Hochgeehrtester, wehrtgeschätzter Hr. und Freund.
Vor etlichen Tagen habe das Schreiben des Hr. von Hagedorn, durch Einschluß an Hrn Wasern, und gestrigen Tags Ihr eigenes Wehrtestes durch dem selben Weg wohl empfangen. Ich danke Ihnen zum verbindlichsten für die Mühe, so Ihnen durch dise bestellungen verursacht wird, und werde mich befleißigen solche durch Gegengefälligkeiten zu erwiedern. Diesesmal habe ich nichts in bereitschaft womit aufwarten könte, als den ersten Theil von Opizen. Sie werden in einem pake zwey solcher Exemplaren empfangen, wovon das andere bitte ferner nach Hamburg an Hn Secretar von Hagedorn zu expedieren. In demselben ligen überdies freye Nachrichten von etlichen Stüken, und Amusement de Misodeme 1. feuille, gedoppelt, wovon wider von jeglichem ein Stük an Hn von Hagedorn zu besorgen ersuche, das andere mögen Ew. behalten oder nach belieben Hn Gleim zusenden, denn ich wünschete, daß diser wakere Mann sähe, daß die gute Sache noch ihre Achillese hat. Wann dise Wochenschrift, die erst vor ein paar Wochen angefangen hat, ein wenig wird zu Kräften gekommen seyn, wird man schon Mittel ausfinden, eine Anzahl Exemplaren nach Leipzig, Berlin und Hamburg zu bringen. Der Autor will noch verborgen seyn. Er hat einen Köcher voller spitzigen und mit Widerhaken versehenen Pfeile.
Wenn Hr. Hagedorn ihnen etwa ein Pak für mich zuschikete, so bitte solches ferner durch Gelegenheit an mich zu besorgen und den Kosten so darüber gehet, zu melden, damit ich solchen mit dank entrichten könne.
Wenn etwas den leipzigern nicht gefällt, so ist es bald ein gewisses beweisthum, daß es etwas vortreffliches ist. Ich erwarte, daß selbige über die neuen Fabeln mehr als jemals rumoren werden; Zumal da die satyrische Schrift von Stoppens Kunstgriffen sie nothwendig in die Nase beissen muß. Es wäre für die gerechte Sache sehr gut, wenn Ew. solchesfalls zum Schuz der schweizerischen Fabeln die Feder ergriffen. Ich sehe gern, wenn mitten in Deutschland Vertheidiger des geschmaks entstehen damit es nicht scheine, daß die Deutschen mit ihrem Stillschweigen die gute Sache verlaßen, oder gar die andere partey halten. Vielleicht dienete es uns, wenn wir die Nahmen der Hällischen Bemüher mit Gewißheit könnten innen werden, damit wir sie alsobald mit andern Dunces verewigten.
Vergessen sie ja nicht Hn pastor Lange mit gelegenheit zu sagen, wenn ihm der Ruhm des Hn Pyra angelegen ist, daß er uns mit desselben gedrukten Schrifften, so nur auf fliegenden blättern herausgekommen, bediene; Wir haben nichts von ihm als den Weltbürger, und den Erweis. Daneben soll er sich doch um die nachgelaßenen Schriften dieses ehrlichen Mannes bekümmern. Ich werde Gelegenheit suchen Ihm ein Denkmal aufzurichten.
Der 12 theil der Samml. ist bald ein Jahr zu Leipzig, daß er da verkauft werde, Gleditsch hat es von Hn Orell in Commission, er pressiert sich aber niemals mit Verkaufen, und ich habe ihn längst im Verdacht daß er das Reich der Barbarie und der Finsterniß heimlich begünstige. Die buchhändler sind der Verbeßerung des Geschmaks von Anfang im Wege gestanden, weil ihr ganzer Verlag darunter leiden müste.
Der abentheurliche Critische Kalender ist von Schwarzen zu Regensburg. Er ist hier stark gelesen worden. Selbst die Schumacher und Schneider haben viel vergnügen daran gefunden, so wohl als wer von den vornehmen mit Ihnen in eine Classe gehört. Es ist eine Schande für Winterhur, daß einer Critischen Gesellschaft von da ein solches unsinniges Werk zugeleget wird. Es scheint der Autor habe eine schlechte Opinion von den Kunstrichtern dieser Stadt. Doch alle Schande fällt bey der ersten Reflexion auf ihn selbst. πῶς βακχεύει, πῶς χοροβατία; Diesen Augenblik empfange die Zweyte feuille des Misodeme, welche ich darum hier einschliße, und bitte, sie weiter an Hn von Hagedorn zu befödern. Ich erwarte, daß dieser held bäldest die fürsten der barbarie und die erstgebohrnen Söhne der dummheit anfalle. Stoppe macht selbst auf dem Bloksberg eine zu schlechte Figur, und ist unter den seinigen selbst homo obscurus.
[→] Speciosa dehinc miracula promat
Antiphatem, Scyllamque et cum Cyclope Charybdim.
Ich kan nicht anders als Ew. Theil an der Freude geben die mir neulich ein eigenhändiger Brief des redlichen Hn Samuel Königs, dißmahligen professor philosophiæ zu Franeker verursacht hat. Er hat ein jährliches Gehalt von 1200. holl. gulden; und sie haben ihm 800 an die Reisekosten gegeben. Er rühmt nicht daß die philosophie noch die Mathematik in Holland große progresse gemacht habe.
Ich wünsche daß Hr Dr. Haller künftige Ostern zu Bern das baret fände, nach welchem ihm das Herz so stark blutet. Adieu
Ich habe die Ehre zu verbleiben
Ew. gehors. und ergebenster
Dr.
Joh. Jacob Bodmer
Zürich den 14. Hornung 1745.
Postscr. damit der Brief nicht zu schwer werde, habe die zweyte feuille des Misodeme nicht einschlißen dürffen. Ich will sie aber bäldest mit dem folgenden in einem Päkgen überschiken.
H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a. – A: ZB, Ms Bodmer 20.9–11, 13a. – E: Zehnder-Stadlin 1875, S. 386–388.
Zwei Exemplare von J. J. Bodmer, J. J. Breitinger, Martin Opitzens Gedichten. – Mehrere Stücke der Freymüthigen Nachrichten. – S. Henzi, Amusemens de Misodème.