den Art. gegen seinen Servet eben so ruhig bliebe. Er hat einen fürchterlichern Gegner als der Dr. Baumgarten; der doch so ängstlich thut. Dise herren können nicht viel leiden, man könnte ihnen doch noch mehr vorwerfen. Baumgartens gegner ist nur ein student, aber Mosheims ist ein Genie. Adieu mon cher Amy.
Votre tres h. & fidelle
Bodmer
Zürich den 10. Xb. 1748
H: ZB, Ms Bodmer 20.12. – A: ZB, Ms Bodmer 13a.
A Monsieur Soulzer professeur tres celebre à Berlin.