Brief vom 9. Dezember 1752, von Bodmer, J. J. an Sulzer, J. G.

Ort: Zürich
Datum: 9. Dezember 1752

Zyrch d. 9. Decemb. 52

Mein liebster Hr. professor.

Ich antworte ihnen auf ihr wehrtestes vom 11. nov. umständlich in einem briefe und paket die ich bey gelegenheit der Neujahrsmesse an Gottfried und Hartmann Winkler Junior in Leipzig zur bestellung an Sie geschikt habe. Izt muß ich Sie wegen eines autormercantilischen vorschlags durch die post bemühen. Ich habe für die presse bereit, Zulika von etwa 1200. Versen. Columbona von ungefehr 3000. und Syndflut complet von ebenso vielen Versen. Ich könnte Jacob und Joseph, mit Zusäzen, hinzuthun. Alle diese werke wollte ich in Berlin oder in dortiger Gegend, Leipzig p. druken lassen. I. Man muß mir hundert Exempl. geben, allhier franco gelifert, nicht pro labore sondern gegen unten verzeichneten meinen alten Verlag, also daß ich drey bogen gegen zween gebe. II. Die hundert Exemplare muß man mir franco hier nach Zürch lifern. III. Ich überlasse es die gedichte mit deutschen oder lateinischen schriften zu sezen, aber der verleger muß von dem schönsten schreibpaper für meine Exemplare nehmen. IV. In zwey jahren soll mir freystehen eine neue Edition zu veranstalten.

Ich habe keine eigennüzigern Absichten als daß meine Critischen Werke vollends in die deutschen buchladen kommen, und daß die neuen gedichte schnell divulgirt werden. Ich wollte dem unternehmer freystellen die Titel auf den critischen werken umdruken zu lassen, und 1753 drauf zu sezen. Ich habe nicht mehr als 100–150 stüke in allem vorräthig.

Nun wollte ich Sie gerne bemühen, daß sie diesen vorschlag meo nomine einem Verleger vortrügen. Wenn ich es erlebe, daß die zweyte Edition vom Noah gemacht wird, so wollte ich sie in gleichen conditionen überlassen. Sie dürfen den autor der neuen gedichte wol entdeken. Es muß zu meinem vorschlage ein actifer Trypho seyn, wie Hemmerde wäre, und disem hatte ich geschrieben, er hatt aber meinen vortrag verworfen.

Verzeichniß der Bücher
die ich auf obige bedingungen drey bogen gegen zween gebe.

Breitingers dichtkunst cplt. zween Theile
von Gleichnissen
Bodmer vom Wunderbaren oder schuzschrift für Milton
poetische gemählde.
Sammlung Critischer und geistreicher schriften cplt.

Wenn Sie nicht bald hoffnung sehen, daß sie einen tüchtigen verleger finden können, so belieben sie mich zu benachrichtigen, weil ich dann mit Heidegger hier tractiren will. Ich wollte gerne noch auf die Ostermesse wenigstens ein oder zwey von den gedichten fertig haben.

Herr von Kleist ist seit 12 Nov. hier, er ist sehr gesezt, sehr gefällig und einer der besten kunstverständigen. Er thut mir die Ehre daß er mich oft besucht, und ohne den Gallopin bey dem er logirt ist. Er verzeiht mir daß ich ihn nicht wider besuche, weil er wol weiß, daß mich der Gallopin ärgert. Er erzählt ihm von den Klopst. händeln nur die Excesse nicht, zu welchem er selbst ihn verleitet hat. –

Wiel. weiß die ganze geschichte, selbst den abentheuerlichen brief. Ich habe sein Herz mit einer aufführung gewonnen, die bey weitem nicht so ehrerbietig war, als mein betragen mit Klo. Er hat ein vortreflich Herz, und den hellesten Kopf. Izt brütet er über einem werke, welches Klo. zum Neid bewegen kann und wird; weil er zweifeln wird, ob er der erste Poet sey. Den Hermann wird er erst nach vollendung dises werkes arbeiten und ganz umgiessen. –

Gleim hat mir auf mein geschenke vom Noah nicht ein wort erwidert. Wenn sie einmal mit ihm zu sprechen kommen, so suchen sie von ihm die verbalia zu erfahren die ich ehmals in einem brief an Klo. soll gebraucht haben, woraus er folgen will, daß die 58. doppie ein freyes geschenke gewesen seyn.

Hr. von Kleist sagt ungemein viel gutes von Ramler, er erhebt ihn zu einem Genie, [→]sed non ego credulus illi. Gott wolle, daß wir bald etwas von ihm zu sehen bekommen.

Die übersezung der Nachtgedanken in Hexametern macht den Hexametern nicht viel Ehre.

Hallers Recension vom Noah ist, wie sie von einem Chroniqueur aus den Mittlern Zeiten wäre gemacht worden. Er scheint zu glauben das historische gerippe sey das wesentlichste im Epischen gedichte. Ich bin mit einem Trauerspiele beschäftigt, welches ich aus Jacob und Joseph gezogen habe.

Haben sie nicht den Eremiten gesehen, der in Hamburg gedrukt ist. Es ist aus dem Englischen von Parnell.

Ich bin ein wenig ungewiß ob Hr. von Hagedorn viel auf den Noah hält; wenn er vil darauf hält, so geschieht das um Kleinigkeiten willen. Gewiß übersieht er, was in meinen augen das meiste ist. Hr. von Haller macht ganz gewiß weniger aus m. Noah als aus Duschens Wissenschaften und Werlhofens gedichten, und Michelis Prediger Salomo. Ich wollt, daß die nachwelt das alles und noch mehr inne würde. Mir selbst mag darüber begegnen was will.

Hr. prof. Samuel K–g, mein alter freund ist wieder erwachet. Er gehet im Triumphe, wie Columbo zwischen Isabella und Fernand. Er hat die lacher auf seiner Seite, und die Ohren gäken vor den Huées.

Hr. Wiel. hat ihnen geschrieben, der Brief ligt in dem pak, der auf die Neujahrsmesse gegangen ist.

Welche zeiten der ruh, Tage der Heiligen
Freundschaft, stunden der Zærtlichkeit
Fremd dem irdischen volk – –

Wie verlangt mich, daß ich der wehrtesten frau prof.in die Zulika schiken könne! Auch Sunith verlangt sich Ihr zu empfehlen.

Ihr Ergebenst. freund – Bodmer.

Überlieferung

H: ZB, Sign.: Nachlass Ms Bodmer 12a.

Stellenkommentar

ohne den Gallopin
Gemeint ist Hans Caspar Hirzel.
brütet er über einem werke
Wieland arbeitete in dieser Zeit am ersten Teil eines Gesangs vom Menschen (Starnes Wieland 1987, Bd. 1, S. 38).
sed non ego
Vgl. Kommentar zu Brief letter-bs-1752-02-16.html.
mit einem Trauerspiele beschäftigt
Bodmer verfasste sein Trauerspiel Der erkannte Joseph im Laufe des Dezember 1752. Das Drama, in welchem der Stoff des epischen Gedichts Jacob und Joseph eingearbeitet ist, wurde 1754 zusammen mit dem kurz darauf entstandenen Stück Der keusche Joseph veröffentlicht, das seinerseits auf der Geschichte von Joseph und Zuleika aufbaut. Vgl. Brief letter-bs-1753-04-27.html.
Michelis Prediger Salomo
J. D. Michaelis, Poetischer Entwurf der Gedancken des Prediger-Buchs Salomons, 1751. Michaelis (den Bodmer zuweilen »Michelis« schreibt) ließ Bodmer durch die Vermittlung Hallers ein Exemplar seines Werks zukommen. Vgl. Haller an J. Gessner, Göttingen, 3. September 1752: »Cel. Bodmero plurimam salutem dicit noster Michaelius et vellet suam Salomonii operis paraphrasin mittere, si absque sumptu id fieri posset.« (Haller Briefe an Johannes Gessner 1923, S. 189).
gäken
Schreien, kreischen.
hat ihnen geschrieben
Wielands Brief an Sulzer von Anfang Dezember 1752 ist erschlossen, aber nicht überliefert. Vgl. Wieland Briefwechsel 1963, Bd. 1, S. 157. – Starnes Wieland 1987, Bd. 1, S. 38.
frau prof.in
Professorin, Sulzers Frau Wilhelmine Keusenhoff.

Bearbeitung

Transkription: Jana Kittelmann und Baptiste Baumann
Kommentar: Jana Kittelmann